Gesundheitspolitik

Cannabis-Legalisierung: Apotheken bleiben im Spiel

ICBC: Branchentreff in Berlin / Zeitplan für Cannabis-Gesetz verschiebt sich

mp | Schon bald will die Bundesregierung Cannabis zu Genusszwecken legalisieren. Vergangene Woche diskutierten auf der International Cannabis Business Conference (ICBC) Politiker und Experten über den richtigen Weg. Burkhard Blienert (SPD), Beauftragter der Bundesregierung für Sucht- und Drogen­fragen, machte in seiner Eröffnungsrede deutlich, dass noch einige Fragen offen sind.

Blienert koordiniert die Cannabis-Legalisierung in der Bundesregierung. Zur Eröffnung der Cannabis-Messe, die am 19. und 20. Juli in Berlin stattfand, berichtete er, wie er sich 2013 als Politik-Newcomer für die SPD mit Fragen zu Drogen beschäftigen sollte. Schon am Gesetz „Cannabis als Medizin“ wirkte er mit. Als es 2017 in Kraft trat, machte es Cannabis in Deutschland erstattungsfähig und ließ die Branche schneller wachsen als Cannabis sativa. „Ich bin froh, über die Erstattungsfähigkeit per Krankenkassen wesentliche Meilensteine mitgestaltet zu haben“, erklärte Blienert. Doch ob ihm das diesmal auch gelingen wird, darüber möchte er nicht spekulieren.

Viele Hürden seien noch zu meistern und viele Fragen noch immer offen. Wie hoch darf die Besteuerung werden? Einerseits müssten viele junge Konsumenten – ähnlich wie beim Alkohol oder Tabak – durch den Preis abgeschreckt werden. Andererseits verhindert ein zu hoher Preis eines der Ziele der Legalisierung, nämlich den Schwarzmarkt trockenzulegen. Daher verschiebe sich wohl der Zeitplan, deutete Blienert an. Eigentlich sollte dem Parlament bis Dezember 2022 ein Referentenentwurf vorliegen. Dies könnte auch erst 2023 gelingen.

Zudem: Mit dem Cannabis-Kontrollgesetz könnte Deutschland gegen die Single-Convention der vereinten Nationen von 1961 verstoßen. Zusätzlich muss Deutschland sicherstellen, dass die Legalisierung nicht gegen europäisches Recht verstößt. Blienert will alle Fragen geklärt haben, bevor die Regierung einen Referentenentwurf veröffentlicht. Er hütete sich davor, auf der business-to-business-Messe ICBC Details preiszugeben.

Apotheken: Eine passende Abgabestelle?

Nach Blienert sprachen unter anderem Vertreter der Koalitionsfraktionen über das „recreational“ (englisch für Freizeit) Cannabis. Eine wichtige Frage: Wer kommt als lizenzierte Abgabestelle in Betracht? Der ehemalige Zollbeamte und SPD-Bundestagsabgeordnete Carlos Kasper erklärte: „Die Abgabestellen können Apotheken sein. Gleichzeitig muss klar sein, dass Medizinal- und Genuss-Cannabis getrennt gehandhabt wird.“ Gerade auf dem Land seien Apotheken wichtig, weil sich hier oft keine Cannabis-Fachgeschäfte halten können. Kristine Lütke (FDP) bringt Apotheken ebenfalls als Abgabestellen ins Spiel. Insbesondere für ältere Patienten seien sie dank des Fachwissens bestens geeignet für die Abgabe.

Die Abgeordneten stimmen zugleich überein: Nicht bei jedem Konsumenten wird ein ausführ­liches therapeutisches Gespräch nötig sein. Daher fordert etwa auch der Branchenverband Cannabis-Wirtschaft, dass jedes Geschäft – nicht nur Apotheken – für die Abgabe infrage kommen solle, wenn es die vom Gesetzgeber definierten Auflagen erfüllt.

Die ABDA stellt derzeit eine andere Forderung: Hilfe würden die Apotheker nur unter der Bedingung anbieten, dass die Abgabe ausschließlich über Apotheken geschieht. Ihr Argument: Die Abgabe und die Lieferketten könnten die Apotheken nur dann nachverfolgen und dokumentieren, wenn sie die alleinigen Anlaufstellen sind.

Auch Vertreter der Industrie sprachen in einer weiteren Diskussionsrunde Apotheken an. So erklärte Jörg Meyer-Brenken von Fluence LED, einer Firma, die Lichtsysteme für den Cannabis-Anbau vertreibt, dass Konsumenten geschützt werden müssten. Es brauche Sicherheit, Qualität und ausreichende Verfügbarkeit – das könnten Apotheken bieten, so Meyer-Brenken. „Aber es gibt nicht das eine Modell, das überall funktioniert. Gibt es nur eine Anlaufstelle für die Abgabe, laufen Konsumenten wieder zum Dealer und das Vor­haben ist gescheitert.“

Luc Richner, Gründer von Canna­vigia, einer Plattform, die in der Schweiz Cannabis-Lieferketten datenschutzkonform aufzeichnet und allen Stakeholdern die nötigen Informationen zur Verfügung stellt, sagte auf Nachfrage der Redaktion, er halte das Argument der ABDA für vorgeschoben. Denn die Technologie, mit der die Abgabe sowohl über Apotheken als auch andere Fachgeschäfte kontrolliert werden könne, gebe es bereits.

Meyer-Brenken fügte hinzu: „Wir dürfen die Apotheker nicht vernachlässigen. Sie haben die Infrastruktur, das Fachwissen, die Erfahrungen bei der Abgabe von medizinischem Cannabis.“ Er würde sich freuen, Apotheker zu sehen, die Kunden unterstützen, die Cannabis für den Freizeitgebrauch ausprobieren möchten.

Viele Branchenvertreter auf der ICBC scheinen bereits im Goldrausch zu sein. Für sie ist die Legalisierung ein möglicher Wendepunkt, der die Drogenpolitik in ganz Europa prägen könnte. Neben Deutschland arbeitet derzeit auch Portugal an einem Gesetz zur Legalisierung. |

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