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Wirtschaft
Sind Mieträume bald unbezahlbar?
Verträge mit Wertsicherungsklausel: Wie Sie versuchen können, einen dramatischen Mietanstieg zu verhindern
Die im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) enthaltenen Vorschriften zur Mieterhöhung gelten nicht für Gewerberaummietverhältnisse. Damit in einem Gewerberaummietverhältnis während der Mietzeit eine Anpassung der Miete erfolgen kann, muss grundsätzlich eine Klausel zur Anpassung der Miete vereinbart werden. Zu diesem Zweck wird häufig eine sogenannte Wertsicherungsklausel unter Bezugnahme auf die Entwicklung eines amtlich ermittelten Index (in den meisten Fällen der VPI) vereinbart. Die Intention einer Wertsicherungsklausel steckt bereits im Namen: Der Wert der Miete soll über die Mietzeit gesichert werden, sodass dieser gleich bleibt, der Betrag hingegen an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst wird. Die Änderung der Miete erfolgt dann in aller Regel um den gleichen Prozentsatz, um den sich der Index in einem bestimmten Zeitraum verändert hat.
Um Bagatellanpassungen zu verhindern, wird häufig ein Schwellenwert von beispielsweise 5 oder 10 Prozent vereinbart, sodass je nach Ausgestaltung eine Anpassung schon bei Erreichen oder erst bei Überschreiten des Schwellenwertes erfolgt. In Zeiten einer gemäßigten wirtschaftlichen Entwicklung, mithin insbesondere ohne Auswirkungen einer künstlich geschaffenen Knappheit von primären Energieträgern, kann sich eine Wertsicherungsklausel einmal zugunsten des Mieters, ein andermal zugunsten des Vermieters auswirken. Betrachtet man exemplarisch die Indexänderung von Januar 2018 bis Juni 2019, so beträgt diese nur 3,6 Prozent. Hingegen hat von Januar 2022 bis Juni 2022 bereits eine Entwicklung des VPI um 5,3 Prozent stattgefunden, von Januar 2021 bis Juni 2022 gar schon um 10,4 Prozent. Deutlich wird, dass selbst Wertsicherungsklauseln mit einem Schwellenwert von 10 Prozent wesentlich schneller zu einer Mieterhöhung führen können, als man im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vermutet hat.
Möglicherweise ist Ihre Wertsicherungsklausel so ausgestaltet, dass eine automatische Anpassung der Miete ab Erreichen des Schwellenwertes erfolgt, ohne dass sich Ihr Vermieter schriftlich auf die eingetretene Indexänderung berufen muss („echte Gleitklausel“). Es wäre daher grundsätzlich möglich, dass der Vermieter für den noch nicht der Verjährung unterfallenden Zeitraum die höhere Miete nachfordert. Wichtig ist daher, dass Sie zunächst Ihren Mietvertrag auf eine Wertsicherungsklausel prüfen und sich gegebenenfalls anhand der enthaltenen Klausel einen Überblick verschaffen, wie sich der aktuelle Stand des Index auf Ihre Miete auswirken kann.
Wirksamkeit überprüfen lassen
Aber auch ohne echte Gleitklausel sollten Sie eine Überprüfung anstellen, damit Sie nicht von einem Mieterhöhungsverlangen überrascht werden. Sollte sich eine für Sie dramatische Erhöhung abzeichnen, lohnt sich unter Umständen die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe. Eine Wertsicherungsklausel muss für ihre Wirksamkeit nämlich bestimmte Anforderungen nach dem Preisklauselgesetz erfüllen. Zu nennen sind hier insbesondere
- die Orientierung an einem vom Statistischen Bundesamt oder von einem Statistischen Landesamt ermittelten Preisindex,
- der Ausschluss der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit durch den Vermieter für die Dauer von mindestens zehn Jahren sowie
- eine Ausgewogenheit der Klausel, mithin dass die Miete sowohl nach oben als auch nach unten angepasst werden können muss.
So andere Gründe nicht ohnehin zu einer Unwirksamkeit der Klausel führen, ist zu beachten, dass nach dem Preisklauselgesetz zunächst gerichtlich die Unwirksamkeit für die Zukunft festgestellt werden muss. Auf vergangene Mieterhöhungen hätte die Feststellung durch das Gericht keine Auswirkung.
Störung der Geschäftsgrundlage
Überlegenswert ist bei einer ohnehin schon hohen Grundmiete und einer an sich üblichen Wertsicherungsklausel die Prüfung der „Störung der Geschäftsgrundlage“. Der Leitgedanke des Gesetzgebers für Verträge lautet „pacta sunt servanda“ oder auf Deutsch „Verträge sind einzuhalten“. Er zieht sich zwar wie ein roter Faden durch die Gesetze und dieser wird in aller Regel auch nicht durchtrennt; dennoch gibt es Ausnahmen, die der Gesetzgeber ausdrücklich normiert hat und die über die Jahre von der Rechtsprechung ausgestaltet worden sind. Der Gesetzgeber hat die Störung der Geschäftsgrundlage in § 313 Abs. 1 BGB wie folgt normiert:
„Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.“
Bereits im Zuge der pandemiebedingten Schließungsanordnungen erlangte die Störung der Geschäftsgrundlage besondere Aufmerksamkeit, da sich zahlreiche Mieter vor den Gerichten auf ebendiese Regelung beriefen, als sie von ihren Vermietern auf ausstehende Mietzahlungen verklagt wurden.
Risiko nicht einseitig zulasten des Mieters
Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 12.01.2022 – XII ZR 8/21) kommt es für die Bestimmung der gemeinsamen Geschäftsgrundlage auf die bei Vertragsabschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen der Parteien zum künftigen Eintritt gewisser Umstände an. Ebenso, wie Mieter und Vermieter beim Abschluss des Mietvertrages gerade keine Vorstellung davon hatten, dass es während der Laufzeit des Mietvertrages wegen einer Pandemie zu Betriebsschließungen kommen werde, war den Parteien beim Abschluss des Mietvertrages nicht bewusst, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Faktoren rund um den Mietvertrag durch einen Krieg, eine Hyperinflation, eine Störung in den Lieferketten bzw. die eingangs beschriebene künstliche Verknappung der Primärenergieträger derart verschieben werden, dass es zu den nunmehr bekannten und weiterhin absehbaren wirtschaftlichen und sozialen Folgen gekommen ist oder noch kommen wird.
Sofern eine Auslegung des Mietvertrages im Einzelfall nicht ergibt, dass das sich gerade realisierende Risiko von einer der Parteien zu tragen ist (Beispiel: Ein Laden für Trendprodukte muss vorzeitig schließen, da sich die Produkte nicht mehr verkaufen lassen), kann eine Anpassung des Vertrages möglich werden. Zwar soll die Wertsicherungsklausel genau diesen Preisverfall auffangen und den eigentlichen Wert der Miete sichern; Träger des Risikos ist aber nicht zwangsläufig diejenige Partei, zu deren Ungunsten sich eine Wertsicherungsklausel im konkreten Einzelfall auswirkt. Vertragliche Bestimmungen zur Übertragung des Risikos für bestimmte Faktoren auf eine der Vertragsparteien sind grundsätzlich eng an ihrem Wortlaut auszulegen. Ohne ausdrückliche Regelung zur Risikotragung kann folglich davon ausgegangen werden, dass die Parteien den Mietvertrag mit einem anderen Inhalt abgeschlossen hätten, wenn sie diese Umstände beim Vertragsschluss gekannt hätten. Der BGH führt im zuvor benannten Urteil zur pandemiebedingten Anpassung der Miete ergänzend aus: „Es ist anzunehmen, dass redliche Mietvertragsparteien für diesen Fall das damit verbundene wirtschaftliche Risiko nicht einseitig zulasten des Mieters geregelt, sondern in dem Vertrag für diesen Fall eine Möglichkeit zur Mietanpassung vorgesehen hätten.“ Es kommt aber immer auf den Einzelfall an.
Das Gespräch mit dem Vermieter suchen
Ungeachtet einer potenziellen Unwirksamkeit der Wertsicherungsklausel, sollte mit dem Vermieter das Gespräch gesucht werden, wenn eine Indexklausel in kurzer Zeit zu einer viel zu hohen Miete führt. Um eine langwierige und kostspielige gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden, müsste im beiderseitigen Interesse versucht werden, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Diese könnte darin bestehen, dass die Wertsicherungsklausel für einen bestimmten Zeitraum ausgesetzt und erst später wieder anzuwenden ist. Sollte von den Parteien in der Vergangenheit eine automatische Mieterhöhung auf Grundlage einer echten Gleitklausel unberücksichtigt geblieben sein, so könnten sie ab einem bestimmten Zeitpunkt eine höhere Miete vereinbaren, die dann aber für eine längere Zeit unverändert bleibt und erst nach einem gewissen Zeitablauf wieder der Wertsicherung unterworfen wird.
In jedem Fall sollte eine solche Vereinbarung in einem schriftformwahrenden Nachtrag zum Mietvertrag getroffen werden, da die Missachtung der Anforderungen an die Schriftform eine Kündigungsmöglichkeit mit der gesetzlichen Frist auslösen kann. Dies selbst dann, wenn der Mietvertrag eigentlich für mehrere Jahre fest abgeschlossen worden ist. |
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