Gesundheitspolitik

Stationsapotheker ohne Kontrolle

cha | Seit 1. Januar 2022 sind Stationsapotheker in niedersächsischen Krankenhäusern Pflicht. Doch ob das umgesetzt wird, unterliegt derzeit keinerlei Kontrolle.

Bereits im Herbst 2018 hatte der niedersächsische Landtag als Reaktion auf eine Serie von Patientenmorden in den Kliniken Oldenburg und Delmenhorst beschlossen, dass ab 1. Januar 2022 Stationsapotheker in Krankenhäusern Pflicht sind. Gesetzlich geregelt ist dies in § 19 des Niedersächsischen Krankenhausgesetzes (NKHG): „In jedem Krankenhaus ist spätestens ab dem 1. Januar 2022 sicherzustellen, dass in ausreichender Zahl Apothekerinnen oder Apotheker als Beratungspersonen für die Stationen eingesetzt werden (Stationsapothekerinnen oder Stationsapotheker).“ Deren Aufgabe ist es, heißt es weiter, „im Rahmen der Zusammenarbeit mit ärztlichem und pflegerischem Personal zu einer sicheren, zweckmäßigen sowie wirtschaftlichen Arznei­mitteltherapie und damit zu einer effizienteren Betriebsführung beizu­tragen“. Voraussetzung ist, dass der Stationsapotheker eine Weiterbildung im Fachgebiet Klinische Pharmazie abgeschlossen oder begonnen hat.

Seitens der Apothekerschaft ist man gut aufgestellt für die neuen Aufgaben. In Niedersachsen gibt es laut Auskunft der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG) derzeit 168 Krankenhäuser. Auf Nachfrage teilte die Apothekerkammer Niedersachsen mit, dass zum 31. Dezember 2021 212 Apotheker in Niedersachsen regulär die Weiterbildung für Klinische Pharmazie abgeschlossen haben und sich weitere 114 Apotheker in der Regelweiterbildungszeit dieses Bereiches befinden. Zudem haben 56 Apotheker die Bereichsweiterbildung „Medikationsmanagement im Krankenhaus“ abgeschlossen, weitere 20 Apotheker absolvieren diese aktuell. Diese „Exzellenz-Weiterbildung“ ist allerdings keine gesetzliche Voraussetzung für eine Tätigkeit auf Station.

Landesregierung weiß nichts über neu geschaffene Stellen

Doch wie steht es um die Umsetzung der gesetzlichen Vorschrift? Zuständig ist hier das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung. Auf Anfrage der AZ teilt die Pressestelle mit, dass nach der gesetzlichen Verankerung des Einsatzes von Stationsapothekern eine deutlich zunehmende Nachfrage zur Weiterbildung als Fachapotheker für Klinische Pharmazie verzeichnet werde. „Der Landesregierung liegen jedoch keine validen Zahlen über neu geschaffene Stellen für Stationsapothekerinnen und Stationsapotheker vor. Im Übrigen bestimmen die Krankenhausträger nach § 19 Abs. 1 Satz 2 NKHG selbst anhand der Größe und Fachrichtung der Stationen und der erbrachten Leistungen, in welchem Umfang Stationsapothekerinnen und Stationsapotheker beratend tätig sein sollen.“

NKG: Gesetzgeber hat über das Ziel hinausgeschossen

Doch auch bei der NKG hat man dazu keine Erkenntnisse: „Der NKG liegen zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine detaillierten Zahlen zum Umsetzungsstand und damit zur tatsächlichen Anzahl der Stationsapotheker in den niedersächsischen Krankenhäusern vor“, heißt es auf Anfrage der AZ. Ohnehin ist man bei der NKG wenig begeistert von der neuen Regelung: „Aus Sicht der NKG ist die verbindliche Einführung von Stationsapothekern nach wie vor kritisch zu bewerten. Mit der gesetzlichen Verpflichtung ist der Gesetzgeber im Niedersächsischen Krankenhausgesetz über das begrüßenswerte Ziel – die Patientensicherheit zu stärken – hinausgeschossen.“ Die Regelung habe eine einseitige Belastung der Betriebskosten der Krankenhäuser zur Folge, weder das Land noch der Bund stellten finanzielle Mittel zur Refinanzierung der Kosten infolge der gesetzlichen Vorgaben zur Verfügung. „Auch die Verbände der Krankenkassen in Niedersachsen haben sich diesbezüglich klar positioniert und eine Refinanzierung bzw. Beteiligung an den Kosten für die Stationsapotheker abgelehnt“, teilt die Pressestelle weiter mit. Und: „Vor dem Hintergrund der pandemiebedingt sehr angespannten wirtschaftlichen Lage vieler Krankenhäuser sind nicht refinanzierte Mehrkosten wie diese besonders problematisch.“

Gesundheitsministerium führt keine Kontrollen durch

Fast sieht es so aus, als sei der Einsatz der Stationsapotheker zwar per Gesetz eingeführt, aber nicht zuletzt aufgrund der Pandemie vielerorts erst einmal auf Eis gelegt. Denn auf die Frage, inwieweit die Umsetzung kontrolliert werde, antwortet das Gesundheitsministerium: „Aufgrund der mit der Bewäl­tigung der Corona-Pandemie verbundenen hohen Belastung der Krankenhäuser wurde bisher davon abgesehen, die Krankenhäuser flächendeckend auf die Einhaltung der Rechtspflicht zum Einsatz von Stationsapothekerinnen oder Stationsapothekern nach § 19 Abs. 1 Satz 1 NKHG zu überprüfen. Zu einem späteren Zeitpunkt wird die Einhaltung der Rechtspflicht in allen Krankenhäusern überprüft.“ |

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