Gesundheitspolitik

Apothekerstreik mit großartiger Resonanz

In vier Bundesländern beteiligten sich rund 90 Prozent der Betriebe / Breites Echo in den Medien

tmb/gbg/cha | Der Streik der Apotheken am vergangenen Mittwochnachmittag war ein voller Erfolg. Zwar konnte die Erhöhung des Kassenabschlags auf 2 Euro, die der Bundestag am Donnerstag beschloss, erwartungsgemäß nicht mehr abgewendet werden.

Doch die Tatsache, dass sich im Saarland, in Schleswig-Holstein, in Brandenburg und in Hamburg schätzungsweise 90 Prozent der Apotheken beteiligten, zeigt, wie frustriert, aber auch wie kampfbereit die Inhaber und ihre Teams mittlerweile sind. Ein Erfolg ist aber auch, dass die regionalen und überregionalen Medien umfangreich berichteten und es damit gelungen ist, die Anliegen der Apotheker in eine breite Öffentlichkeit zu tragen. Unterstützung kam auch aus der Politik. So stellte sich die schleswig-holsteinische Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) in einem Bericht von RTL Nord klar hinter die Apotheken und bezeichnete die Sparpläne als „unverhältnismäßig“.

Doch wie lief es in den vier Bundesländern? Die DAZ-Redaktion hat nachgefragt und war teilweise selbst vor Ort, zudem haben uns etliche Apotheken Bilder von ihren Aktionen zugeschickt.

Im Saarland ist Kammer- und Verbandsgeschäftsführer Carsten Wohlfeil hochzufrieden mit der Aktion. Er habe gehofft, dass vielleicht 70 Prozent der Apotheken mitmachen würden – tatsächlich seien es ersten Schätzungen zufolge mehr als 90 Prozent gewesen. „Selbst in der Haupteinkaufsstraße in Saarbrücken waren alle Betriebe zu“, berichtet er. Auch viele Center­apotheken hätten sich beteiligt.

Während manche Apotheken schlicht zugesperrt und mithilfe von Plakaten über den Protest informiert hätten, seien andere aktiv auf die Patienten zugegangen und hätten das direkte Gespräch gesucht, sagt Wohlfeil. Dabei stießen die Teams auf viel Verständnis. „Dass sich die Lage der Apotheken zusehends verschlechtert, ist inzwischen für die Menschen direkt spürbar.“ Denn nicht nur auf dem Land, sondern auch zum Beispiel in der Saarbrücker Innenstadt habe die Apothekendichte in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen.

Fotos: Privat

In Bous und Saarlouis blieben die Türen geschlossen.

Die Bevölkerung zeigt viel Ver­ständnis

Auch der Geschäftsführer des Apothekerverbands Brandenburg Thomas Baumgart geht für seinen Bezirk von einer Beteiligung von mehr als 90 Prozent aus. „Wir haben schon im Vorfeld irrsinnig viele Rückmeldungen von den Apotheken bekommen“, erzählt er. Dass so viele Betriebe bei der Protestaktion mitgemacht haben, sei ein starkes Zeichen Richtung Berlin. „Es ist großartig, was da passiert ist. Wir sind sehr froh, dass wir uns dazu entschieden haben, zu der Aktion aufzurufen.“ Dass es gelingen würde, die Erhöhung des Kassenabschlags so kurzfristig doch noch zu verhindern, wäre laut Baumgart „ein Wunder gewesen“. Ziel sei es vielmehr, „die Apotheken sichtbar zu machen. Denn der Fokus liegt meist auf den Ärzten und die Apotheken fallen hinten über.“ Im kommenden Jahr steht dem Gesundheitswesen eine Strukturreform ins Haus – vor diesem Hintergrund sei es jetzt wichtig gewesen, der Politik zu zeigen, dass „die Apo­theken nicht alles mit sich machen lassen“. Zumindest die Bevölkerung bringt Baumgart zufolge viel Verständnis für die Apotheken auf. Das hätten die Reaktionen auf eine Demonstration der Teams in Bernau bei Berlin gezeigt.

Auch für Schleswig-Holstein geht Kammerpräsident Kai Christiansen von einer Beteiligung von gut 90 Prozent der Apotheken aus, wie er im DAZ-Podcast sagt. Hans-Günter Lund, Vorsitzender des Apothekerverbands Schleswig-Holstein, freut sich über die große Solidarität: „Es ist toll, wie die Kollegen mitgemacht haben.“ Auch die Resonanz in der Bevölkerung sei überwiegend positiv. Der Streik habe viele zum Nachdenken gebracht. Es gehe darum, die Mit­arbeiter in den Apotheken zu halten und die Apothekenberufe attraktiv zu halten. „Es ist uns gelungen, die Bevölkerung mitzunehmen“, folgert Lund aus den eigenen Erfahrungen, den Rückmeldungen der Verbandsmitglieder und dem Medienecho.

Georg Zwenke, Geschäftsführer des Apothekerverbands Schleswig-Holstein und des Hamburger Apothekervereins, erklärte, die Resonanz auf den Streikaufruf sei „überwältigend“ gewesen. Fernsehen, Funk- und Printmedien hätten ausnahmslos positiv berichtet. Sehr erfreulich sei das große Engagement der Lokalzeitungen. Auch Lokalpolitiker zeigten volles Verständnis. Außerdem verwies Zwenke auf die Rückmeldung eines Mitglieds. Die Kollegen hätten über sechs Stunden im Kittel vor zwei Apotheken gestanden und mit den Menschen gesprochen. Alle Reaktionen seien positiv gewesen.

Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins, berichtete, dass der Streik auch in Hamburg sehr erfolgreich verlaufen sei. Bis auf die Notdienstapotheken hätten sich „fast alle Apotheken“ angeschlossen. Graue dankt den Beteiligten, die die Idee sofort aufgegriffen und alles sehr schnell organisiert hätten: „Dies zeigt, wie groß die Not ist.“ Dabei freue es ihn, dass sich auch Apotheken außerhalb der vier Bundesländer mit verschiedenen Aktionen solidarisch gezeigt hätten. Die Apotheker wollten offenbar nicht immer nur warten, sondern jetzt ein Zeichen setzen. |

Fotos: Privat

In Sachsen-Anhalt wurde zwar nicht gestreikt, das Team der Corvinus-Apo­theke in Colbitz hatte letzte Woche aber schon einmal protestiert und unterstützte die Kollegen tatkräftig, indem es z. B. Patienten aufklärte.

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Auch im Saarland blieben viele Apotheken zu.

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Privilegierte Apotheke in Barmstedt.

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Die Einhorn-Apotheke in Hamburg-Altona ist plakatiert.

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Das Team der Adler-Apotheke in Dahme, Brandenburg, trug schwarz.

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Vom Gesundheitsminister abgebügelt fühlt sich Apothekerin Christiane Patzelt aus dem brandenburgischen Leegebruch.

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Hirsch Apotheke in Wöllstein.

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