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Gesundheitspolitik
Schlappe für DocMorris-Marktplatz
Landgericht sieht Verstöße gegen das Apothekenrecht / Entscheidung mit Signalwirkung?
Damit verstoße der EU-Versender sowohl gegen das Makelverbot (§ 11 Abs. 1a Apothekengesetz – ApoG) als auch gegen das Verbot einer Umsatzbeteiligung Dritter (§ 8 Satz 2 ApoG). Die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) habe daher das Recht gehabt, einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen DocMorris geltend zu machen. AKNR-Justiziarin Bettina Mecking und die beteiligten Anwälte Anne Bongers-Gehlert und Morton Douglas freuen sich über die deutlichen Worte, die das Gericht für die Plattformen findet, die über Provisionen am Arzneimittelabsatz partizipieren möchten. Sie gehen von einer Signalwirkung für andere Plattformen, speziell auch Amazon, aus – auch wenn das aktuelle Urteil noch nicht rechtskräftig ist.
Die AKNR hat sich diverse Plattformen vorgeknöpft, die Apotheken und Kunden zueinander bringen wollen – in der Regel nicht völlig uneigennützig. Dazu zählt auch der Marktplatz von DocMorris. Für Apotheken, die sich an diesem beteiligen wollen, soll eine monatliche Grundgebühr von 399 Euro fällig werden. Zudem soll bei Bestellungen von Produkten, die nicht ärztlich verordnet sind, eine Transaktionsgebühr in Höhe von 10 Prozent des Nettoverkaufspreises erhoben werden. Zwar sind diese angekündigten Gebühren derzeit noch ausgesetzt. Doch die AKNR hatte DocMorris wegen der aus ihrer Sicht unzulässigen Vertragsgestaltung schon vor über einem Jahr abgemahnt.
Bevor die Kammer klagen konnte, gingen die Niederländer in die Offensive und klagten ihrerseits gegen die AKNR. Vor dem Landgericht Karlsruhe wollten sie feststellen lassen, dass die Kammer die in der Abmahnung formulierten Unterlassungsansprüche nicht habe. Die Kammer reagierte mit einer Widerklage – und am Ende ging die Sache für DocMorris nach hinten los.
Am vergangenen Donnerstag entschied das Landgericht zugunsten der AKNR. Es sah ebenso wie die Kammer Verstöße gegen das Apothekengesetz. Demnach sei es nicht zulässig, für Apotheken eine Online-Plattform bereitzustellen, über die diese Arzneimittel an Patienten verkaufen können und für deren Nutzung von den teilnehmenden Apotheken eine monatliche Grundgebühr und eine umsatzabhängige Transaktionsgebühr (Letztere auf Verkäufe von rezeptfreien Arzneimitteln) verlangt wird.
Das bedeutet: Die AKNR durfte aus Sicht der Richter sehr wohl gegen den Betrieb eines Online-Marktplatzes vorgehen. Ihrer Widerklage, mit der die Kammer eben diese Unterlassung verlangt hatte, gab das Gericht daher statt
Verstoß gegen Makelverbot
Dies ergebe sich insbesondere aus den vom Gesetzgeber mit den genannten Vorschriften verfolgten Zwecken. § 11 Abs. 1a ApoG besagt, dass es Dritten nicht erlaubt ist, Rezepte (auch E-Rezepte und E-Token) „zu sammeln, an Apotheken zu vermitteln oder weiterzuleiten und dafür für sich oder andere einen Vorteil zu fordern, sich einen Vorteil versprechen zu lassen, anzunehmen oder zu gewähren“. Schutzzweck der Norm sei die Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln – also ein Allgemeininteresse. Dafür sei nach der Wertung des Gesetzes ein flächendeckendes Netz wohnortnaher Apotheken erforderlich. Dieses könne gefährdet sein, wenn wirtschaftlicher Druck auf die niedergelassenen Apotheken entstehe – das müssten zunächst noch nicht einmal die Patienten mitbekommen. „Denn sind solche Marktplätze wie derjenige der Klägerin erst einmal am Markt etabliert, stehen Apotheker*innen vor der Wahl, sich entweder an entsprechenden Geschäftsmodellen zu beteiligen oder Verschreibungen zu verlieren“, führt das Gericht dazu aus. Es hat keine Zweifel: Die angebotene Marktplatz-Infrastruktur zur Übermittlung von Verschreibungen gegen eine Grundgebühr ist ein Verstoß gegen das Makelverbot.
§ 8 Satz 2 ApoG wiederum untersagt u. a. „Vereinbarungen, bei denen die Vergütung für dem Erlaubnisinhaber gewährte Darlehen oder sonst überlassene Vermögenswerte am Umsatz oder am Gewinn der Apotheke ausgerichtet ist“. Hier liege der Gesetzeszweck darin, sog. partiarische Rechtsverhältnisse zu vermeiden, in denen sich ein Dritter die beruflichen und wirtschaftlichen Fähigkeiten von Apothekenbetriebsinhabern zunutze macht und an den Früchten der Apotheke partizipiert. Apothekern solle die eigenverantwortliche Führung und Leitung ihres Betriebs sowohl in fachlicher, also wissenschaftlich-pharmazeutischer, als auch in betrieblicher und wirtschaftlicher Hinsicht möglich sein, ohne (auch nur indirekt) bei ihren Entscheidungen von Dritten beeinflusst oder bestimmt zu werden. Dies solle sicherstellen, so das Gericht, dass Apotheker ihrer öffentlichen Aufgabe in sachgerechter Weise nachkommen.
Vorsicht Marktmacht
Den Einwand von DocMorris, die umsatzabhängige Vergütung werde nur für einen kleinen Umsatzteil verlangt, sodass es zu keiner Abhängigkeit kommen könne, weist das Gericht zurück. Wer sich nun aber dem DocMorris-Marktplatz angeschlossen habe, könne möglicherweise in einigen Jahren aufgrund einer gestiegenen Marktmacht des EU-Versenders und sich gegebenenfalls ändernder Vertragsbedingungen in wirtschaftliche Abhängigkeit geraten. Das, so das Gericht, könne man mit Blick auf andere Marktplätze, etwa booking.com, als allgemein bekannt voraussetzen.
Nicht zuletzt weist das Gericht darauf hin, dass sein Urteil vor dem Hintergrund der E-Rezept-Einführung besondere Bedeutung habe. Hierdurch könnten sich die aufgezeigten – möglichen – Entwicklungen am Markt, die der Gesetzgeber gerade verhindern wolle, nochmals beschleunigen.
Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Es ist davon auszugehen, dass DocMorris Berufung gegen das Urteil einlegen wird.
(LG Karlsruhe, Urteil vom 8. Dezember 2022, Az.: 13 O 17/22 KfH) |
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