BPhD-Kolumne

Famulatur: Das Antidot zum Fachkräftemangel?

03.12.2024, 09:15 Uhr

Der BPhD-Beautragte für Lehre und Studium, Nikita Vassiljev. (Foto: BPhD)

Der BPhD-Beautragte für Lehre und Studium, Nikita Vassiljev. (Foto: BPhD)


Während der Famulatur kann das Interesse der Studierenden für die Offizin geweckt werden. Allerdings gibt es auch negative Beispiele.

Stellen Sie sich vor, Ihre Famulatur steht an. Vielleicht kennt es der eine oder die andere Lesende noch aus der Zeit als Pharmaziestudent*in. Zum Teil freut man sich darauf, neue Erfahrungen zu sammeln, die meiste Zeit wirkt die Famulatur aber wie die nächste Bürde des zeitintensiven Studiums. Denn die vorlesungsfreie Zeit kann nicht für die Vorbereitung auf den ersten Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung oder die Abwechslung vom Studierendenalttag genutzt werden.

Die Erfahrungsberichte anderer Studierender, von der Tablettenzählerei und dem Däumchen drehen, sorgen auch nicht für ein besseres Gefühl. Dabei könnte genau hier bei Pharmaziestudierenden das Interesse an der Offizin geweckt werden, weshalb eine gute Durchführung der Famulatur wichtig ist, um sie in die Offizin zu holen. Im Folgenden möchte ich Ihnen zeigen, wie die Famulatur zum Erfolg wird!

Realität der Famulatur

Im Optimalfall profitieren Apotheker*innen und Famulant*innen gleichermaßen von einem guten Vertrauensverhältnis. So können Famulant*innen mit dem Vertrauen des*der Apotheker*in in ihre Kompetenz anspruchsvollere Aufgaben übernehmen und einen weitreichenderen Rundumblick über den Aufgabenbereich in der Apotheke gewinnen, wobei der*die Apotheker*in die Arbeitskraft der zusätzlichen Person besser nutzen kann.

Häufig erklären Apothekeninhaber*innen, die schlechten Erfahrungen in der Famulatur seien dem stressigen Apothekenalltag verschuldet, in dem man gar nicht die Möglichkeit hätte, die Famulant*innen zu betreuen. Doch das braucht nicht der Fall sein, denn Famulant*innen sind mit der richtigen Einweisung in der Lage, selbstständig zu arbeiten.

Niemand erwartet, dass ein*e Mitarbeiter*in dem*der Famulant*in die ganze Zeit über die Schulter schaut. Die besten Erfahrungen entstehen sogar, wenn Apotheker*innen Vertrauen in das Können der Famulant*innen haben, für Rückfragen bereitstehen und bereit sind, ihnen aufkommende Aufgaben anzuvertrauen.

Selbstständigkeit und lösungsorientiertes Denken

Identitätsprüfungen und Arzneiformenlehre werden beispielsweise meist früh im Studium unterrichtet. Auch rechtliche Grundlagen können in der Regel schnell vermittelt und Ausnahmesituationen, wie zum Beispiel eine defekte Charge, von Famulant*innen selbstständig bewältigt werden, solange bei aufkommenden Fragen eine Ansprechperson da ist. So kann Selbstständigkeit und lösungsorientiertes Denken gelehrt werden.

Aber auch die Unterstützung der Warenwirtschaft oder Bestandskontrollen durchzuführen gehören zum Apothekenalltag dazu und sollten Famulant*innen nahegebracht werden. Sie sollten nur nicht den Großteil der Famulatur einnehmen. Beispielweise können betriebswirtschaftliche Grundlagen der öffentlichen Apotheke gelehrt werden, während Arzneimittel bestellt oder Ware verbucht wird, genauso wie Famulant*innen schon bei Beratungsgesprächen dabei sein können und so verschiedene Rezeptarten oder pharmazeutische Dienstleistungen kennenlernen können.

So ergibt sich ganz von allein eine abwechslungsreiche und spannende Famulatur, die den Apothekenalltag realistisch abbildet und motivierte Pharmaziestudierende für die öffentliche Apotheke begeistern kann.

Negativbeispiele für Lehre in der Famulatur

Trotzdem erreichen den Bundesverband für Pharmaziestudierende in Deutschland (BPhD) leider weiterhin ernüchternde Erfahrungsberichte aus den Famulaturen der Studierenden. Neben den klassischen Beispielen, wie dem tagelangen Sortieren von Zeitschriften, der Inventurkontrolle oder dem Frühstückseinkauf für die Mitarbeitenden der Apotheke, gibt es auch entrüstende Berichte von vom Lehrzweck befreiten Aufgaben, die zum Teil nur für Famulant*innen aufbewahrt werden.

Das Schreddern von alten Dokumenten oder das Erneuern des Deutschen Arzneimittel Codexes (DAC) oder Neuen Rezeptur-Formulariums (NRF) sind zwar Aufgaben, die periodisch aufkommen, sie sollten aber nicht aufgeschoben werden, bis Studierende die Famulatur ablegen möchten. Ihnen sollten Aufgaben mit klarem Lernzweck, wie zum Beispiel dem Zubereiten von Rezepturen, vorgezogen werden, da die Famulatur dazu da ist, um die Studierenden auf ihre spätere Tätigkeit als Apotheker*in vorzubereiten und einen Bezug zwischen Theorie und Praxis herzustellen.

Deswegen sollte sie den Apothekenalltag authentisch widerspiegeln. Natürlich kann und muss nicht jede Aufgabe aufregend sein oder immer ein didaktisches Ziel verfolgen, es entstehen aber immer interessante Situationen in der Interaktion mit Patient*innen, an denen die Famulant*innen teilhaben könnten und sollten.

Was bringt die gute Ausbildung in der Famulatur

Die Famulatur ist laut der Umfrage „Beruf und Studium“ des BPhD der zweithäufigste Grund für den Wechsel der Berufsvorstellungen hin zur Offizin und trägt somit dazu bei, Studierende für die Offizin zu begeistern, indem es ihnen die Verknüpfung zwischen dem im Studium gelehrtem Wissen und der pharmazeutischen Praxis zeigt. So sind die Studierenden durch eine gute Ausbildung in der Famulatur stärker gewillt, das Studium zu absolvieren, und stehen den Apotheken im Praktischen Jahr (PJ) als qualifiziertere Pharmazeut*innen im Praktikum zur Verfügung.

Doch auch wirtschaftlich hat eine gute Ausbildung in der Famulatur für die Apotheke Vorteile. Famulant*innen zählen laut Apothekenbetriebsordnung (§ 1a Abs. 2 ApBetrO) zum pharmazeutischen Personal und können auch als solches eingesetzt werden. So können Famulant*innen beispielsweise in der Rezeptur eine weitaus profitablere Rolle einnehmen. Nach einer guten Famulatur bleiben Studierende vielleicht als Aushilfe erhalten oder sie bewerben sich später für das PJ, was besonders aufgrund des Fachkräftemangels für Apotheken eine große Chance ist.

„Famulatur-Leitfaden“

Wie erinnern Sie sich an Ihre Famulatur? Haben Sie das Gefühl, so viel wie möglich gelernt und sich für die öffentliche Apotheke begeistert zu haben? Ich möchte Sie, liebe Apothekeninhaber*innen, ermutigen, Ihren Famulant*innen Können zuzutrauen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, eine gute Ausbildung zu erfahren. Denn der Fachkräftemangel und die Aufrechterhaltung der Arzneimittelversorgungssicherheit sind Herausforderungen, die Apotheker*innen und Studierende nur angehen können, wenn wir alle an einem Strang ziehen. Falls Sie bald eine*n Famulant*in bei sich in der Apotheke unterbringen, empfiehlt sich der Leitfaden des BPhD und der Landesapothekerkammer Thüringen „Famulatur-Leitfaden“ für eine strukturiert lehrreiche Famulatur, der auf der BPhD-Website zu finden ist. 


Nikita Vassiljev, BPhD-Beauftragter für Lehre und Studium


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1 Kommentar

Famulatur

von Roland Mückschel am 03.12.2024 um 9:51 Uhr

Es gibt nur ein Antidot! Mehr Kohle.
Schade dass das den jungen Herrschaften nicht
bekannt ist.
Ethik ernährt nicht.

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