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Gesundheitspolitik
Ursachen und Auswege
Was hilft gegen Lieferengpässe aus Sicht der Arzneimittelhersteller?
Andreas Burkhardt, Deutschlandchef des Generikaherstellers Teva, zu dem u. a. Ratiopharm gehört, erklärt im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), dass der aktuelle Mangel an Paracetamol-haltigen Fiebersäften vor allem zwei Ursachen habe: So hänge die Nachfrage nach Fiebersäften von der Erkältungssaison ab. Im Jahr 2021 sei sie aufgrund der Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie sehr niedrig gewesen. Daraufhin hätten sich anscheinend besonders viele Kinder erkältet und die Nachfrage sei signifikant gestiegen. „Wir haben schon jetzt mehr als das Doppelte der Menge verkauft, die im Vorjahr nachgefragt wurde“, so Burkhardt. Erschwerend komme hinzu, dass „der andere wichtige Hersteller von paracetamolhaltigen Fiebersäften, der etwa einen Marktanteil von 30 Prozent hatte, ausgestiegen ist, weil die Produktion nicht mehr kostendeckend war“. Dabei handelt es sich um die Novartis-Tochter 1A Pharma.
„Wir versuchen nun, alle mit Fiebersäften zu versorgen, aber die Produktionskapazitäten lassen sich nicht so schnell hochfahren“, erklärt Burkhardt.
Doch auch Teva kann die Fiebersäfte nicht kostendeckend produzieren. Als Vollversorger „können wir die Fiebersäfte durch eine Mischkalkulation querfinanzieren“, so Burkhardt. Aber auch das stößt an seine Grenzen: „Anbieter aus Asien konzentrieren sich meist ausschließlich auf Produkte, die sehr profitabel sind. Und die schnappen sie uns dann sozusagen weg, mit Kampfpreisen.“ So falle es immer schwerer, die Produkte zu finanzieren,die nicht kostendeckend sind, aber von der Bevölkerung gebraucht werden.
Zur Abhängigkeit von Asien erklärt Burkhardt, dass die Produktion der Wirkstoffe bzw. der dazu benötigten Hilfsstoffe günstiger sei wegen geringerer Lohnkosten und weniger Umweltauflagen. Dazu komme, dass die Hersteller in China stark subventioniert wurden und dadurch immer mehr Volumen am Weltmarkt gewinnen konnten. Da in Deutschland nur der billigste Konzern die Zuschläge der Krankenkasse erhalte, kaufe dieser natürlich die preiswertesten Wirkstoffe, was zu einer Fokussierung auf sehr wenige Anbieter – bei manchen seien es weltweit nur ein oder zwei Fabriken – führe.
Infectopharm reagiert mit Preiserhöhung
Das auf Kinderarzneimittel spezialisierte Pharmaunternehmen Infectopharm ist angesichts der fehlenden Kostendeckung bereits Ende November in die Offensive gegangen: In einem offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wies das Unternehmen auf die drohenden Versorgungsengpässe bei Antibiotika für Kinder hin (siehe AZ 2022, Nr. 49, S. 5). Die in der Zielgruppe der Kinder wesentlich geringeren Absatzmengen und deutlich höheren Produktionskosten als bei Darreichungsformen für Erwachsene würden in der Festbetragsbildung nicht berücksichtigt. Aus diesem Grund hat Infectopharm nun die Preise erhöht, für die Patienten werden Zuzahlungen fällig.
Burkhardt: Sanofi bekommt Abnahmemengen garantiert
Doch welche Auswege gibt es aus Sicht der Industrie? Vor allem müsse man wegkommen, dass bei den Rabattverträgen nur der Preis zähle. „Man könnte etwa bei einer Ausschreibung für ein Medikament mehrere Unternehmen wählen und sicherstellen, dass die jeweils unterschiedliche Wirkstoffquellen nutzen“, schlägt Burkhardt vor. „Oder bestimmte Umweltauflagen und Sozialstandards erfüllen, vielleicht sogar vor Ort produzieren.“
Subventionen für lokal produzierende Hersteller hält Burkhardt für nicht sinnvoll: „Was nützt mir eine subventionierte Fabrik, wenn ich die Produkte am Markt nicht verkaufen kann, weil asiatische Medikamente immer noch günstiger sind?“ Stattdessen könnte man die lokale Produktion durch konkrete Zusagen unterstützen, indem die Politik bestimmte Abnahmemengen garantiert. So mache es die französische Regierung mit Sanofi.
Auch bei Infectopharm macht man das deutsche Preissystem zu einem erheblichen Teil für den Mangel verantwortlich. Gegenüber der DAZ erklärte Philipp Zöller, Vorsitzender der Geschäftsführung von Infectopharm, dass es für fast alle Kinder-Antibiotika Festbeträge gebe: „Während die Festbeträge seit vielen Jahren sinken, steigen aber bei der Produktion seit vielen Jahren die Kosten.“ Den Herstellern fehle der Anreiz, Deutschland mit größeren Mengen Kinder-Antibiotika zu beliefern, glaubt Zöller: „Wir sind bei diesen Präparaten der einzige deutsche Hersteller auf dem Markt. Die anderen sind multinationale Konzerne. Da der Bedarf weltweit gestiegen ist, gehe ich davon aus, dass solche Konzerne die Produkte momentan lieber dort verkaufen, wo sie mehr Geld verdienen können.“
Zöller bemängelt, es fehlten momentan Möglichkeiten , dass sich der Festbetrag bei steigenden Produktionskosten auch nach oben entwickeln könne. Er schlägt daher vor, den Inflationsausgleich auch bei solchen Arzneimitteln einzupreisen, für die ein Festbetrag gilt. |
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