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Management
Empathische Kundenberatung
Wie Vor-Ort-Apotheken den Versendern die Stirn bieten können
Besonders während der Corona-Pandemie wurden die Unverzichtbarkeit und der Mehrwert der Apotheke vor Ort im Gesundheitssystem spürbar. Die Produkte und Dienstleistungen verschiedener Anbieter werden jedoch auch im Gesundheitswesen immer ähnlicher und damit auch austauschbarer. Wie können sich die Vor-Ort-Apotheken zukünftig noch deutlicher von den Online-Händlern abheben und dadurch längerfristig gegen die immer stärker werdende Konkurrenz bestehen? Empathie eröffnet hierbei eine ganz neue Sicht auf die persönliche Beratung vor Ort und sorgt gleichzeitig für eine höhere Zufriedenheit bei den Kunden.
Für Unternehmen – und damit auch für Apotheken – besteht die Herausforderung darin, sich flexibel auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Kunden einzustellen und vor allem emotionale Einkaufserlebnisse zu bieten. Denn: Emotionen sind unmittelbare, unbewusste Reaktionen unseres Körpers und steuern bis zu 90 Prozent aller Kaufentscheidungen. Wer es also schafft, seine Kunden emotional abzuholen und ihre persönlichen Wünsche und Bedürfnisse zu verstehen, berät oft zielführender und erfolgreicher.
Die Zukunftsstudie „2025: Smart Value Networks“ verschiedener Marktforschungsunternehmen (www.gs1-germany.de/zukunftsstudie) beleuchtet das „Einkaufsverhalten der Zukunft“ genauer. Der Kunde mit seinem steigenden Bedürfnis nach individuellem, aber gleichzeitig einfachem Einkaufen steht so stark wie nie zuvor im Mittelpunkt der Entwicklungen. Wem es gelingt, ihn mit seinen Produkten, Angeboten und Services nachhaltig zu überzeugen, gewinnt. Doch wie können sich kleinere Unternehmen wie Apotheken auf diese Herausforderungen einstellen?
Orientierung und Sicherheit bieten
Der Kauf von Medikamenten ist Vertrauenssache. Verständlich, denn dabei geht es um die eigene Gesundheit, und die ist für die meisten Menschen das wichtigste persönliche Gut. Die heutigen Kunden sind sich ihrer Möglichkeiten durchaus bewusst und haben hohe Ansprüche an die Unternehmen ihrer Wahl. So wünschen sich Verbraucher neben Individualität vor allem Orientierung und Sicherheit in einer hochkomplexen und digitalisierten Welt. Denn die Produkt- und Preisvielfalt sowie die Daten- und Informationsflut verstärken das Gefühl von Unübersichtlichkeit und Intransparenz. Hier kann eine individuelle Beratung der Kunden in der Apotheke vor Ort für mehr Klarheit sorgen.
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor der Apotheken liegt in dem großen Vertrauen, das sie in der Gesellschaft genießen – auch in Zukunft eine essenzielle Grundlage für die Kundenbindung. Eine starke Vertrauensbasis schaffen Unternehmen unter anderem durch persönliche und kompetente Beratung, technischen Schutz der Kundendaten, die Sicherheit der eigenen Arbeitsabläufe und ein hohes Maß an Transparenz. Verliert ein Kunde sein Vertrauen, verliert das Unternehmen seinen Kunden – und der Wettbewerber ist nur einen Klick entfernt.
Schon bei der Begrüßung der Kunden in der Apotheke ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, gelingt am besten, wenn man sich trotz des herausfordernden Apothekenalltags ganz auf das Gegenüber konzentriert. So simpel dieser Tipp von Kommunikationsexperten auch klingen mag: Hören Sie dem Gesprächspartner aktiv zu. Indem man anschließend kurz zusammenfasst, was der Kunde gesagt hat, signalisiert man ihm, dass man ihn verstanden hat, zudem fühlt er sich ernst genommen. Das schafft Grundvertrauen und ist eine ideale Basis für ein gelungenes Beratungsgespräch.
Kundenperspektive einnehmen
Ein Ansatz, der sich auf kreative Art und Weise mit den heutigen Bedürfnissen der Kunden auseinandersetzt, ist „Design Thinking“. Weltweit führende Marken nutzen diese kundenfokussierte Methode schon länger, um innovative Produkte zu entwickeln und zu optimieren. Ein Ansatz, der nicht nur in der Produktentwicklung Vorteile bringt, sondern auch im Verkauf – so auch in Apotheken – hilfreich sein kann. Im Fokus steht dabei Empathie, also Einfühlungsvermögen. Die Fähigkeit zur Empathie besteht aus zwei Komponenten: Aus der Bereitschaft, eine Situation aus der Perspektive des Gegenübers zu sehen, und aus der emotionalen Kompetenz, eine vertrauensvolle Bindung zum Gesprächspartner aufzubauen. Sich vorzustellen, wie eine andere Person sich fühlt, kann im privaten und im beruflichen Umfeld sehr hilfreich sein – insbesondere auch, um Konflikte zu vermeiden bzw. zu lösen. Wenn man es also schafft, die Beratungssituation in der Apotheke mit den Augen des Gegenübers zu sehen, findet man häufig einen besseren Zugang zum jeweiligen Gesprächspartner. Man kann sich beispielsweise überlegen, wie man selbst in so einer Situation gerne angesprochen werden würde.
Kunden legen Wert auf eine offene und ehrliche Beratung – abgestimmt auf ihre Wünsche. Bereits innerhalb weniger Sekunden entscheidet das Bauchgefühl eines Kunden, ob ihm sein Gegenüber sympathisch ist. Durch genaues Nachfragen bzw. aktives Zuhören erlangt man nicht nur die für eine kompetente pharmazeutische Beratung notwendigen Informationen, sondern signalisiert auch ehrliches Interesse.
Wer Kunden nach einem erfolgreichen Beratungsgespräch mit Zuversicht und guten Wünschen verabschiedet, hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Denn: Emotionales wird vom menschlichen Gehirn besser gespeichert als Rationales. Wenn also ein Kunde ein Beratungsgespräch mit positiven Emotionen verbindet, ist die Chance groß, dass er gerne wiederkommt.
Individuellen Mehrwert schaffen
Durchdachte Empfehlungspakete und die dazu passende Ansprache tragen in der Selbstmedikation und bei der Rezeptbelieferung zu einer optimalen Versorgung der Patienten bei. Bei der Beratung die Fähigkeit des Mitfühlens zu nutzen – in der Fachsprache „Emotional Selling“ genannt –, ist für das zukünftige Bestehen der Vor-Ort-Apotheken überaus wichtig. Auf den Kunden mit offenen Fragen zuzugehen und den Schritt zu Zusatzverkäufen zu wagen, kann durchaus sympathisch und authentisch wirken. Um Empfehlungen mit einem hohen individuellen Nutzen gut zu platzieren, sollte man Formulierungen verwenden, mit denen man sich wohlfühlt – dann fühlt sich auch der Patient verstanden und bestätigt. Statt dem Kunden möglichst schnell die aus eigener Sicht passende Lösung zu präsentieren, hilft es, sich zu fragen: Wie kann ich ein Angebot erstellen, das speziell auf diesen Kunden und seinen aktuellen Zustand zugeschnitten ist? Für den Kunden stellt das Medikament eine Verbesserung des aktuellen Befindens dar. Deshalb ist es wichtig, dass man nicht nur die eigentliche Wirkungsweise kommuniziert, sondern in erster Linie den persönlichen Nutzen, den der Patient aus der Anwendung erzielt. Dies kann zum Beispiel sein, dass er weniger Schmerzen hat, dass er sich fitter fühlt oder dass er besser schlafen kann. Hierbei spielt auch der Placeboeffekt hinein. Denn die psychische Einstellung ist häufig relevant für die Wirkung eines Medikamentes.
Mit harten Fakten und komplizierten Fachbegriffen kann beispielsweise ein eher ängstlicher Mensch nichts anfangen. Er befürchtet stets das Schlimmste und sucht dementsprechend nach Verständnis und Sicherheit. Mit klaren sogenannten Sie-Botschaften, wie zum Beispiel „Das ist die passende Lösung für Sie“, gewinnt man das Vertrauen eines unsicheren Kunden am besten. Die direkte Ansprache bewirkt, dass er sich angenommen fühlt. Auch möchten manche Kunden nicht aus zu vielen Alternativen auswählen, sondern die für sie optimale Lösung präsentiert bekommen. Indem man dem Kunden verständnisvoll und geduldig gegenübertritt und ihm die manchmal schwierige Entscheidung für ein bestimmtes Produkt abnimmt, zeigt man Klarheit und Kompetenz; damit bindet man Stammkunden an die Apotheke und gewinnt neue dazu.
Neues wagen
Das Gesundheitswesen und damit auch die Apothekenlandschaft wird sich in den kommenden Jahren durch die zunehmende Digitalisierung verändern. So werden sicherlich viele Arbeitsabläufe im Apothekenalltag durch das E-Rezept unkomplizierter, sobald die anfänglichen Hürden genommen sind. Die Nachfrage nach einem Botendienst bzw. einer Lieferung wird vermutlich steigen, was gleichzeitig eine vermehrte telefonische Beratung der Kunden erforderlich machen wird. Notwendig für ein nachhaltiges Bestehen der Vor-Ort-Apotheken ist vor allem die Bereitschaft, Neues zu wagen. Ein weiteres Erfolgskriterium ist auch der Mut der Apothekenleiter, Dinge aus der Hand zu geben und den Mitarbeitern Selbstverantwortung und Flexibilität zu ermöglichen. So kann beispielsweise eine ungestörte pharmazeutische Fernberatung der Kunden aus dem Homeoffice erfolgen. Zudem ist die Telepharmazie eine gute Möglichkeit, Patienten zu Hause empathisch durch vertrautes Apothekenpersonal zu unterstützen. Auch wenn der Online-Handel weiter zunimmt, werden die Kunden feststellen, dass die Apotheke vor Ort tatsächlich erheblich schneller darin ist, im Akutfall die benötigten Arzneimittel oder Hilfsmittel bereitzustellen. Dazu noch eine kostenlose und kompetente Beratung in der Apotheke ihres Vertrauens zu erhalten, werden zukünftig immer mehr Patienten zu schätzen wissen.
Fazit: Kunden sind sehr verschieden, und der tägliche Umgang mit ihnen im herausfordernden Apothekenalltag ist nicht immer leicht. Doch sollten sich Apothekerinnen und Apotheker ihrer Kompetenz in der empathischen Beratung der Patienten bewusst sein – denn sich Zeit für die Gesundheit der Mitmenschen zu nehmen, ist die große Chance der Apotheken vor Ort, sich deutlich von der Konkurrenz abzugrenzen. |
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