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Die Rechnung kommt zum Schluss

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

Wie viel ist uns Gesundheit wert? 6 Cent, meint der Branchenverband Pro Generika im Hinblick auf die durchschnittlichen Tagestherapiekosten eines Generikums im Rabattvertrag. Von „17 Milliarden Euro zu viel“ ist dagegen im Bundesgesundheitsministerium die Rede, weil im Jahr 2023 ein entsprechendes Finanzloch im GKV-System gestopft werden muss. Ob Centbeträge oder Milliardensummen – einfach ist es nicht, unser höchstes Gut monetär auszudrücken. „Gesundheit hat keinen Preis”, so will es am liebsten der Volksmund wahrhaben. Doch leider liegt ­diese Vorstellung fernab der Realität, und das haben inzwischen wohl die allermeisten Menschen erfahren müssen.

Gerade Arzneimittellieferengpässe sind ein mahnendes Beispiel dafür, was passiert, wenn es hauptsächlich darum geht, billig zu produzieren und weniger auf Versorgungssicherheit zu setzen, weil es die politischen Rahmenbedingungen seit Jahrzehnten so erzwingen. Die Krankenkassen freuen sich über Einsparungen in Milliarden­höhe, weil Apotheken die Rabattverträge umsetzen und sich der Protest der Versicherten offenbar in Grenzen hält. Auch die regelmäßige Anpassung der Festbeträge (ausnahmslos nach unten, versteht sich) sorgt mitunter für hitzige Diskussionen in den Apotheken, weil wenige Cent bis mehrere Euro plötzlich aus der eigenen Tasche bezahlt werden müssen. Doch auch in diesem Fall scheint der Ärger immer wieder vor den Toren der Kassenverbände und des Ministeriums zu verhallen. Seit eh und je wird die Preisschraube eher nach unten gedreht als ab und an mal gelockert.

Das kann auf Dauer nicht gut gehen. Aktuell zeigt sich das an den seit Monaten anhaltenden Lieferengpässen bei pädiatrischen Arzneiformen wie Suspensionen und Suppositorien mit Paracetamol oder Ibuprofen (S. 14 und 20). Mal wieder ist dafür die Geiz-ist-geil-Mentalität der hiesigen Gesundheitsökonomie verantwortlich. „Gab es vor zwölf Jahren noch elf Anbieter von flüssigen Paracetamol-Zubereitungen, sind es jetzt nur noch zwei“, wusste das „Arznei-Telegramm“ im April 2022 zu berichten, nachdem sich 1A-Pharma resigniert aus dem Markt zurückgezogen hatte. Immer teurere Produktionskosten stoßen auf sinkende Erstattungspreise. Was für eine vernichtende Bilanz für den Pharmastandort Deutschland, bei dem ohnehin schon die allergrößten Teile der Wertschöpfungskette ausgelagert sind.

Einen Hoffnungsschimmer auf bessere Zeiten gibt es bislang nicht – viel eher könnte es noch komplizierter werden. Vor allem deshalb, weil eine neue Weltordnung droht, bei der Wirkstofflieferant China immer unberechenbarer werden kann (S. 56). Die bereits begonnene Verknappung von Energieträgern und Rohstoffen trifft auch die Chemie- und Pharmabranche. Im schlimmsten Fall könnten bald Wirk- und Hilfsstoffe sowie Packmittel fehlen. Der einzige Weg vorbei an einer Versorgungskrise wäre der Wiederaufbau einer deutschen bzw. europäischen Pharmaindustrie mit neuen Energieträgerlieferanten. Doch dafür sollten Anreize statt Strafen in Aussicht gestellt werden. Im ersten Schritt müssen Politik und Krankenkassen realisieren, dass 6 Cent als Tagestherapiekosten zukünftig nicht mehr gehalten werden können und dass die Preise für Fiebersäfte und -zäpfchen auch steigen dürfen, wenn Kinder weiterhin sicher versorgt werden sollen. Denn wie so oft: Die Rechnung kommt zum Schluss.

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