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Arzneimittel und Therapie
Start in die neue COVID-19-Impfsaison
Breite Palette an Corona-Impfstoffen stellt neue Anforderungen an Handhabung und Lagerung
Lange erwartet und heiß diskutiert, war nach Streitigkeiten zwischen Hersteller Valneva und EU überhaupt nicht klar, ob die COVID-19 Vaccine Valneva jemals in der EU in Verkehr gebracht wird.
Valneva kommt überraschend
Am 24. Juni 2022, für manch einen sehr überraschend, wurde die Zulassung (Grundimmunisierung im 2-Dosis-Schema für Personen zwischen 18 und 50 Jahren) erteilt und nun, über zweieinhalb Monate später, ist der erste ,,echte Totimpfstoff‘‘ (die Suspension enthält inaktivierte SARS-CoV-2-Viren und ein Adjuvans) für die Apotheken bestellbar. Erst kürzlich hat man die Haltbarkeit nach Herstellung auch der bereits produzierten Chargen von 9 auf 15 Monate verlängert. Da der Impfstoff im Temperaturbereich zwischen 2 °C und 8 °C dauerhaft stabil ist, entspannt dieser Umstand sowohl Logistik als auch die Lagerhaltung in der Apotheke und in der Arztpraxis. Wie auch alle anderen COVID-19-Impfstoffe ist Valneva in Mehrdosen-Vials konfektioniert. Der Impfstoff wird gebrauchsfertig geliefert. Laut Zulassung kann nach Anstich eine physikalisch-chemische Haltbarkeit von maximal 6 Stunden gewährleistet werden. Bei der Valneva-Vakzine handelt es sich um ein steriles Arzneimittel ohne Konservierungsstoffe. Daher muss der Impfstoff außerhalb kontrolliert aseptischer Bedingungen innerhalb einer Stunde verabreicht oder verworfen werden (s. Auslegungshilfe § 13 Abs. 2b Arzneimittelgesetz).
Für die Herstellung der Einzeldosen empfiehlt der Hersteller eine Kombination aus Spritze und Kanüle mit einem Gesamttotraumvolumen von ≤ 30 µl zu wählen, andernfalls kann die verbleibende Restmenge im Vial nicht für die Entnahme der zehnten Dosis ausreichen. Auch die Firma Valneva verbietet strikt das Pooling, das bedeutet, dass Reste aus verschiedenen Vials nicht vereint werden dürfen, um eine weitere Dosis zu gewinnen.
Adaptierte mRNA-Impfstoffe
Was lange im Gespräch war, kommt nun in Kalenderwoche 36 nach der ergänzenden Zulassung der EMA (s. S. 29 in dieser DAZ) erstmals zur Auslieferung. Sowohl Biontech als auch Moderna bringen mit ihren beiden bivalenten Impfstoffen erstmals an Virusvarianten angepasste Impfstoffe in Verkehr. Beide Präparate setzen wie gehabt auf mRNA-Technologie, wobei nun zwei verschiedene mRNA-Sequenzen in jedem der Impfstoffe enthalten sind, 50% der Ursprungs-mRNA (15 µg Tozinameran [Biontech] bzw. 25 µg Elasomeran [Moderna]) und 50% der an die Omikron-BA.1-Variante angepassten mRNA (15 µg Riltozinameran [Biontech]; 25 µg Imelasomeran [Moderna]). Bei der Stabilität und beim grundsätzlichen Handling bleiben sich die Hersteller treu und orientieren sich an den uns bereits bekannten und zugelassenen Wuhan-Impfstoffen.
Handling von Comirnaty- Impfstoffen
Die von Biontech bevorzugten Transport- und Lagerungsbedingungen bewegen sich noch immer zwischen -90 °C und -60 °C. Der Impfstoff ist 12 Monate nach Herstellung verwendbar und in diesem Temperaturbereich unbegrenzt transportfähig. Im aufgetauten Zustand kann der Impfstoff innerhalb der zwölfmonatigen Haltbarkeit für 10 Wochen bei 2 °C bis 8 °C (Kühlschranktemperatur) gelagert werden. Ist der Impfstoff einmal aufgetaut, darf er nicht wieder eingefroren werden. Biontech liefert seinen bivalenten Impfstoff ausschließlich als gebrauchsfertige Formulierung in Mehrdosen-Vials aus, die – bei Verwendung einer Spritzen-Kanülen-Kombination mit einem Totraumvolumen < 35 µl – 6 Dosen enthalten. Unter aseptischen Bedingungen aufgezogen, ist der Impfstoff für einen Zeitraum von 12 Stunden in der Spritze haltbar, davon können insgesamt 6 Stunden für den Transport genutzt werden. Hinsichtlich der Logistik muss mit besonderer Sorgfalt und Wachsamkeit gearbeitet werden. Leider gleichen die ,,neuen‘‘ Vials, abgesehen von der Bezeichnung auf dem Etikett, sehr stark der Fertiglösung des herkömmlichen Wuhan-Comirnaty-Impfstoffes (graue Kappe und graues Design). Diese Information muss auch besonders in den Arztpraxen bei Anlieferung verbreitet werden, damit Anwendungs- und Handhabungsfehler und damit potenzielle Falschimpfungen vermieden werden.
Handling von Spikevax-Impfstoffen
Auch Moderna überrascht uns nicht hinsichtlich der Haltbarkeit und Stabilität. Beim Spikevax der neuen Generation (Spikevax bivalent Original/Omicron BA.1) ist die Tiefkühllagerung (-50 °C bis -15 °C) vom Hersteller empfohlen. Spikevax bivalent Original/Omicron BA.1 ist nach Herstellung bei -50 °C bis -15 °C 9 Monate haltbar, nach Auftauen und Überführen in den ,,Kühlschrankbereich‘‘ (2 °C bis 8 °C) verbleiben noch 30 Tage für Lagerung und Anwendung. In gefrorenem Zustand kann der Impfstoff unbegrenzt transportiert werden, aufgetaut darf die kumulierte Transportzeit 12 Stunden nicht überschreiten. Auch die neue Version von Spikevax darf nach dem Auftauen keinesfalls wieder eingefroren werden.
Seit einiger Zeit findet sich auch in der Fachinformation des Wuhan-Spikevax eine interessante Passage, worüber das Paul-Ehrlich-Institut momentan noch grübelt, ob diese auch für die bereits produzierten und in Verkehr gebrachten Chargen angewendet werden kann. Diese Passage hat auch Einzug in die Fachinformation des nun bei uns eintreffenden bivalenten Spikevax erhalten: „Neuere Stabilitätsdaten des Herstellers erlauben die Vergabe einer maximalen Haltbarkeit von 12 Monaten nach Herstellung (-50 °C bis -15 °C), sofern der Impfstoff nach dem Auftauen innerhalb von maximal 14 Tagen verwendet wird.“ Hier ist es nun sehr wichtig, genau auf aufgebrachte Hinweise und die Informationen auf dem Anlieferbeleg des Großhandels zu achten und diese wichtigen Informationen auch an die zu beliefernden Stellen weiterzugeben. Zum Einen ist es erfreulich, dass (mit Veröffentlichung dieser weiterführenden Stabilitätsdaten) der Impfstoff länger verwendet werden kann und damit nicht entsorgt werden muss, zum Anderen darf die nun auf 14 Tage reduzierte Haltbarkeitsdauer bei ,,Kühlschranktemperatur‘‘ aus Gründen der Arzneimittelsicherheit und etwaigen Haftungsfragen nicht überschritten werden (§ 8 Abs. 3 Arzneimittelgesetz).
Moderna liefert seinen Impfstoff in gebrauchsfertigen Mehrdosenbehältnissen aus, die maximal 5 Dosen Impfstoff enthalten. Das stellt gerade in Zeiten schwächerer Impfnachfrage einen großen Vorteil dar, da im Vergleich zur herkömmlichen Formulierung deutlich weniger Impfstoff verworfen wird, sollten sich nur einige Patienten zum Impftermin anmelden. Die Vials sind etwas kleiner als die bisher gewohnten und haben zur deutlichen Unterscheidung statt einer roten eine blaue Verschlusskappe. Nach dem ersten Anstich des Vials beläuft sich die Resthaltbarkeit des Impfstoffs unter kontrolliert aseptischen Bedingungen auf 19 Stunden, andernfalls muss der Impfstoff sofort verwendet werden. Die Haltbarkeit bezieht sich immer sowohl auf die aufgezogene Spritze als auch auf den im Vial verbleibenden Rest. „Sofort“ wird für sterile Arzneimittel seit dem BGH-Urteil vom 3. November 1981 – V/ZR 119/80 als Zeitraum von bis zu einer Stunde definiert.
Grundimmunisierung mono-, Auffrischimpfung bivalent
Da die beiden neuen an BA.1 angepassten bivalenten Impfstoffe ausschließlich für eine Auffrischimpfung mindestens drei Monate nach der letzten Impfdosis zugelassen sind, werden uns aber auch die ,,alten‘‘ Wuhan-Impfstoffe in der kommenden ,,Impfsaison‘‘ für die Grundimmunisierung weiter begleiten, um die von Prof. Lauterbach angesprochenen Impflücken in der Bevölkerung schließen zu können. Alle nach momentanem Stand verfügbaren Impfstoffe sind in der Tabelle zusammengefasst. Dabei wurde bewusst auf die 0,1 mg/ml Vials und Fertigspritzen von Wuhan-Spikevax und auf Vaxzevria verzichtet, um die Übersicht zu behalten. (Es ist noch unklar, ob und wann die weiteren Formulierungen des Wuhan-Spikevax- zu uns in die Apotheken kommen, Vaxzevria ist seit Ende des letzten Jahres in Deutschland nicht mehr verfügbar).
In der Verlängerung
Mit diesem umfangreichen ,,Impfstoffkader‘‘ starten wir nun also in die Impfsaison. Insbesondere wir Apothekerinnen und Apotheker sind auch in dieser ,,Saison‘‘ wieder gefragt, um sowohl Patienten als auch unsere ärztlichen Kollegen zu beraten und zu unterstützen, damit wir als Gesellschaft alle gemeinsam auch diese Herausforderung meistern. Es ist die Aufgabe von uns Apothekerinnen und Apothekern, durch unsere Fach- und Sachkenntnis die Qualität der Impfstoffe sicherzustellen, damit diese ihre vom Hersteller versprochene Wirkung am Patienten entfalten können. Um in der Fußballsprache zu bleiben, befinden wir uns sicherlich bereits in der Nachspielzeit der Verlängerung, aber wer den Pokal gewinnen will, muss bis zur letzten Minute konzentriert und engagiert auftreten und ggf. auch noch ins Elfmeterschießen. Sicher liegen noch viele Höhen und Tiefen vor uns. Es ist unklar, welche Variante sich im Herbst durchsetzt, dazu kommen voraussichtlich im Oktober noch an BA.4/BA.5 angepasste Impfstoffe zu uns. Dennoch haben die Apotheken vor Ort in den vergangenen drei Jahren gezeigt, dass sie die Basis der Impfstoffversorgung und eine feste Säule des Gesundheitssystems sind. Sie werden auch diese Anforderungen meistern. |
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