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Apotheken verdienen doch nicht mehr
„Ärzte Zeitung“ rechnet Impfhonorar nach
Seit Jahren lässt die Impfsituation in Deutschland zu wünschen übrig. Gemessen an den saisonalen Grippeimpfungen sind die empfohlenen Quoten in den Altersgruppen hierzulande zu niedrig. Daher ist aus dem (Standes-)Politikum „Impfen in der Apotheke“ inzwischen eine Notwendigkeit geworden: Apotheken dürfen und sollen sich unbedingt an den Impfkampagnen gegen COVID-19 und Influenza beteiligen. So will es der Gesetzgeber, und so erfordert es die aktuelle Lage.
Doch die Proteste aus den Reihen der ärztlichen Berufsverbände sind nicht leiser geworden. Im Gegenteil: Als Mitte Oktober bekannt wurde, auf welche Konditionen sich der Deutsche Apothekerverband (DAV) mit dem GKV-Spitzenverband für die Grippeschutzimpfungen in den Apotheken geeinigt hat, war der Aufschrei groß. Unterm Strich geht es um 11 Euro für den Piks. „Warum sollte eine Ärztin oder ein Arzt, die/der das Impfen und den Umgang mit möglichen Impfreaktionen in Aus- und Weiterbildung gelernt hat, weniger Vergütung erhalten als Apothekerinnen und Apotheker?“, fragte beispielsweise der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands (DHÄV), Markus Beier.
Die „Ärzte Zeitung“ hat sich in ihrer Printausgabe vom 20. Oktober dieser Frage angenommen. Hauke Gerlof, stellvertretender Chefredakteur, analysiert unter der Überschrift „Impfduell – Wer kriegt mehr?“, ob zwischen Apotheken und Praxen im Hinblick auf das Impfhonorar mit zweierlei Maß gemessen wird. „Ganz einfach ist die Sache tatsächlich nicht“, kündigt Gerlof direkt zu Beginn an. Und das zeigt sich auch in den Statements der Ärztevertreter. Denn während Hausärzte-Chef Beier noch selbstbewusst pauschalisierte, argumentierte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) kurz danach etwas vorsichtiger: 11 Euro Honorar fürs Impfen seien „mehr als viele niedergelassene Kolleginnen und Kollegen bekommen“.
Ärztliche Vergütung abhängig vom Bundesland
Diese Formulierung hält der Redakteur der „Ärzte Zeitung“ für keinen Zufall, denn die Honorarhöhe für die Grippeimpfung in der Arztpraxis regele jede Kassenärztliche Vereinigung (KV) anders. Es gebe zwar weitgehend einheitliche Leistungspositionen in den KVen, doch die Vergütung für die Standard-Grippeimpfung falle in den Bundesländern unterschiedlich aus: von aktuell 7,86 Euro in Sachsen-Anhalt bis 9,80 Euro in Hessen. Der Hausärzteverband gehe im Durchschnitt von etwa 8 Euro aus.
Also fällt das Impfhonorar für die Ärzte im Vergleich zu den 11 Euro für die Apotheken tatsächlich geringer aus? Die „Ärzte Zeitung“ befragte für ihre Analyse auch die ABDA und stellt im Artikel klar: Aus Sicht der Apothekerinnen und Apotheker geht es eigentlich um 7,60 Euro, und dies sei ein „im Vergleich zu den regionalen Impfvereinbarungen der Ärzteschaft sehr niedriger Wert“. 2,40 Euro kämen für Nebenkosten und verfallene Dosen dazu, außerdem noch 1 Euro für die Beschaffung der Impfdosis. „Diesen einen Euro allerdings […] erhalten die Apotheken auch, wenn Ärztinnen oder Ärzte bei ihnen Grippeimpfstoff bestellen und sie ihn ausliefern“, heißt es im Beitrag.
Wer trägt das Risiko für Verfall?
Der Hausärzteverband sieht die Benachteiligung auch nach dieser differenzierten Betrachtung immer noch bestätigt: „Zusätzliche Vergütungsposten für Ärzte kommen hier bekanntlich nicht dazu.“ Somit bestehe eine Differenz zu den Apotheken, „die für uns nicht nachvollziehbar ist“. KBV-Chef Andreas Gassen weist darauf hin, dass die Apotheken neben dem Honorar auch eine finanzielle Absicherung für zu viel bestellten Impfstoff erhielten. „Es kann daher nicht sein, dass Apothekern diese finanzielle Absicherung von den Kassen eingeräumt wird, während Ärzten von denselben Kassen dann ein Regress droht“, wettert Gassen.
An dieser Stelle hätte die Analyse in der „Ärzte Zeitung“ auch enden können. Doch Vize-Chefredakteur Hauke Gerlof legte seinen Stift noch längst nicht zur Seite. „Also sind Apothekerinnen und Apotheker doch bessergestellt als Ärzte“, schreibt er und setzt dahinter bewusst keinen Punkt, sondern ein Fragezeichen. Denn anhand der „relativ komfortablen“ Vergütung von 9,80 Euro in Hessen deckt er auf, dass auch in diesem Betrag keine Nebenkosten enthalten sind. Diese würden den allgemeinen Praxiskosten zugeordnet und durch die Vergütung für vertragsärztliche Leistungen oder über den Sprechstundenbedarf abgegolten. Davon abgesehen trügen die Kassen das Risiko für den Verfall von Impfdosen in den Praxen. „Derzeit erfolgt […] noch keine Wirtschaftlichkeitsprüfung. Dass geimpft wird, ist derzeit wichtiger, als Verluste zu regressieren“, erklärt die KV Hessen.
Unerwähnt bleibt an dieser Stelle jedoch, dass der Gesetzgeber für die Impfsaisons 2021/22 und 2022/23 konkret festgelegt hat, dass Überschreitungen von bis zu 30 Prozent noch als wirtschaftlich gelten. Zudem fordert die KBV grundsätzlich die Streichung von § 106b Absatz 1a im SGB V, wonach Ärztinnen und Ärzte in Regress genommen werden können, wenn die bestellte Menge an Influenza-Impfstoff über der verbrauchten Menge liegt.
Der Artikel blendet auch aus, dass Kassenärztinnen und -ärzte darüber hinaus durch die Impfung von Privatversicherten profitieren. Außerdem ist das Impfen in der Praxis einer von vielen Behandlungsvorgängen, der in den seit Jahren etablierten Prozessen praktisch „mitläuft“.
Für die Apotheken ist diese Tätigkeit allerdings ganz neu und mit einem gewissen Etablierungsaufwand verbunden. Weil es in Apotheken bisher keine Behandlungen gab, müssen die Betriebe noch Versicherungen abschließen und Investitionen tätigen.
„Einen guten Mittelwert erstritten“
Das Fazit der Honoraranalyse in der „Ärzte Zeitung“ ist aus Apothekensicht dennoch bemerkenswert wohlwollend: „So dürften sich die Apotheker unterm Strich einen guten Mittelwert bei Impfhonoraren erstritten haben – der dadurch gerechtfertigt sein könnte, dass sie die Impfung nicht delegieren können, anders als die Ärzte.“ Und Hauke Gerlof schließt mit einer sehr persönlichen Anmerkung ab: Sicher sei es gut, wenn ein Hausarzt oder eine Hausärztin beim Impfen den Hut aufhat. Dafür müsse er oder sie ihn aber auch aufsetzen, erwartet Gerlof und winkt: „Der Autor jedenfalls, Risikopatient, hat bis Mitte Oktober von seinem Hausarzt noch keine Impferinnerung erhalten.“
Zu hoffen bleibt, dass sich das inzwischen geändert hat und dass der Beitrag in der „Ärzte Zeitung“ auf große Resonanz in der Zielgruppe stößt. |
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