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Der Streik war erst der Anfang
Wie geht es nach der Protestaktion in den Apotheken weiter? Ein Gespräch mit Hans-Günter Lund
Schätzungsweise 90 Prozent der Apotheken beteiligten sich am Mittwoch in der vergangenen Woche im Saarland, in Schleswig-Holstein, in Brandenburg und in Hamburg an einer Protestaktion, bei der die Offizinen geschlossen blieben. Regionale und überregionale Medien berichteten umfangreich und trugen somit die Anliegen der Apotheker in eine breite Öffentlichkeit. Doch Unterstützung kam auch aus der Politik. So stellte sich die schleswig-holsteinische Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) in einem Bericht von RTL Nord klar hinter die Apotheken und bezeichnete die Sparpläne als „unverhältnismäßig“.
Hans-Günter Lund, Vorsitzender des Apothekerverbands Schleswig-Holstein, zeigt sich gegenüber der DAZ zufrieden über die Aktion. Er freue sich über die große Solidarität unter den Apothekern und die gute Resonanz in der Bevölkerung sowie in den Medien (siehe AZ 2022, Nr. 43, S. 1).
Im Gespräch mit der Redaktion betont Lund, bei der Forderung nach mehr Geld gehe es insbesondere darum, die Mitarbeiter in den Apotheken zu halten und attraktive Arbeitsplätze zu bieten, damit die Apotheken eine Zukunft haben. Deshalb habe Schleswig-Holstein beim Deutschen Apothekertag auch den Antrag für einen Mitarbeiterpakt eingebracht. Lund lässt durchblicken, dass die Idee für den Streik kurzfristig im Rahmen einer Klausurtagung des Deutschen Apothekerverbands Anfang Oktober entstand. Danach sei die rechtliche Situation bei den zuständigen Aufsichtsbehörden geklärt worden. Das sei relativ schnell gegangen. Bei der Entscheidung für den Streik sei für ihn das Ergebnis einer Mitgliederbefragung des Apothekerverbands Schleswig-Holstein wesentlich gewesen. Daran habe knapp die Hälfte der Verbandsmitglieder teilgenommen. Davon haben 87 Prozent ihre Bereitschaft zu einem Streik erklärt.
26 Prozent sorgen sich um Weiterbetrieb der Apotheke
Die weiteren Antworten sind nicht nur für den Streik beachtenswert, sondern sie vermitteln darüber hinaus ein Bild der wirtschaftlichen Lage der Apotheken. Der Verband fragte, ob Bedenken bestehen, die Apotheke mittelfristig weiter betreiben zu können, weil sich dies nicht mehr rechne. Für das Szenario mit einer Erhöhung des Apothekenabschlags ohne Kompensation und bei Anhalten der derzeitigen Kostensteigerungen äußerten 26 Prozent der antwortenden Mitglieder solche Bedenken. Für das Szenario, in dem zusätzlich der variable Vergütungsanteil (also der dreiprozentige Aufschlag bei Rx-Arzneimitteln) gekappt wird, sehen sogar 56 Prozent solche Bedenken. Außerdem erklärten 99 Prozent der Befragten, dass pharmazeutische Dienstleistungen nicht zur Kompensation der erwarteten Rohertragsverluste geeignet sind.
Wie geht’s weiter?
Diese Zahlen machen den Handlungsbedarf deutlich – und so sieht das auch Lund. Nach seiner Einschätzung habe der Streik gezeigt, dass es so möglich ist, ins Gespräch zu kommen. Gegenüber der DAZ gibt sich Lund zuversichtlich. „Die Resonanz hat uns bestärkt“, erklärte Lund und bezog dies sowohl auf die hohe Teilnahmebereitschaft der Mitglieder als auch auf die Reaktionen auf den Streik. Lund forderte alle Apothekerinnen und Apotheker auf, sich jetzt einzubringen, Kontakte zu Lokalpolitikern aufzubauen und bei jeder Gelegenheit die Zusammenhänge zu erklären. „Wir müssen den Menschen vor Ort klarmachen, wie wichtig die Apotheken sind“, forderte Lund, „denn es geht um Versorgung, nicht nur um die Abgabe von Schachteln“.
Einen aussichtsreichen Ansatzpunkt sieht Lund in den vielen unentgeltlichen Leistungen der Apotheken. Dafür müsse eine Vergütungsstruktur geschaffen werden. Eine dieser vielen Leistungen sei der Einzug der Zuzahlung, der bei den verbreiteten Kartenzahlungen mit weiteren Kosten verbunden sei. Besonders problematisch sei der zunehmende Anteil der Hochpreiser als Folge der weiteren Ambulantisierung der Behandlungen. Für viele Apotheken bedeute das eine erhebliche Belastung der Liquidität. Hinzu komme das Damokles-Schwert einer möglichen Retaxation. Das alles müsse im Honorar abgebildet werden, forderte Lund und folgerte: „Es gibt viel zu tun. Wir sind dran.“ |
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