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Arzneimittel und Therapie
Capecitabin-Alternative bei Darmkrebs
Tegafur-haltiges Kombinationspräparat führt seltener zu Hand-Fuß-Syndrom
Beim metastasierten kolorektalen Karzinom sind oral einzunehmende Fluoropyrimidin-haltige Therapien ein Grundpfeiler der Behandlung. Eingesetzt wird meist Capecitabin, ein Prodrug von 5-Fluorouracil (5-FU), das als Antimetabolit die DNA-Synthese unterbricht. Problematisch ist allerdings das häufige Auftreten eines Hand-Fuß-Syndroms unter Capecitabin (s. Kasten). Dies ist insofern relevant, als viele Patienten über einen längeren Zeitraum hinweg behandelt werden und ein Therapieabbruch aufgrund unerwünschter Wirkungen mit einem verkürzten Überleben einhergehen kann. Eine mögliche Alternative ist Teysuno®, das über ein anderes Sicherheitsprofil verfügt und seit wenigen Wochen zur Therapie des fortgeschrittenen kolorektalen Karzinoms zur Verfügung steht.
Bewährte Dreifachkombination
Neben Tegafur, einem Prodrug von 5-Fluorouracil, enthält Teysuno® auch zwei 5-FU-Modulatoren. Das sind zum einen Gimeracil, ein Dihydropyrimidin-Dehydrogenase-Hemmer, der den Abbau von 5-FU verhindert, und Oteracil, ein Orotat-Phosphoribosyl-Transferase-Hemmer, der die Aktivität von 5-FU in der normalen Magen-Darm-Mukosa herabsetzt. Dadurch wird die gastrointestinale Toxizität von Tegafur vermindert.
Die erste Zulassung von Teysuno®erfolgte bereits 1999 in Japan. In der EU wurde das Tegafur-haltige Kombinationspräparat 2011 in Kombination mit Cisplatin zur Therapie des fortgeschrittenen Magenkarzinoms genehmigt. Im Dezember 2021 sprach sich das Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) für eine Zulassungserweiterung von Teysuno® aus, die am 24. Januar 2022 durch die Europäische Kommission bestätigt wurde. Das orale Fluoropyrimidin-Kombinationspräparat kann nun als Monotherapie oder in Kombination mit Oxaliplatin oder Irinotecan, mit oder ohne Bevacizumab, zur Therapie bestimmter Tumorpatienten eingesetzt werden. Darunter fallen Patienten mit metastasiertem Kolorektalkarzinom, bei denen eine Fortsetzung der Behandlung mit einem anderen Fluoropyrimidin aufgrund des Hand-Fuß-Syndroms oder kardiovaskulärer Toxizität, die in der adjuvanten oder metastasierten Situation aufgetreten sind, nicht möglich ist.
HFS: Capecitabin-Patienten sind besonders gefährdet
Unter einem Hand-Fuß-Syndrom (Synonyme: HFS, akrales Erythem, palmoplantare Dysästhesie oder palmoplantare Erythrodysästhesie PPE, Erythrodysästhesie) versteht man schmerzhafte Rötungen und krankhafte Hautveränderungen von Handinnenflächen und den Fußsohlen, die während oder nach einer Chemotherapie auftreten. Die Beschwerden, die in die Grade 1 bis 3 unterteilt werden, können unterschiedlich stark ausgeprägt sein und reichen von geringfügigen Dermatiden bis hin zu schwersten Hautveränderungen. In der Regel tritt das Hand-Fuß-Syndrom innerhalb der ersten Therapiewochen mit der auslösenden Substanz auf, bei bestimmten Wirkstoffen auch erst nach einigen Therapiemonaten. Nach Absetzen oder Unterbrechen der zugrunde liegenden Therapie kommt es innerhalb einiger Wochen zu einem deutlichen Rückgang der Beschwerden und Abheilen der Hautveränderungen. Das Auftreten eines Hand-Fuß-Syndroms hängt vom eingesetzten Wirkstoff ab und wird besonders häufig unter Capecitabin (Inzidenz 50 bis 60%) beobachtet.
[Quelle: S3-Leitlinie Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen; Langversion 1.3 – Februar 2020, AWMF-Registernummer: 032/054OL]
Gleicher Effekt, aber besser verträglich
Die meisten Phase-III-Studien zum Einsatz von Teysuno® beim metastasierten kolorektalen Karzinom wurden mit asiatischen Patienten durchgeführt. Deren Ergebnisse führten zu einem Update der asiatischen Guidelines, in denen nun das Tegafur-haltige Präparat in Kombination mit Oxaliplatin plus Bevacizumab als First-line-Therapie beim metastasierten kolorektalen Karzinom genannt wird. In einer 2020 publizierten, in China durchgeführten Studie wurden das Gesamtüberleben und die Therapiesicherheit von Capecitabin und Teysuno® bei Patienten mit metastasiertem Darmkrebs miteinander verglichen. Das Gesamtüberleben unterschied sich nicht, wohl aber die Häufigkeit von Diarrhöen und Hand-Fuß-Syndrom. Beide Nebenwirkungen tragen unter der Dreifachkombination deutlich seltener auf (Diarrhöe 16,4% vs. 23,6%, Hand-Fuß-Syndrom 28,7% vs. 46,7%).
Eine auf sechs Studien basierende, in China durchgeführte Metaanalyse verglich ebenfalls Wirksamkeit und Sicherheit des oralen Fluoropyrimidin-Kombinationspräparats mit Capecitabin. Auch hier zeigten sich im Hinblick auf die Wirksamkeit keine signifikanten Unterschiede, wohl aber bei den Nebenwirkungen. Ein Hand-Fuß-Syndrom trat häufiger in der Capecitabin-Gruppe auf, Diarrhöen häufiger in der Teysuno®-Gruppe.
Eine holländische Phase-III-Studie (SALTO-Studie) verglich Capecitabin mit Teysuno® als First-line-Therapie beim metastasierten kolorektalen Karzinom im Hinblick auf die Häufigkeit eines Hand-Fuß-Syndroms. Dieses trat bei 73% der Probanden der Capecitabin-Gruppe und bei 45% der Patienten der Teysuno®-Gruppe auf. In sekundären Endpunkten wie Ansprechrate, progressionsfreies Überleben und Gesamtüberleben zeigten sich keine signifikanten Unterschiede. |
Literatur
García-Alfonso P et al. Oral drugs in the treatment of metastatic colorectal cancer. Ther Adv Med Oncol 2021;13:17588359211009001, doi: 10.1177/17588359211009001
Guo Y et al. A Study of the S-1 or Capecitabine as First-line Regimen in Patients with Metastatic Colorectal Cancer: A Real World Study. J Cancer 2020; 11(7):1839-1845, doi:10.7150/jca.36929
Kwakman JJM et al Randomized phase III trial of S-1 versus capecitabine in the first-line treatment of metastatic colorectal cancer: SALTO study by the Dutch Colorectal Cancer Group. Ann Oncol 2017;28(6):1288-1293, doi: 10.1093/annonc/mdx122
Chen J et al. Comparison of efficacy and safety of S-1 and capecitabine in patients with metastatic colorectal carcinoma: A systematic review and meta-analysis. Medicine (Baltimore) 2019;98(30):e16667, doi: 10.1097/MD.0000000000016667
Teysuno. Summary of Opinion (pot authorisation). Informationen der European Medicine Agency, 16. Dezember 2021, EMA/CHMP/714788/2021
Teysuno. Informationen der European Medicine Agency EMA, www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/teysuno, Abruf am 3. Februar 2022
Teysuno. Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels, www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/teysuno-epar-product-information_de.pdf, Abruf am 3. Februar 2022
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