Gesundheitspolitik

ALBVVG in Kraft getreten – was ändert sich für Apotheken?

Neue Vorgaben für den Austausch im Fall von Engpässen / Gesetzliche Retaxbeschränkungen

ks | Kurz vor Weihnachten hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den Lieferengpässen – vor allem bei Präparaten für Kinder – den Kampf angesagt. Vergangene Woche Mittwoch ist das „Arzneimittellieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz“ (ALBVVG) im Bundesgesetzblatt verkündet worden.

Damit ist ein fließender Übergang bei den erweiterten Austausch­regeln im Fall von Lieferengpässen gesichert: Die derzeit temporär bis 31. Juli 2023 im Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) und der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) verankerten Pandemie-Regeln werden ab 1. August durch modi­fizierte und gesetzlich fixierte Regelung ersetzt (in § 129 Abs. 2a SGB V und § 17 Abs. 5b ApBetrO).

Bereits seit letztem Freitag sind zudem die Kassen in ihren Retax-Möglichkeiten beschnitten. Andere für Apotheken wichtige Regelungen des ALBVVG werden jedoch erst später in Kraft treten. Auch das Präqualifizierungsverfahren für die Hilfsmittelabgabe wird erst verzögert fallen.

Kaum jemand dürfte erwarten, dass das ALBVVG umfassend und schnell das Problem der Engpässe behebt. Es muss sich zeigen, was es bringt, die Preisschraube bei Kinderarzneimitteln zu lockern, ein neues Frühwarnsystem einzuführen und die Vorratspflichten zu erhöhen. Immerhin ist jetzt gesichert, dass Apotheken weiterhin eine gewisse Flexibilität beim Umgang mit Engpässen bleibt. Die neuen Vorgaben in § 129 Abs. 2a SGB V weichen allerdings etwas von denen ab, die Apotheken seit April 2020 gewohnt waren. Neu im Vergleich zu den aus der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung bekannten Regeln ist vor allem, dass nicht mehr an die „Vorrätigkeit“ des abzugebenden Arzneimittels angeknüpft wird. Die erleichterten Austauschregeln gelten nun bei „Nichtverfügbarkeit“ des nach Maßgabe des Rahmenvertrags abzugebenden Mittels. Diese liegt vor, wenn das Arzneimittel nicht innerhalb einer angemessenen Zeit beschafft werden kann. Dazu sind zwei unterschiedliche Verfügbarkeitsanfragen bei vollversorgenden Arzneimittelgroßhandlungen zu stellen; wird die Apotheke nur von einem Großhändler beliefert, reicht eine Anfrage.

Foto: ABDA

Nicht lieferbar? Ab 1. August stehen die flexiblen Austauschregeln im Gesetz.

Überdies entfällt der bislang nach Arztrücksprache noch mögliche Austausch gegen ein pharmakologisch-therapeutisch vergleichbares Arzneimittel, wenn ein wirkstoffgleiches nicht zu haben ist.

Dafür gibt es künftig einen kleinen Zuschlag, wenn in der Apotheke ein Austausch nach den neuen Vorgaben erfolgt: 50 Cent – ein Betrag der die Mühen keinesfalls abdeckt und überdies wohl erst verspätet umgesetzt werden kann.

Gesetzliche Schranken für Nullretaxationen

Während die neuen Austausch­regeln erst ab 1. August gelten, sind die neuen Retax-Einschränkungen in § 129 Abs. 4d SGB V bereits am 27. Juli 2023 in Kraft getreten. Seit vergangenem Donnerstag dürfen Kassen also beispielsweise nicht mehr retaxieren, wenn die Dosierangabe auf dem Rezept fehlt. Und auch die Nullretaxation bei Nicht-Abgabe eines Rabattarzneimittels ist dann Vergangenheit. Im letzteren Fall muss die Kasse den Preis für das abgegebene Arzneimittel auf jeden Fall zahlen, nur das Apothekenhonorar kann sie einkassieren. Dasselbe gilt, wenn die im Fall eines Engpasses vorgesehenen Verfügbarkeitsanfragen beim Großhandel unterbleiben.

Warten auf die Entlastung bei der Präqualifizierung

Mehr Geduld ist bei der Präqualifizierung gefragt. So ist zwar der neue § 126 Abs. 1b SGB V, der Apotheken davon befreit, in einem Präqualifizierungsverfahren nachzuweisen, dass sie – soweit es um apothekenübliche Hilfsmittel geht – „die Voraussetzungen für eine ausreichende, zweck­mäßige und funktionsgerechte“ Abgabe erfüllen, schon in Kraft getreten. Aber: Nun müssen erst einmal GKV-Spitzenverband und Deutscher Apothekerverband (DAV) diese „apothekenüblichen Hilfsmittel“ definieren. Kommt eine Vereinbarung nicht bis zum 27. Januar 2024 zustande, legt die Schiedsstelle bis zum 27. April 2024 deren Inhalt fest. Es bleibt also zu hoffen, dass sich die Vertragspartner rasch einigen können. Bis es soweit ist, empfiehlt der DAV betroffenen Apotheken „rein vorsorglich, die bestehenden Präqualifizierungsvorgaben, insbesondere bezüglich anstehender Audits, Re-Präqualifizierungen und Neueröffnungen, unverändert zu befolgen.“ |

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