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Arzneimittel und Therapie
Molnupiravir bleibt zweite Wahl
COVID-19-Therapeutikum steht im Schatten von Nirmatrelvir / Ritonavir
In der ambulanten Behandlung von COVID-19-Patienten, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben, stehen derzeit die zwei oral anwendbaren antiviralen Medikamente Paxlovid® und Lagevrio® zur Verfügung. Beide sollten so früh wie möglich verabreicht werden – spätestens innerhalb von fünf Tagen nach Symptombeginn.
Während Paxlovid® seit Januar 2022 in der Europäischen Union bedingt zugelassen ist, darf Lagevrio® seitdem zwar verordnet werden, eine europäische Zulassung wurde bislang nicht erteilt. In Deutschland wird das Arzneimittel von der Bundesregierung in den Verkehr gebracht, welche gleichzeitig auch die Produkthaftung übernimmt.
Hemmt die Virusreplikation
Molnupiravir liegt als Prodrug vor und wird im Körper zum aktiven Ribonukleosid-Analogon N-Hydroxy-Cytidin (NHC) metabolisiert. Nach der Phosphorylierung zum Triphosphat (TP) wird NHC-TP als falscher Baustein in die virale RNA eingebaut – es kommt zur Replikationshemmung. Die Dosierung beträgt 800 mg (vier 200-mg-Kapseln) alle zwölf Stunden über fünf Tage. Die bisher am häufigsten berichteten Nebenwirkungen waren gastrointestinale Beschwerden, Schwindel und Kopfschmerzen. Tierexperimentelle Studien zeigten Hinweise auf eine Reproduktionstoxizität – eine Einnahme während der Schwangerschaft und bei gebärfähigen Frauen, die keine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden, wird nicht empfohlen. Auch eine potenzielle Mutagenität kann nicht ausgeschlossen werden.
Nur zweite Wahl
Die Fachgruppe COVRIIN am RKI bewertet Molnupiravir zur antiviralen Therapie in der Frühphase einer SARS-CoV-2-Infektion bei Patienten mit Risikofaktoren für einen schweren Verlauf von COVID-19 derzeit als zweite Wahl – im indirekten Vergleich zu Nirmatrelvir/Ritonavir bzw. Remdesivir zeigt sich eine Unterlegenheit in Bezug auf die Wirksamkeit. Die Verordnung sollte nur dann erfolgen, falls Nirmatrelvir/Ritonavir bzw. Remdesivir aufgrund bestehender Kontraindikationen oder Interaktionen nicht verabreicht werden dürfen. Für die Einschätzung bezieht sich die Fachgruppe unter anderem auf Ergebnisse zweier aktueller Real-World-Studien, in denen die Omikron-Variante vorherrschte.
Wirksamkeit begrenzt
Die Ergebnisse beider Studien wurden als Preprint veröffentlicht. In der britischen PANORAMIC-Studie wurde die Wirksamkeit von Molnupiravir bei Personen untersucht, die gegen SARS-CoV-2 geimpft waren. Insgesamt wurden 25.783 nicht hospitalisierte Erwachsene ab 18 Jahren mit bestehender relevanter Vorerkrankung oder Personen ab einem Alter ≥ 50 Jahre (im Mittel 57 Jahre) in die Studie eingeschlossen. Alle hatten eine maximal seit fünf Tagen bestätigte SARS-CoV-2-Infektion. 94% der Probanden waren mindestens dreifach geimpft. Die Teilnehmer wurden in zwei Gruppen randomisiert – entweder erhielten sie eine Standardtherapie oder zusätzlich unverblindet zweimal täglich 800 mg Molnupiravir über fünf Tage. Primärer Endpunkt war Hospitalisierung oder Tod innerhalb von 28 Tagen. Hier konnte kein Unterschied zwischen den Studienarmen festgestellt werden. Hinsichtlich des sekundären Endpunktes, der medianen Zeit bis zur subjektiven Symptombesserung, zeigte sich ein Vorteil für Molnupiravir (9 Tage vs. 15 Tage).
In der retrospektiven Kohortenstudie CLALIT wurden die Daten von 19.868 Patienten des israelischen Gesundheitsregisters Clalit Health Services ausgewertet, davon erhielten 5% (n = 1069) eine Therapie mit Molnupiravir. Hier konnte festgestellt werden, dass ältere Patienten (≥ 65 Jahre) von einer Einnahme profitieren. Bei dieser Altersgruppe lag die Hospitalisierungsrate unter der Behandlung mit Molnupiravir im Vergleich zu keiner Therapie bei 74,6 vs. 127,6 pro 100.000 Personenjahre (adjustierte Hazard Ratio [aHR] = 0,55; 95%-Konfidenzintervall [KI] = 0,34 bis 0,88). In Bezug auf den Endpunkt Tod lag die adjustierte Hazard Ratio bei 0,26 (95%-KI = 0,10 bis 0,73). Die geringere Rate an Krankenhauseinweisungen und Mortalität zeigte sich aber nur in dieser Altersgruppe – jüngere Patienten unter 65 Jahren hatten keinen Vorteil von der Einnahme von Molnupiravir.
Fazit
Derzeit bleibt Molnupiravir zweite Wahl in der antiviralen COVID-19-Therapie. Dies spiegeln auch die derzeitigen Verordnungszahlen wider. Von den ca. 80.000 vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) beschafften Therapieeinheiten wurden bis Mitte Dezember 2022 ca. 42.000 ausgeliefert und etwa 2500 als Spende ins Ausland abgegeben. Dies teilte das BMG auf Anfrage mit. |
Literatur
Antivirale Therapie in der Frühphase einer SARS-CoV-2-Infektion bei Patienten mit Risikofaktoren für einen schweren Verlauf von COVID-19. Information der Fachgruppe COVRIIN am Robert Koch-Institut, Stand: 22. November 2022, doi: 10.25646/9691.11
Arbel R et al. Molnupiravir use and severe COVID-19 Outcomes during the omicron surge. Preprint Research Square 2022, doi.org/10.21203/rs.3.rs-2115769/v1
Butler C et al. Molnupiravir plus usual care versus usual care alone as early treatment for adults with COVID-19 at increased risk of adverse outcomes (PANORAMIC): Preliminary analysis from the United Kingdom randomised, controlled open-label, platform adaptive trial. SSRN 2022, ssrn.com/abstract=4237902
COVID-19: Neue Daten zu Molnupiravir (Lagevrio). Arznei-Telegramm, 21. Oktober 2022
Lagevrio – Art. 5 (3) Informationen für Angehörige der medizinischen Fachkreise. Information des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, Stand: 19. November 2021
Korrespondenz mit den Bundesministerium für Gesundheit, 15. Dezember 2022
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