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Von „gerechtfertigt“ bis „Jammern auf hohem Niveau“
Presseschau zum Apothekenprotesttag
Die neue „Nationale Sicherheitsstrategie“, das Heizungsgesetz, Rekordzahlen an Flüchtlingen weltweit und Ex-US-Präsident Donald Trump, der in der Dokumentenaffäre auf „nicht schuldig“ plädiert – das waren die Top-Themen in der Tagesschau am 14. Juni um 20.00 Uhr. So ganz ist die ARD aber nicht um die Proteste der Apothekenteams herumgekommen, immerhin eine halbe Minute berichtete Sprecherin Susanne Daubner von den bundesweiten Schließungen, den Forderungen nach einer besseren Vergütung und weniger Bürokratie – und dass Gesundheitsminister Karl Lauterbach für Honorarsteigerungen keinen „Spielraum“ sieht.
Online sind bei den Öffentlich-Rechtlichen zahlreiche Beiträge aus den verschiedenen Bundesländern zu finden: unter anderem aus Niedersachsen, Hessen, Hamburg. Auffällig ist, dass der Protestmarsch in Berlin eher stiefmütterlich abgehandelt wird. Die Gründe, warum die Apothekerschaft auf die Straße ging, kommen allerdings deutlich durch, so auch in einem NDR-Bericht aus Schleswig-Holstein. „Wir müssen der Gesellschaft zeigen, wie groß die Bedeutung der Apotheken für die Versorgung ist und wie dramatisch es wäre, wenn noch mehr Apotheken als verlässliche, soziale Anlaufstellen vor Ort für immer verschwinden würden“, wird Christian Stolzenburg, zweiter stellvertretender Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein zitiert. Aber die Berichterstattung bietet auch den Gesundheitsministern der Länder eine Plattform, sich zu profilieren. So fordert Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken in dem Beitrag eine angemessene Vergütung für das Lieferengpass-Management der Apotheken.
Die „Deutsche Presseagentur“ (dpa) berichtet flächendeckend von den Protesten und es gibt Meldungen aus so gut wie jedem Bundesland. In einem Bericht aus Mecklenburg-Vorpommern wird insbesondere die Frage nach der Arzneimittelversorgung auf dem Land hervorgehoben. Die Nachrichtenagentur zitiert den Geschäftsführer der Apothekerkammer, Bernd Stahlhacke, der erklärt, dass die ohnehin niedrigeren Gewinne der Kolleginnen und Kollegen besonders auf dem Land zusammengeschmolzen seien, da inflationsbedingt höhere Kosten wegen der Festvergütung nicht weitergereicht werden können. Rücklagen für notwendige Investitionen zu bilden, sei daher immer schwieriger.
Wenig überraschend finden die dpa-Meldungen weite Verbreitung. Eigene Beiträge findet man z. B. im „Handelsblatt“ oder der „TAZ“ nicht. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass die Vorberichterstattung zu den Protesten mit den Hintergründen ausführlicher war, als die Beiträge zu den Protesten an sich, für die eben oft das dpa-Material verwendet wird. Das ist allerdings nicht ungewöhnlich, solange keine Autos brennen oder die Polizei Tränengas einsetzt.
Aber es gibt natürlich auch Berichte von den Protesten. Die „Süddeutsche Zeitung“ begleitete am Protesttag die Apothekerin Marianne Valk in Berlin. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mal streike“, sagt sie. Lieferengpässe, überbordende Bürokratie, und die Ausdünnung des Apothekennetzes – auch in Berlin-Mitte. Das sind die Themen des Beitrags. Die fehlende Wertschätzung der Politik, der Nachwuchsmangel sind wiederholt Gegenstand der Gespräche mit den Apothekenteams, von der die Zeitung mit Blick auf den Protestmarsch berichtet.
Die Süddeutsche bringt einen weiteren Beitrag, in dem der Apotheker und Vorsitzende des Bundesverbands Deutscher Apothekerkooperationen, Stefan Hartmann, die Hauptrolle spielt. „Ich bin alles, nur kein Streikhansel“, sagt er. „Aber jetzt muss es einfach sein.“ Die Zeitung hat ihn vor seiner Apotheke in Gilching besucht. Beim Notdienst um die Ecke wenig Betrieb. Ein junger Mann, der ihn kurz zuvor beansprucht hat, wird gefragt, ob ihn die Schließungen nerven. „Nee“ antwortet er, „wenn die das machen, wird es schon notwendig sein.“
Überhaupt scheinen sich viele Medien – insbesondere die Lokalpresse – die Schlangen vor den Apotheken als Thema für ihre Beiträge ausgesucht zu haben. Beispielsweise der „Nordkurier“, der über die Kronen-Apotheke in Ferdinandshof in Mecklenburg-Vorpommern schreibt, die Notdienst schob, während die anderen sechs Apotheken in der Haff-Region geschlossen hatten. Die meisten Kundinnen und Kunden hätten Verständnis gezeigt, heißt es.
Aber auch die große „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtet in diesem Zusammenhang unter dem Titel „Warnschuss der Apotheken“ von einem Pärchen aus Seattle, das sich für die Tochter in der Main-Metropole auf die Suche nach einem Medikament gemacht hat. Die Zeitung informiert, dass die meisten Passanten noch nie etwas von den Schwierigkeiten der Apotheken gehört, aber mit viel Verständnis auf die Proteste reagiert hätten.
Die „Schwäbische“ berichtete bereits am Protesttag online aus Sigmaringen von der Apotheke im Hanfertal, die trotz des Protests geöffnet blieb. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden den Kunden zwar die Ziele des Streiks erklären, wollen den Protest aber „nicht auf dem Rücken der Kunden austragen“. Bernfried Meschenmoser, zuständig für den kaufmännischen Teil und Vater des Inhabers, erklärt dazu: „Man ärgert sich selbst immer über streikende Bahnen oder Flugzeuge.“ Viel ist in der Apotheke allerdings nicht los. Man habe aber auch nicht Werbung gemacht, um keinen „Wettbewerbsvorteil“ zu haben.
Die linke Tageszeitung „junge Welt“ beginnt ihren Beitrag „Weißkittelausstand“ zu den Protesten in Berlin mit der Feststellung: „Protestfreudig sind sie nicht, Standesdünkel macht bewegungsarm. Nun aber reicht es vielen Apothekern.“ Die Inhaberin der Land-Apotheke Leegebruch bei Oranienburg klagt in dem Beitrag: „Seit Monaten bringe ich Geld mit zur Arbeit.“ Ohne die finanzielle Unterstützung ihres Gatten wäre sie bereits pleite. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Links-Fraktion, Kathrin Vogler, wird von der Zeitung mit der Forderung, Rabattverträge für nicht patentgeschützte Arzneimittel abzuschaffen und eine Vorratspflicht für Pharmafirmen bei versorgungswichtigen Arzneien einzuführen, zitiert.
„Mit den Apothekern klagen die Falschen“
Die Tageszeitung aus Berlin berichtet über die Proteste in der Hauptstadt und zitiert unter anderem Hendrikje Lambertz aus dem Vorstand des Apothekervereins: „Wir sind hier, weil die Politik der Regierung unsere Arbeit gefährdet und so auch die Versorgung mit Arzneimitteln“. Insbesondere das Apothekensterben in Berlin und Brandenburg wird thematisiert. In einem Kommentar unter der Schlagzeile „Apothekenprotesttag: Jammern auf hohem Niveau“ heißt es in der Zeitung: „Eine abnehmende Apothekendichte indessen sollte nicht per se ein Problem sein: Nicht nur in ländlichen Gegenden schrumpft mitunter die Bevölkerung, auch Städte verlieren. Regionale Gesundheitszentren mit Apotheken könnten eine Lösung sein, pauschal höhere Honorare auf Branchenzuruf wären unangemessen.“
In der „Augsburger Allgemeinen“ wird unter dem Titel „Mit den Apothekern klagen die Falschen“ in einem Kommentar vorgerechnet, dass selbstständige Apotheker im Monat durchschnittlich 14.500 Euro verdienen. Als Grundlage dienen Zahlen der Apotheker- und Ärztebank. Im Vergleich läge das Durchschnittsbruttoeinkommen in Deutschland bei 4100 Euro, somit zählten die Apothekerinnen und Apotheker „eher nicht zu den Bedürftigen dieses Landes, denen das Wasser bis zum Halse steht“. Auch die FDP bekommt einen auf den Deckel. Das Fremdbesitzverbot ist dem Autor ein Dorn im Auge: „Ausgerechnet in der Partei des freien Wettbewerbs, der FDP, haben die Apotheker einen treuen Verbündeten, um ihr Privileg zu verteidigen.“
Nahegelegt wird in dem Beitrag, dass statt den Apothekern eigentlich PTA Grund zur Klage hätten. Im „Tauziehen um Personal“ wird vorgeschlagen, sie „besser zu bezahlen“. Zugeständnisse macht der Kommentator mit Blick auf die Forderung nach weniger Bürokratie. Die sei in Deutschland schließlich „eine Krankheit“, die „immer schlimmer wird“.
„Es nennt sich Strukturwandel“
In einem Meinungsbeitrag des Magazins „Stern“ heißt es ebenfalls, dass die Kritik der Apothekerschaft „ungerechtfertigt“ sei. „Nach den Beschäftigten bei den Fluggesellschaften und der Bahn sind auch die Damen und Herren sauer, die uns die Pillen verkaufen.“ Auch in diesem Beitrag werden die Zahlen der Apothekerbank zitiert. Erwähnt wird der „Geldsegen“ in der Pandemie. Apothekenschließungen werden in Zusammenhang mit dem schrumpfenden Einzelhandel gebracht. „Was die Apotheker spüren, erleben sie nicht exklusiv. Es nennt sich Strukturwandel.“ Zum Schluss fragt der Autor, warum „Supermarkt-Kassiererinnen, Lagerarbeiter und Botenfahrer für diese privilegierte Branche blechen“ sollten. „Denn das wäre die Folge, wenn sich die Apotheker durchsetzen. Die Krankenkassenbeiträge würden noch mehr steigen, damit einige Besserverdiener noch besser verdienen. Darüber könnten Sie sich erst recht ärgern.“ |
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