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Videoüberwachung: Was ist erlaubt?

Aus der ADEXA-Rechtsberatung

In vielen Apotheken gibt es eine oder mehrere Kameras im Verkaufsbereich. Denn vor allem die teure Apothekenkosmetik lockt immer wieder Langfinger, etwas mitgehen zu lassen. Problematischer wird es, wenn heimlich oder auch im Backoffice gefilmt wird. Ein Blick auf die arbeitsrechtliche Lage sowie speziellen Fragen aus der gewerkschaftlichen Rechts­beratung.
Foto: jayzynism/AdobeStock

Öffentlich zugängliche Räume wie die Verkaufsbereiche von Apotheken dürfen mit Kameras überwacht werden, wenn dadurch zum Beispiel Straftaten Dritter verhindert werden sollen, sagt ADEXA-Juristin Christiane Eymers. Denn die Apothekenleitung hat dann ein berechtigtes Interesse an der Überwachung. Kameras dürfen also installiert werden, wenn bereits Straftaten verübt wurden und eine Wiederholungsgefahr besteht – oder wenn sie im Geschäftsbetrieb typischerweise zu erwarten sind. Eymers: „In Apotheken ist der Diebstahl von Kosmetikartikeln eine typische Gefahr, die den Einsatz von Kameras rechtfertigt. Beschäftigte müssen dann hinnehmen, dass sie von den Kameras ebenfalls gefilmt werden.“

Aber, so die Fachanwältin für Arbeitsrecht: „Eine gezielte, direkte Über­wachung der Beschäftigten darf nie vorsorglich erfolgen, weil sie immer ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist.“ Auch dürfen keine Video­aufnahmen mit Ton aufgenommen und gespeichert werden!

Wo darf gefilmt werden – und wo nicht?

Eymers erläutert: „Unzulässig ist es, die Kamera gezielt auf die Arbeitsplätze im Backoffice oder an den Kassen zu richten, wenn nicht der Verdacht besteht, dass eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter selbst eine Straftat verübt hat. Und selbst bei einem solchen Verdacht ist abzu­wägen, ob die Kameraüberwachung verhältnismäßig ist oder der Apothekenleitung ‚mildere‘ Mittel für die Aufklärung zur Verfügung stehen.“

Keinesfalls dürfen aber Bereiche gefilmt werden, die von Mitarbeitenden privat genutzt werden. Dazu gehören sanitäre Anlagen, Umkleide- und Pausenräume.

Es besteht Informationspflicht!

Die Mitarbeitenden müssen über die Kameras informiert werden, betont die Juristin. Heimliche Videoüber­wachungen sind nur in extremen Ausnahmefällen zulässig. Und: „Angestellte und Auszubildende dürfen nicht gezielt über den Auf­nahmebereich getäuscht werden, etwa durch den Einsatz spezieller Objektive oder Attrappen.“

Aber muss man dazu auch sein Einverständnis erklären? Nein, sagt Eymers, wenn die Überwachung vorher angekündigt wurde und rechtens ist, dann braucht es keine ausdrück­liche Zustimmung der Beschäftigten. Eine Einwilligung kann die Videoüberwachung aber zulässig machen.

Wie lange darf das Filmmaterial archiviert werden?

Die Speicherung der Aufnahmen darf nur so lange erfolgen, wie sie für das Erreichen des Zwecks der Aufnahme notwendig ist, erläutert Rechtsanwältin Eymers. Eine konkrete gesetzliche Frist gebe es nicht. „Meistens wird spätestens nach zehn oder 14 Tagen feststehen, ob besondere Vorkommnisse das Betrachten der Aufzeichnungen erforderlich machen oder diese gelöscht werden können.“

Schmerzensgeld bei heimlicher Überwachung?

Eine heimliche Überwachung ist grundsätzlich ausgeschlossen und darf nur in besonders begründeten Ausnahmefällen stattfinden, betont Eymers. War eine Videoüberwachung des Arbeitsplatzes unzulässig und kündigt die Apothekenleitung einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer auf Basis der Erkenntnisse aus den Aufzeichnungen der Kamera, kann das Videomaterial nicht als Beweismittel in einem Kündigungsschutzverfahren zum Nachteil der Beschäftigten verwendet werden. Bei unzulässiger Überwachung können im Einzelfall sogar Schmerzensgeldansprüche entstehen.

Kameras als Teil einer betrieblichen „Fehlerkultur“?

Fehler kommen auch im besten Apothekenteam vor. Bei einem guten und offenen Betriebsklima ist ein Fehler zwar ärgerlich, kann aber durch eine konstruktive Fehlerkultur aufgefangen werden. Doch manchmal mag es schwierig sein, dem Ursprung auf den Grund zu gehen und die oder den Verantwortlichen zu finden. Das gilt insbesondere dann, wenn diese mit scharfen und vielleicht auch unangemessenen Vorwürfen rechnen müssen.

Wenn die Apothekenleitung beispielsweise Fehler im Backoffice „über­wachen“ möchte“, ist dies kein zulässiger Einsatz. Hier überwiegen die Persönlichkeitsrechte und die Fehlersuche müsste zum Beispiel bei einem Teammeeting oder durch die Arbeit in Anwesenheit der Apothekenleitung erfolgen.

Videoaufzeichnung als Beweis für Arbeitszeitbetrug?

In einem Fall vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen ging es um einen vom Arbeitgeber behaupteten Arbeitszeitbetrug seines Mitarbeiters. Das Gericht sah den Zugriff auf die – mehr als ein Jahr alten – Videoaufzeichnungen als nicht angemessen, um diesen Betrug nachzuweisen; die Verwertung verstoße gegen datenschutzrechtliche Grundsätze. Außerdem sei die Kamera am Eingang auch kein geeignetes Mittel der Arbeits­zeiterfassung.

Als ADEXA-Mitglied gut beraten

Last but not least rät Eymers ADEXA-Mitgliedern, in solchen Fällen umgehend mit der Rechtsberatung Kontakt aufzunehmen. Innerhalb der Apotheke ist die oder der Datenschutzbeauftragte die erste Adresse. |

Sigrid Joachimsthaler

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