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ALBVVG – was gilt sofort, was noch nicht?
Nicht alle Regelungen des Engpassgesetzes werden direkt spürbar
Diesmal hat es rechtzeitig geklappt: Das Engpassgesetz (ALBVVG) ist im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Damit ist ein fließender Übergang bei den erweiterten Austauschregeln gewährleistet. Die temporären Pandemie-Regeln sind am 31. Juli ausgelaufen. Am 1. August wurden sie durch fixe Regelungen (in § 129 Abs. 2a SGB V und § 17 Abs. 5b ApBetrO) abgelöst, die im Falle von Lieferengpässen den Austausch von Arzneimitteln dauerhaft erleichtern sollen. Die neuen Vorgaben weichen allerdings etwas von denen ab, die Apotheken seit April 2020 gewohnt waren.
Neu ist vor allem, dass nicht mehr an die „Vorrätigkeit“ des auf „Grundlage der Verordnung“ abzugebenden Arzneimittels abgestellt wird. Die erleichterten Austauschregeln gelten nun bei „Nichtverfügbarkeit“ des nach „Maßgabe des Rahmenvertrags“ abzugebenden Mittels. Eine Nichtverfügbarkeit liegt vor, wenn das Arzneimittel nicht innerhalb einer angemessenen Zeit beschafft werden kann. Dazu sind zwei unterschiedliche Verfügbarkeitsanfragen bei vollversorgenden Arzneimittelgroßhandlungen zu stellen; wird die Apotheke nur von einem Großhändler beliefert, reicht eine Anfrage. Die Formulierung „nach Maßgabe des Rahmenvertrags“ stellt klar, dass die von Deutschem Apothekerverband und GKV-Spitzenverband festgelegte Abgaberangfolge beziehungsweise Gewichtung für das Verhältnis zwischen preisgünstigen, importierten und rabattierten Arzneimitteln zugrunde zu legen ist. Allerdings empfehlen Apothekerverbände aufgrund von derzeit noch nicht abgeschlossenen rechtlichen Prüfungen und Abstimmungen, sich zunächst noch an die bisherige Abgabereihenfolge zu halten.
Kein Aut-simile-Austausch mehr
Nicht mehr möglich ist ab sofort der zuvor nach Arztrücksprache mögliche Austausch gegen ein pharmakologisch-therapeutisch vergleichbares Arzneimittel (aut simile), wenn ein wirkstoffgleiches nicht zu haben ist oder der Arzt das Aut-idem-Kreuz gesetzt hat.
Unverändert bleiben hingegen die Konstellationen, in denen Apotheken ohne Rücksprache mit dem verordnenden Arzt von der Verordnung abweichen dürfen – sofern dadurch die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs nicht überschritten wird. Dabei geht es um Packungsgrößen, Packungsanzahl, Teilmengen und die Wirkstärke.
Diese Austauschregeln gelten auch für Privatrezepte. Voraussetzung ist, dass der Arzt oder die Ärztin den Austausch nicht ausgeschlossen hat und die Person, die das Arzneimittel bekommen soll, mit dem Austausch einverstanden ist.
Nicht mehr ganz so umfassend ist jetzt auch der Retaxschutz: Die Beanstandung durch eine Krankenkasse ist in den gesetzlich geregelten Fällen nicht gänzlich ausgeschlossen.
Warten auf die 50-Cent-Pauschale
Seit dem 1. August steht den Apotheken zudem die neue Engpasspauschale in Höhe von 50 Cent netto bzw. 60 Cent brutto zu, wenn ein Austausch nach den Regeln des neuen § 129 Abs. 2a SGB V erfolgt. „Auch wenn die Höhe der neuen Pauschale viel zu niedrig angesetzt wurde, freuen wir uns, dass der Gesetzgeber das Engagement der Apotheken in der Lieferengpass-Krise zumindest anerkennt“, erklärte der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) Hans-Peter Hubmann in einem Pressestatement. In der Praxis scheitert es aktuell aber noch daran, dass es technisch nicht möglich ist, Rezepte entsprechend zu bedrucken. Hubmann zufolge arbeiten der GKV-Spitzenverband, der DAV, die Apothekensoftware-Häuser sowie die Apothekenrechenzentren mit Hochdruck an einer pragmatischen technischen Umsetzung hinsichtlich der Bedruckung der Rezepte. Über entsprechende Ergebnisse sollen die Apotheken umgehend informiert werden. Nach Informationen der DAZ sind noch etliche Details der Abrechnung unklar, zum Beispiel wie der Austausch einer großen gegen mehrere kleine Packungen erfasst werden soll. Und Regelungen fürs E-Rezept stehen wohl noch gar nicht. Immerhin wurde das neue Sonderkennzeichen schon festgelegt.
DAV will sich für Übergangslösung einsetzen
Allerdings muss das Ganze dann auch noch in der Software abgebildet werden. Davon, die Sonder-PZN und den Taxbetrag von 50 Cent händisch aufzutragen, raten die Rechenzentren explizit ab. Das könne nicht verarbeitet werden und gehe an die Apotheke zurück. Der DAV will der Mitteilung zufolge alles dafür tun, dass die Apotheken das Honorar so schnell wie möglich abrechnen können. Zudem hat der DAV-Vorsitzende in Aussicht gestellt, dass sich der Verband nachdrücklich dafür einsetzen werde, dass den Apotheken keine Nachteile entstehen. „Wir werden uns für eine Übergangslösung stark machen, die die Apotheken nutzen können, bevor das endgültige Abrechnungsverfahren steht.“
Die allermeisten Bestimmungen des ALBVVG sind jedoch bereits am 27. Juli, also am Tag nach der Verkündung, in Kraft getreten. Seitdem gelten beispielsweise die neuen Retaxeinschränkungen (129 Abs. 4d SGB V). Kassen dürfen seitdem in bestimmten Fällen nicht auf Null retaxieren, zum Bespiel wenn die Dosierungsangabe fehlt. Und auch die Nullretaxation bei Nicht-Abgabe eines Rabattarzneimittels ist Vergangenheit. Im letzteren Fall muss die Kasse nun den Preis für das abgegebene Arzneimittel auf jeden Fall zahlen, nur das Apothekenhonorar kann sie einkassieren.
Auch bei der Präqualifizierung ist Geduld gefragt
Auch der neue § 126 Abs. 1b SGB V gilt seit dem 27. Juli. Er soll Entlastung bei der Hilfsmittelabgabe bringen, weil Apotheken künftig bei apothekenüblichen Hilfsmitteln nicht mehr in einem Präqualifizierungsverfahren nachweisen müssen, dass sie „die Voraussetzungen für eine ausreichende, zweckmäßige und funktionsgerechte“ Abgabe erfüllen. Aber: GKV-Spitzenverband und Deutscher Apothekerverband müssen sich zunächst darauf einigen, welche Hilfsmittel als „apothekenübliche Hilfsmittel“ in diesem Sinne einzustufen sind und demnach künftig keiner Präqualifizierung mehr bedürfen. Wohlwissend, dass sich diese beiden Parteien in der Vergangenheit oft schwer getan haben, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, hat der Gesetzgeber Fristen festgeschrieben: Gelingt es bis 27. Januar 2024 nicht, eine entsprechende Vereinbarung zu treffen, muss die Schiedsstelle ran. Sie soll dann bis zum 27. April 2024 festlegen, welche Hilfsmittel unter die neue Regelung fallen. Hier ist also noch etwas Geduld gefragt. Bis festgelegt ist, welche Hilfsmittel „apothekenüblich“ sind, empfiehlt der DAV betroffenen Apotheken „rein vorsorglich, die bestehenden Präqualifizierungsvorgaben, insbesondere bezüglich anstehender Audits, Re-Präqualifizierungen und Neueröffnungen, unverändert zu befolgen.“
Zuzahlungs- und Bevorratungsregeln mit mehr Vorlauf
Erst zum 1. Februar 2024 werden sich Vorgaben zur Zuzahlung (§ 61 SGB V) ändern. So ist die Zuzahlung dann im Falle von Engpässen auf der Grundlage der verordneten Packungsgröße zu leisten und nicht auf der ersatzweise abgegebenen. Konkret bedeutet das, dass Versicherte z. B. im Falle der Abgabe von drei N1-Packungen anstelle der verschriebenen N3-Packung nicht mehr wie bisher drei Mal die Zuzahlung entrichten müssen, sondern nur noch einmal. Entsprechendes gilt bei der Abgabe von Teilmengen. Grund für das verzögerte Inkrafttreten sind die erforderlichen technischen Anpassungen.
Nochmals andere zeitliche Vorgaben gelten für die neuen Vorratspflichten für krankenhausversorgende Apotheken und den Krankenhausapotheken. Ihnen soll hinreichend Zeit zum Aufbau der erhöhten Vorräte eingeräumt werden. Die einschlägigen Vorschriften treten daher erst am 27. Dezember 2023 in Kraft.
Dass das „Arzneimittellieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz“ seinem Namen schnell und umfassend alle Ehre macht, erwartet wohl niemand. Was die dort verankerten Regelungen, wie die Lockerung der Preisschraube bei Kinderarzneimitteln, die Einführung eines neuen Frühwarnsystems und die Erhöhung der Vorratspflichten, bringen, wird sich zeigen. |
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