Arzneimittel und Therapie

Biologicals – einfach austauschen?

Biological, Bioidentical, Biosimilar – wann ist ein Austausch möglich?

Bereits vor über 40 Jahren wurde mit einem Humaninsulin das erste Biological zugelassen. In den letzten Jahren rückte die Herstellung von Biologicals durch die Corona-Impfstoffe ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Inzwischen gibt es in Deutschland rund 370 zugelassene Biopharmazeutika mit 329 Wirkstoffen. Hierbei gelten Bioidenticals als austauschbar, während dies bei Biosimilars derzeit gemäß Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nicht vorgesehen ist. In aktuellen Studien konnte jedoch gezeigt werden, dass Biosimilars ebenso austauschbar sein können.

Biologicals (auch Biologika oder Biotechnologika genannt) werden mithilfe biotechnologischer Methoden meist in Zellen oder lebenden Organismen hergestellt. Im Gegensatz zu chemisch-synthetischen Wirkstoffen sind Biologicals große und komplexe Moleküle. Biologicals, welche in ähnlichen Verfahren hergestellt werden, können zu Molekülen mit gleicher Aminosäuresequenz und identischer Protein­faltung führen und sich dennoch im Glykosylierungsmuster unterscheiden. Man spricht daher nicht von Generika, sondern von Biosimilars. Ein Biosimilar ist ein biotechnologisches Produkt, welches hinsichtlich Qualität, Sicherheit und Effektivität ähnlich dem Referenzprodukt (= Original Biological) ist.

Im Gegensatz zu Generika, welche in ihrer Struktur mit den chemisch-synthetischen Originalwirkstoffen identisch sind, können sich Biosimilars in ihrer Molekülstruktur unterscheiden und dennoch die gleiche Wirkstoff­bezeichnung tragen.

Foto: M.Dörr & M.Frommherz/AdobeStock

Austauschbar? Bioidenticals gelten als austauschbar, während es bei Biosimilars derzeit nicht vorgesehen ist, diese auszutauschen, da sich aufgrund des nicht identischen Herstellungsverfahrens ihre Molekülstruktur unterscheiden kann.

Bioidenticals

Hingegen stammen Bioidenticals aus dem gleichen Herstellungsprozess und werden lediglich unter verschiedenen Namen in Vertrieb gebracht (sogenannte Zweitmarken). Diese sind gemäß Anlage 1 zum Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung austauschbar. Hierunter findet sich beispielsweise Epoetin alfa mit den Bioidenticals Abseamed®, Binocrit® und Epoetin alfa Hexal®. Bei Verordnung eines dieser Arzneimittel kann aufgrund von Rabattverträgen oder Nicht-Lieferfähigkeit gegen ein anderes Bioidentical ausgetauscht werden.

Biosimilars

Anders stellt sich dies derzeit bei den Biosimilars dar. Hier darf beispielsweise bei Verordnung von Enbrel® nicht gegen Benepali® ausgetauscht werden, wenn auch beide den Wirkstoff Etanercept enthalten. Aufgrund des nicht identischen Herstellungsverfahrens kann sich jedoch die Molekülstruktur der beiden Etanercept-Präparate unterscheiden. Biosimilars liegen preislich in Deutschland bei 65 bis 103% des Preises vom Referenzprodukt. Aufgrund dessen wurde vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) die Anlage VIIa zur Arzneimittel-Richtlinie erstellt, welche den Ärzten eine Verordnung von Biosimilars erleichtern soll. Zudem soll der G-BA im August 2023 entscheiden, inwiefern ein Austausch von Biosimilars in Zukunft in der Apotheke möglich oder erforderlich ist. Vor diesem Hintergrund sind zwei kürzlich erschienene systematische Reviews von besonderem Interesse.

Biosimilars bei rheumatoider Arthritis

Ascef et al. führten eine Metaanalyse zur Vergleichbarkeit von Biosimilars und Referenzprodukten bei rheumato­ider Arthritis durch. In die Metaanalyse wurden 24 randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 10.259 Teilnehmern eingeschlossen. Als primärer Endpunkt wurde eine mindestens 20%ige Verbesserung wichtiger Punkte der rheumatoiden Arthritis (ACR20) ausgewertet. Elf Studien untersuchten die Wirksamkeit von einem Adalimumab-Biosimilar im Vergleich mit dem Referenzprodukt (Humira®), sieben verglichen Etanercept-Biosimilars mit Enbrel®, und sieben Studien stellten Infliximab-Biosimilars dem Remicade® gegenüber. Insgesamt zeigte sich, dass die Biosimilars von Adalimumab, Etanercept und Infliximab bei rheumatoider Arthritis einen ähnlichen Effekt wie die Referenzprodukte haben (relative Risikoreduktion [RR]: 1,01; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,98 bis 1,04). In der Gruppe der Biosimilar-Anwender erreichten 79% nach sechs Monaten eine mindestens 20%ige Verbesserung im Score der rheumatoiden Arthritis ACR20. Bei Anwendung der Referenzprodukte war dies bei 78% in den Studiengruppen der Fall. Insgesamt traten bei 35,9% der Biosimilar-Anwender und bei 39,6% der Referenzprodukt-Gruppe therapiebedingte Nebenwirkungen auf. Vor allem Reaktionen an der Injektionsstelle wurden bei den Referenzprodukten häufiger beobachtet. Ein signifikanter Unterschied hinsichtlich Sicherheit und Immuno­genität zwischen Biosimilars und Referenzprodukten wurde jedoch nicht festgestellt.

Biosimilars bei Psoriasis

Eine zweite interessante aktuelle Publikation befasst sich mit dem Vergleich von Biosimilars mit Referenzprodukten bei Psoriasis. Im systematischen Review von Phan et al. wurden 15 klinische Studien und drei Kohortenstudien eingeschlossen. Diese analysierten sowohl therapienaive Patienten als auch Patienten, die vom Referenzprodukt auf ein Biosimilar umgestellt wurden. Als primärer Endpunkt wurde eine 75%ige Verbesserung im PASI-Score (Psoriasis area and severity index score) untersucht. Außerdem wurde das Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen analysiert. Elf Studien befassten sich mit Adalimumab, drei mit Etanercept, eine mit Infliximab, eine mit Ustekinumab und eine mit der Kombination Infliximab und Etanercept. Hierbei zeigte sich in keiner Studie ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen der Behandlung mit dem Referenzprodukt oder dem Biosimilar. Auch eine Um­stellung vom Referenzprodukt auf ein Biosimilar war ohne signifikante Änderung des PASI-Scores möglich. Das Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen war zwischen den Referenzprodukten und den Biosimilars ähnlich.

Fazit

In den beiden kürzlich erschienenen Reviews konnte somit gezeigt werden, dass ein Austausch von Referenzprodukt und Biosimilar in vielen Fällen möglich ist. Während das Verordnungsvolumen von Adalimumab-Bio­similars (z. B. Amgevita, Hulio, Hyrimoz) in Deutschland in den letzten Jahren um 48% gestiegen ist, wurde bei Insulin lispro mit 2% Anstieg im Verordnungsvolumen kaum das Biosimilar angewandt.

Allerdings ist aktuell eine Umstellung von einem Referenzprodukt auf ein Biosimilar nicht immer mit einer Kostenersparnis verbunden, sodass dies vom Arzt gründlich erwogen werden muss. Inwiefern demnächst ein Austausch in der Apotheke möglich ist, wird der G-BA in naher Zukunft entscheiden. Aktuelle Reviews untermauern, dass Biosimilars und Referenzprodukte hinsichtlich Therapieerfolg und Sicherheit oftmals ähnlich sind. |

Literatur

Ascef BO, Almeida MO et al. Therapeutic equivalence of biosimilar and reference biologic drugs in rheumatoid arthritis: a systematic review and meta-analysis. JAMA Netw Open. 2023;6(5):e2315872

Carl DL, Laube Y et al. Comparison of uptake and prices of biosimilars in the US, Germany, and Switzerland. JAMA Netw Open 2022;5(12):e2244670

Phan DB, Elyoussfi S et al. Biosimilars for the treatment of psoriasis: a systematic review of clinical trials and observational studies. JAMA Dermatol 2023, doi: 10.1001/jamadermatol.2023.1338

WHO. Annex 3. Guidelines on evaluation of biosimilars. WHO Technical Report Series, N0. 1043, 2022. www.who.int/publications/m/item/guidelines-on-evaluation-of-biosimilars--trs-1043--annex-3 aufgerufen am 14.07.2023

Zugelassene gentechnische Arzneimittel in Deutschland. Vfa - Die forschenden Pharma-Unternehmen. www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/datenbanken-zu-arzneimitteln/amzulassungen-gentec.html, Stand: 14. Juli 2023

Apothekerin Dr. Karin Schmiedel

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