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Apotheke und Markt
Viel Potenzial im System
Online-LiveTalk der Alliance Healthcare zu Zukunftschancen
Die derzeitige Situation der Apotheken sieht alles andere als rosig aus, wie Peter Ditzel, DAZ-Herausgeber und Moderator des LiveTalks deutlich machte: fehlende Honoraranpassung, Personalmangel, Lieferengpässe und dazu noch eine allgemeine wirtschaftlich angespannte Lage. Laut einer ABDA-Prognose werden in diesem Jahr rund 600 Apotheken schließen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat zudem eine „Apothekenreform“ angekündigt, mit der „Apotheken light“ zugelassen werden sollen. Dies führe letztlich, so die Meinung von Fachleuten, zu einem anderen Apothekensystem mit einer schlechteren Arzneimittelversorgung der Bevölkerung.
In der offenen, engagierten und zum Teil emotionalen Talkrunde sprachen die Expertinnen und Experten darüber, was sie in ihren Apotheken und Praxen heute bereits mit großem Einsatz leisten. In Richtung Politik sagten sie aber auch, dass sie hierfür mehr Anerkennung und eine Honoraranpassung erwarten, wenn das heutige System erhalten bleiben soll.
Apothekerin Susanne Bormann, Blankenburg, kann sich weitere Dienstleistungen vorstellen, mit denen auch die Arztpraxen entlastet werden, z. B, die Apotheke als Ansprechpartner für Folgeverordnungen.
Apothekerin Tatjana Buck, Vital-Apotheke Bad Saulgau, ist offen für neue Ideen. Sie engagiert sich z. B. beim Aufbau eines Primärversorgungs-Netzwerks, in dem auch Hausärztinnen und Ärzte, Kräfte aus der Pflege und Physiotherapie sitzen. Ob allerdings die von Lauterbach geplanten Kioske Chancen bieten, da ist sich Buck unsicher: „Derzeit verschlingen sie nur Geld der Krankenkassen und Kommunen.“
Die Rathaus-Apotheke in Hagen von Dr. Christian Fehske arbeitet bereits mit einer Arztpraxis zusammen und informiert im Vorfeld von Verordnungen z. B. über Arzneimittel mit hohem Wechselwirkungspotenzial: „Wir zeigen den Arztpraxen, dass Apotheken konkrete Lösungsvorschläge bei der Verordnung bieten können.“
Apothekerin Sabine Haul, Elefanten-Apotheke in Hamburg-Bergedorf, arbeitet seit einiger Zeit mit einem Gesundheitszentrum und der für dieses Zentrum zuständigen Hausärztin Dr. Maren Oberländer zusammen. Haul ging bereits vor zehn Jahren aktiv auf die Hausärztin zu und bot ihr an, Medikationsanalysen durchzuführen. Oberländer betonte, dass sie und ihre Patienten von der Zusammenarbeit mit der Apothekerin sehr profitieren. Der Austausch zwischen Apotheke und Praxis läuft dabei bereits über den sicheren Weg der Telematik-Infrastruktur.
Dr. Kerstin Kemmritz, Falken-Apotheke, Berlin, und Berliner Kammerpräsidentin, versucht, auch in ihrer kleinen Apotheke Dienstleistungen anzubieten. Betriebswirtschaftlich allerdings lasse sich dies noch nicht befriedigend darstellen. „Ich sehe dagegen Vorteile darin, Vernetzungs-Schwerpunkte zu schaffen, in denen sich die Player eines Gebietes zusammentun“, ist Kemmritz überzeugt. In Zukunft könnten Patientinnen und Patienten auch auf dem Weg der Telemedizin bzw. Telepharmazie Zugang haben.
Matthias Mieves (MdB), Sprecher für eHealth der SPD-Fraktion, zeigte sich erfreut, dass Ärzte, Apotheker und Kommunen die Zusammenarbeit aktiv suchen und Lust auf neue Wege haben. Das sollte noch an vielen weitere Stellen im Gesundheitswesen so laufen. Natürlich müsse auch die Vergütung weiterentwickelt werden. Es sei allerdings fraglich, ob mehr Geld für alle Standorte der richtige Weg sei. Man sollte vielmehr darüber diskutieren, ob mehr Honorar für spezielle Vorhalteleistungen und besondere Angebote der Apotheken, z. B. eine assistierte Telemedizin, der bessere Weg sei. Die Apotheken sollten hier Vorschläge einbringen.
Fehske sieht es allerdings problematisch, wenn nicht alle Apotheken an einer Honoraranpassung teilhaben können. Gerade große Apotheken mit einem breiten Leistungsspektrum bräuchten eine Anpassung des Honorars.
Keine Lösung sei es, so Mieves, die Vergütung pro Packung anzuheben. Viele junge Pharmazeutinnen und Pharmazeuten wollen sich nicht mehr selbstständig machen, man müsse hier neue Wege finden. Apothekerin Buck erinnerte daran, dass gerade der Berufsnachwuchs etwas Sinnhaftes im Beruf leisten will und sich für die Patienten einsetzen will – die Lauterbachschen Ideen ließen solche Möglichkeiten allerdings nicht erkennen. Der Apothekerberuf werde abgewertet. Mehr und mehr junge Fachkräfte überlegen bereits, nicht mehr in der Apotheke arbeiten zu wollen.
Mehr Telepharmazie kann sich auch Apothekerin Bormann vorstellen. Leider sei es aber noch nicht möglich, dass Apothekenmitarbeiter z. B. von zu Hause aus Medikationsberatung durchführen können. Aber ohne eine Anhebung des Honorars sieht auch sie für viele Apotheken keine Zukunft.
Mieves zum Thema Kioske: Da sei noch nichts beschlossen, ob und in welcher Form sie kommen. Ziel sei einfach eine bessere Versorgung und zusätzlich neue Arten der Vernetzung der Leistungsanbieter. Sinnvoll wäre es, vorhandene Strukturen weiterzuentwickeln, da gebe es noch Gestaltungsmöglichkeiten. Eine Abwertung des Apothekerberufs sieht Mieves nicht. Wenn die Minister-Vorschläge nicht passend sind, nehme er dies zur Kenntnis. Er würde dann aber auch gern Lösungsvorschläge aus der Apothekerschaft hören. Über Vergütung könne man sprechen, aber eben nicht nur, sondern gleichermaßen über Neuerungen und Veränderungen in den Strukturen. „Allein eine Vergütungserhöhung wird unsere Probleme nicht lösen“, so Mieves. Dennoch, insistierte Fehske, könne es nicht sein, dass alle Leistungserbringer einen Inflationsausgleich erhalten, nur nicht die Apotheken, da sie kaum Möglichkeiten haben, selbst Preise anzuheben.
Was neue Strukturen betrifft, so Apothekerin Haul, wolle sie als Apothekerin keinesfalls Angestellte einer Krankenkasse sein. Sie fragte, warum die Politik ausgerechnet den Hausarztpraxen und den Apotheken als Rückgrat der Versorgung so viel zumute.
Fazit des Talks: Politik und Leistungserbringer wie Apotheken und Hausärzte müssen viel mehr miteinander reden, wo die Probleme an der Basis liegen und wie man sie gemeinsam lösen kann. Es gibt so viel positives Potenzial im System, das gehoben werden kann. So liegen Zukunftschancen sicher auch darin, dass Apotheken sich in Netzwerke mit Arztpraxen und in kommunale Strukturen einbringen.
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