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Warum es lohnt, sich als Apotheke zu spezialisieren

Von Michaela Schwarz | Eine gute Positionierung ist heutzutage essenziell für Apotheken. Doch was bedeutet Positionierung genau, welche Möglichkeiten gibt es, und was sind mögliche positive Auswirkungen?
Foto: Sandwurm79/AdobeStock

Sich von der Konkurrenz abzuheben ist in den Zeiten des Versandhandels noch wichtiger für Apotheken geworden.

In Zeiten der Konkurrenz durch den Versandhandel und dem drohenden wirtschaftlichen Aus für zahlreiche Apotheken ist es wichtig, das eigene Unternehmen durchdacht auf dem Markt zu positionieren und eine eigene Marke mit Wiedererkennungswert zu generieren. Ziel ist es, bei Kunden und Patienten ein deutliches Alleinstellungsmerkmal zu schaffen und sich von der Konkurrenz positiv ab­zuheben. Wird der Kundschaft ein Mehrwert geboten und geht diese gerne und immer wieder in „ihre“ Apotheke, spiegelt sich das letztendlich in den Umsätzen wider. Positioniert sich eine Apotheke klar und durchdacht mit einem interessanten Thema und Konzept, wirkt sich das zusätzlich positiv auf den Nachwuchs der öffentlichen Apotheken aus, wenn dieser bei einer Bewerbung nach einem bestimmten Interessensgebiet an seinem künftigen Arbeitsplatz sucht.

Wie kann eine Positionierung stattfinden?

Eine Möglichkeit, eine eigene Marke zu etablieren, ist die Spezialisierung auf ein oder mehrere spezielle Themengebiete, samt den passenden Serviceleistungen und Produkten. Dabei gilt, sich nicht sofort auf irgendein beliebiges Thema zu stürzen. Die Auswahl will gut überlegt sein. Ge­rade anfangs bedarf es einer großen Portion Analyse, denn der Markt und Wettbewerb müssen eingeschätzt werden. Das Entwickeln einer passenden Strategie – dem Marketingkonzept – ist ein Prozess, der seine Zeit dauert.

Die Thematik des Schwerpunktes sollte sich am Bedarf des Kunden- und Patientenkreises der Apotheke ausrichten. Ziel ist es, dass Kunden bewusst die Apotheke aufsuchen, da dort Leistungen angeboten werden, die es in dieser Form nur in dieser bestimmten Apotheke gibt. Wichtig ist: Kunden müssen einen Nutzen aus der Spezialisierung der Apotheke ziehen können.

Zielgruppe: Schwangere, Stillende und junge Familien

Bei der babyfreundlichen Apotheke handelt es sich um ein ganzheitliches Konzept, in dem Schwangere, Stillende und Familien mit Babys eine auf ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmte Beratung und Betreuung erhalten. Auch das Apothekensortiment ist auf diese spezielle Kundengruppe abgestimmt.

Neben ihrem persönlichen Interesse für die Thematik hat das vor­gefertigte Konzept des Vereins „Babyfreundliche Apotheke e. V.“ Apothekerin Strube-Plaschke überzeugt. Ebenso spielte die Aussicht, dass sie und ihr Team gerade junge Familien im ländlichen Bereich mit ihrem Know-how unterstützen können, eine wesentliche Rolle bei ihrer Entscheidung, sich in diesem Bereich zu positionieren.

Die Spezialisierung erfolgte jedoch nicht von heute auf morgen. Das Konzept ist zwar vorgegeben, hat sich aber auch innerhalb der Apotheke stetig weiterentwickelt. Neben der Stillberatung in den Räumlichkeiten der Apotheke und dem dortigen wöchentlichen Treffen einer Stillgruppe, hat sich mit der Zeit ein ganzes Netzwerk etabliert. Dazu zählen Hebammen, Rettungssanitäter, Osteopathen und andere Akteure des Gesundheitswesens aus der Umgebung. Regelmäßig werden Seminare und Vorträge rund ums „Baby“ gehalten, beispielsweise zum Thema „Erste Hilfe am Kind“. Insgesamt ergibt sich ein vielschichtiges Angebot für junge Familien.

Für die Zertifizierung als babyfreundliche Apotheke müssen einige Voraussetzungen erfüllt werden. So gibt es beispielsweise Anforderungen an die Räumlichkeiten der Apotheke, wie Still- und Wickelmöglichkeiten, oder an ein bestimmtes Produktangebot. Das Kollegium muss spezielle Kompetenzen und qualifiziertes Fachwissen erwerben, das strengen Anforderungen eines Qualitätsmanagements unterliegt. Während der Geschäftszeiten müssen die geschulten Mitarbeiter in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen. Zur Ausbildung, die über den Landesapothekerverband Niedersachsen und den Verein Babyfreundliche Apotheke absolviert wird, gehört eine Grundlagenausbildung sowie Praktika und eine Abschlussprüfung. Hinzu kommt eine regelmäßige Teilnahme an Fortbildungen, sowie regelmäßige (Re-)Zertifizierungen im Abstand von drei Jahren.

Vorteilig beim Betreiben einer babyfreundlichen Apotheke ist der Gebietsschutz. Dieser sieht im Umkreis einer bestimmten Kilometeranzahl keine weiteren babyfreundlichen Apotheken vor, und bietet somit ein Alleinstellungsmerkmal.

Kundenbedarf ermitteln

Existiert eine Apotheke bereits länger auf dem Apothekenmarkt, hat sich in vielen Fällen schon herauskristallisiert, wie die Kunden „ticken“ und was sie wünschen und brauchen. Ebenso ist klar, welcher Kundenstamm in der Umgebung häufig anzutreffen ist. Noch genauere Informationen liefert eine Bedarfsanalyse, in deren Rahmen man seine Zielgruppe – die natürlich in ausreichendem Umfang vorhanden sein muss – definieren und zusätzlich einen direkten Nutzen für die Kunden herausarbeiten kann. Apotheker können beispielsweise Fragebögen erstellen, um die Bedarfs- und Interessensgebiete der Kunden abzufragen. Zusätzlich können die Fragebögen in der Umgebung verteilt werden, um auch Personen zu erreichen, die noch nicht in der Apotheke einkaufen, aber mögliche Neukunden darstellen.

Interesse und Wissen des Teams

Zum anderen kann man das im Team der eigenen Apotheke bereits vorhandene Wissen und Können analysieren: Welche Weiterbildungen und Fortbildungen haben die Mitarbeitenden schon absolviert? Wo liegen ihre Interessensgebiete und Stärken, und welche davon kann man in ein zukünftiges Angebot gut einbringen? Wer hat welche Idee? Zusammen im Team zu überlegen, zu brainstormen und Ideen zu sammeln, wie der geplante Themenschwerpunkt der Apotheke aussehen könnte, schafft Teamgeist. Die Mitarbei­tenden fühlen sich in die Entscheidungen der Apothekenleitung mit einbezogen und stehen hinter dem gemeinsam gefassten Entschluss. Begeistert sich das gesamte Team für den gewählten Schwerpunkt, fällt es leichter, Zeit und Arbeit in das Projekt zu investieren und es langfristig mit Freude und Erfolg weiterzuführen. Neben Fortbildungsmaßnahmen und dem Sicherstellen einer optimal mög­lichen Beratung auf dem gewählten Gebiet muss schließlich auch das Sortiment der Apotheke auf das neue Thema ausgerichtet werden.

Konkurrenz und Alleinstellungsmerkmal

Außerdem ist es notwendig, die bereits bestehenden Angebote und Spezialisierungen der umgebenden Apotheken zu kennen und diese zu analysieren, um sich nicht durch ähnliche Schwerpunkte zusätzliche Konkurrenz zu schaffen. Wie gewünscht, sollte sich das eigene Angebot von dem der Mitbewerber am Markt ab­heben. Schließlich soll der eigene Schwerpunkt ein Alleinstellungsmerkmal (USP, engl. Unique Selling Proposition) bieten, das nicht oft ­angeboten wird und im besten Fall einzigartig in der Umgebung ist und so eine bestimmte Nische bezüglich des Kundenkreises und der Produkte bedient.

Die Kosten immer im Blick

Trotz aller Begeisterung für einen Schwerpunkt und dem Enthusiasmus, den eine (Neu-)Orientierung mit sich bringt, dürfen die Kosten und der Zeitaufwand nicht außer Acht gelassen werden. Die finanziellen Ausgaben im Vorfeld, etwa durch Fortbildungen für die Mitarbeitenden oder eine Zer­tifizierung, und der mögliche Ertrag müssen in einem sinnvollen Verhältnis zueinanderstehen. Dies gilt ebenso für den zeitlichen Aufwand. Später können weitere Fortbildungsmaßnahmen notwendig werden oder auch der Erwerb von Fachliteratur, um auf dem neuesten Stand zu bleiben. Auch die Erweiterung des Sortiments auf das Schwerpunktthema ist anfangs mit ­Investitionen verbunden.

Geeignete Speziali­sierungsthemen

  • Babyfreundliche Apotheke
  • Mutter-Kind-Apotheke
  • Diabetes
  • Phytotherapie
  • Homöopathie
  • Ernährungsberatung
  • Venen Fachzentrum
  • Traditionelle Chinesische Medizin
  • Reisemedizin
  • Tierarzneimittel
  • Komplementärmedizin
  • Inkontinenz
  • Sport und Fitness
  • Hautpflege
  • Gesundheitsprävention

Spezialisieren lohnt sich

Die Auswahl an möglichen Positionierungsthemen ist groß. Sie reicht von Naturheilkunde über Homöopathie bis hin zur Mutter-Kind- oder der babyfreundlichen Apotheke (s. Kasten „Geeignete Spezialisierungsthemen“). Apothekerin Stephanie Strube-Plaschke hat sich neben einigen anderen Spezialisierungen für die babyfreundliche Apotheke als Schwerpunkt ihrer Hirsch Apotheke in Schellerten entschieden (siehe Kasten „Zielgruppe: Schwangere, Stillende und junge Familien“).

Strube-Plaschke ist nach wie vor begeistert vom Konzept der babyfreundlichen Apotheke und kann nur empfehlen, sich auf bestimmte Themen­bereiche für die eigene Apotheke zu spezialisieren. „Es rechnet sich“, sagt sie. „Die langfristige Stammkundenbindung ist durch unser Angebot enorm gestiegen und insgesamt kommen unsere Dienstleistungen sehr gut bei den Familien an, was uns auch regelmäßig neue Kundschaft bringt.“ Insgesamt sieht Strube-Plaschke eine Spezialisierung als wichtigen Prozess, um einen Mehrwert zu liefern und die Wichtigkeit der öffentlichen Apotheken für die Gesellschaft zu unterstreichen.

Sonstige To-dos

Ein vorgegebenes und vorgefertigtes Konzept, wie das der babyfreundlichen Apotheke als Grundlage nutzen zu können, ist vorteilig. Bei anderen Spezialisierungsthemen ist das zum Teil nicht möglich. Neben den oben genannten Marketingmaßnahmen und Analysen im Vorfeld gilt es in diesen Fällen zu überprüfen, ob es bestimmte Zulassungs- und Rechts­anforderungen an die Einführung und Durchführung der Positionierung gibt, die erfüllt werden müssen. Dies kann im Einzelfall unterschiedlich sein. Dabei kann es sich um Anforderungen an Räumlichkeiten oder um spezielle Schulungs- und Qualifika­tionsanforderungen für das pharmazeutische Personal handeln. Fragen wie: „Welche Fortbildungen oder Zertifikate sind notwendig? Müssen bestimmte Geräte oder eine spezielle Einrichtung erworben werden?“, müssen gestellt werden.

Letztlich ist die Spezialisierung einer Apotheke nie ganz abgeschlossen und stellt einen immerwährenden Prozess dar, da sich die Bedürfnisse der Zielgruppen mit der Zeit verändern können und gegebenenfalls Anpassungen erfordern. Es ist ratsam, den Kundenstamm im Auge zu behalten und darauf zu reagieren. Ebenso ist der Blick in die Zukunft wichtig, um etwa durch die Zusammenarbeit mit Fachärzten und weiteren Gesundheitsdienstleistern mit dem gleichen thematischen Gebiet Synergien zu knüpfen, die den gegenseitigen Erfolg fördern. |

Literatur

Bedarfsanalyse. Informationen der Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, www.springerprofessional.de, Abruf am 25. September 2023

Esch, Franz-Rudolf. Marke. Informationen der Springer Gabler | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, Gabler Wirtschaftslexikon, Abruf am 20. September 2023

Fricke A, Schmidt L. USP finden: Darum ist ein Alleinstellungsmerkmal so wichtig. Informationen der Gründer.de, eine Marke der Digital Beat GmbH, Abruf am 26. September 2023

Gespräch mit Apothekerin Strube-Plaschke

Kirchgeorg, Manfred. Positionierung. Informationen der Springer Gabler | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, Gabler Wirtschaftslexikon, Abruf am 20. September 2023

Kirchgeorg, Manfred. Marketingkonzeption. Informationen der Springer Gabler | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, Gabler Wirtschaftslexikon, Abruf am 20. September 2023

Liman Ute Christina. Die erfolgreiche Zertifizierung zur Babyfreundlichen Apotheke. Projektarbeit im Rahmen der Weiterbildung zum Fachapotheker für Allgemeinpharmazie, www.abda.de, Abruf am 26. September 2023

Produkt/Dienstleistung. Informationen des Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. BMWK-Existenzgründungsportal. www.existenzgruender.de, Abruf am 26. September 2023

Wübbenhorst, Klaus. Marktanalyse. Informationen der Springer Gabler | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, Gabler Wirtschaftslexikon, Abruf am 25. September 2023

Marketing-Mix. Informationen des Bundes­ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. BMWK-Existenzgründungsportal. www.existenzgruender.de, Abruf am 26. September 2023

Michaela Theresia Schwarz, PTA und Apothekerin

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