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Interpharm
Gelerntes Revue passieren lassen
Pharmazie, Wirtschaft und Recht bei der Interpharm 2023 in Göttingen und online
2023 fand die Interpharm in Göttingen endlich wieder in Präsenz statt. Zunächst ging es aber online los, mit der „Heimversorgung Kompakt“ am 31. März, dem ApothekenRechtTag am 14. April und der Interpharm „Apotheke und Wirtschaft“ am 21. April. Am 5. und 6. Mai war es dann so weit, hunderte Apothekenteams kamen nach Göttingen, um sich vor Ort fortzubilden, auszutauschen und sich über neue Produkte und Angebote zu informieren. Abschließend fand die Online-Veranstaltung „Zukunft Personal“ am 26. Mai statt.
Kompakt rund ums Heim
Der Themenkomplex „Heimversorgung Kompakt“ machte den Auftakt zur Interpham 2023. Mit dabei war unter anderem Heike Gnekow. Die Apothekeninhaberin nahm die Versorgungsbereiche eines Heims unter die Lupe und motivierte dazu, die Heimversorgung nicht als ein „Rezept-gegen-Ware-Konzept“ zu sehen. Für sie ist die Heimversorgung die ideale Ausgangssituation für eine Optimierung der Arzneimitteltherapie, beispielsweise um eine Medikationsanalyse als pharmazeutische Dienstleistung anzubieten.
Hilfreiche Tipps, worauf bei einer Medikationsanalyse und bei der Beratung in Heimen zu achten ist, vermittelten verschiedene Vorträge. So wurde erklärt, dass 8% der Pflegeheimbewohner eine Sonde tragen. Am wichtigsten ist es dabei abzuklären, wo die Sonde endet: Ist beispielsweise der Magen die Endstation, sind magensaftresistente Überzüge der Darreichungsformen ein Problem.
Neben pharmakologischen Inhalten wurde auch über Rechtliches aufgeklärt, so erfuhren die Zuhörer, welche Pflichtschulungen absolviert werden müssen, um als Apotheke ein Heim versorgen zu dürfen. Im Fokus stehen Datenschutz, Hygiene und Lagerung.
Dr. Björn Schittenhelm, Inhaber der Alamannen-Apotheke in Holzgerlingen, erklärte in seinem Vortrag die komplexen, rechtlichen Regeln, die für Paxlovid gelten, das vor allem für die vulnerable Gruppe der Heimbewohner ein relevantes Arzneimittel während der Pandemie war.
Einen kritischen Blick auf die Wirtschaftlichkeit der Heimversorgung warf Prof. Dr. Reinhard Herzog und beantwortete die Frage, wann sich Heimversorgung für die Apotheke lohnt. Nach seiner Einschätzung kann eine Apotheke von einem Pflegeheimbewohner etwa 1200 bis 1500 Euro Netto-Jahresumsatz für 20 bis 30 Rx-Packungen erwarten, bei Privatpatienten 40 bis 50% mehr. Das ergebe einen jährlichen Rohertrag von 200 bis gut 300 Euro pro GKV-Patient im Pflegeheim. (DAZ 14, S. 58)
ApothekenRechtTag mit Teilnehmerrekord
Der „ApothekenRechtTag“ verzeichnete 2023 einen Teilnehmerrekord und gab den teilnehmenden Pharmajuristen, Justiziaren sowie Apothekerinnen und Apothekern einen kompakten Überblick zu den wichtigsten Rechtsfragen rund um Arzneimittel und Apotheke.
Erklärt wurde unter anderem, welche Vorschriften beachtet werden müssen, um die pharmazeutischen Dienstleistungen zu bewerben. Es sollte dabei stets das Heilmittelwerbegesetz im Hinterkopf behalten werden, besonders betont wurde, dass die Werbung nicht irreführend sein darf.
Welche Leistungen eine Apotheke outsourcen darf, vermittelte Rechtsanwalt Dr. Timo Kieser. Er warf die Frage in den Raum, ob eine Beratung aus dem Homeoffice nach drei Jahren Pandemie nicht sinnvoll wäre? Der Bundesgerichtshof hatte in einem Urteil hierzu ein Stoppschild erhoben. Pharmazeutische Beratung dürfe deshalb nicht über ein Callcenter laufen, sondern müsse in Räumen erfolgen, die von der Betriebserlaubnis erfasst sind.
Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas informierte darüber, was Apotheken tun dürfen, wenn Lieferengpässe auftreten. Substitution, Rezeptur, Einzelimport oder ein Arzneimittel von anderen Apotheken zu beziehen sind Möglichkeiten, um die Probleme zu lösen, wobei der rechtliche Rahmen eingehalten werden muss. (DAZ 16, S. 45)
Reich an Diskussionen – die Wirtschaftsinterpharm
Wie können Apothekeninhaberinnen und -inhaber die Erträge in stürmischen Zeiten sichern? Wie gelingt der Sprung vom Pharmazeuten zum Unternehmer? Und können die Chancen der Digitalisierung genutzt werden? – Diese und noch mehr Fragen wurden bei der Wirtschaftsinterpharm geklärt. Durchs Programm führte Dr. Hubert Ortner, Chefredakteur des „AWA Apotheke und Wirtschaft“.
Höhepunkt der Veranstaltung: Die Podiumsdiskussion zum Apothekenhonorar. Es diskutierten der SPD-Apothekenexperte Dirk Heidenblut, Schleswig-Holsteins Kammerpräsident Kai Christiansen, die Politikwissenschaftlerin Cosima Bauer, der Apotheken-Wirtschaftsexperte Prof. Dr. Reinhard Herzog und Hubert Ortner. Zentral war die Frage, ob Apotheken durch eine Umverteilung stabilisiert werden können. Die Diskutanten waren unterschiedlicher Meinung. Prof. Herzog warnte vor den Schattenseiten einer Umverteilung. „Das wird sehr viel Unfrieden stiften“, glaubt er. Seiner Schätzung nach dürfte man am Ende etwa 1000 bis 2000 Apotheken in Deutschland identifizieren, die förderungsbedürftig sind. Um jeder dieser Apotheken etwa 100.000 Euro im Jahr extra zukommen zu lassen, brauche es insgesamt rund 100 bis 200 Millionen Euro. „Diesen Betrag sollte man schon irgendwie aus dem Gesamtetat herausschneiden können, ohne eine Verteilungsdiskussion innerhalb des Berufsstands anzufangen“, so Herzogs Einschätzung. Kammerpräsident Christiansen erklärte, dass es nicht einigen wenigen Apotheken schlecht geht und dem Rest gut, inzwischen schließen Apotheken überall sowohl auf dem Land als auch in der Stadt. Er pochte darauf, das Packungshonorar zunächst „durch die Bank weg“ zu erhöhen – denn mit diesem Honorar finanzierten Apotheken andere Leistungen, zum Beispiel die politisch gewollten Impfungen. Cosima Bauer gab zu bedenken, dass eine Erhöhung des Fixums „zwar ein bisschen, aber nicht so viel wie nötig“ bringt, wenn ein Betrieb in einer schwierigen Situation ist. (DAZ 17, S. 52)
Göttingen: zwischen Stahlträgern und Backsteinmauern
Anfang Mai reiste die gesamte DAZ-Redaktion in die Lokhalle nach Göttingen – ein einzigartiges Ambiente aus Stahlträgern und Backsteinmauern. Die Halle, einst eine Maschinenwerkstatt für Dampflokomotiven, bot genug Platz für die Messe sowie für vier Kongress-Bühnen: Im Fokus stand der pharmazeutische Kongress mit Themen zur Patienten-Kommunikation, den pharmazeutischen Dienstleistungen, Beratung und Rezeptur, Gründe für Lieferengpässe, neuen Arzneimitteln, personalisierter Medizin und Arzneimitteln aus dem 3D-Druck. Das Interpharm Forum ergänzte das umfangreiche Programm mit Fallbeispielen aus der Medikationsanalyse, einer Podiumsdiskussion zum Impfen, Beratungshinweisen zur Notfallpille und vielem mehr.
Eine eigene Kongressbühne hatte auch die PTAheute und PKAaktiv mit vielen Beratungsthemen. Außerdem gab es eine Clubwelt für die PTAheute-Mitglieder: Unter Sonnenschirmen auf Gartenstühlen konnte man es sich gemütlich machen, gemeinsam Cappuccino schlürfen und gebrannte Mandeln naschen.
Beim pharmazeutischen Kongress erklärte Apothekerin Dr. Katja Renner, wie es gelingt, das Team, Kunden und Ärzte für die pharmazeutischen Dienstleistungen zu gewinnen. Wichtig dabei ist, dass die Apothekenleitung als Vorbild vorangeht und das Signal gibt, pharmazeutische Dienstleistungen zu implementieren. Anschließend kann im Team besprochen werden, wer welche Rollen einnimmt. Um Kunden zu gewinnen, bewährt es sich, diese persönlich, aktiv anzusprechen. Auch um Ärzte mit ins Boot zu holen, sei das persönliche Gespräch das A und O und die Kommunikation Aufgabe der Apothekenleitung.
Den pharmazeutischen Dienstleistungen widmete sich auch AMTS-Koordinatorin Dr. Isabel Waltering. Die Apothekerin erklärte, wie man die pDL „Standardisierte Risikoerfassung hoher Blutdruck“ in der Apotheke umsetzen kann. Wichtig ist dabei schon die Auswahl des oder der Blutdruckmessgeräte. Für die Messung am Oberarm sollten Geräte mit Manschetten in verschiedenen Größen verwendet werden, denn ist die Manschette zu klein, wird der Blutdruck überschätzt, ist sie zu groß, wird er unterschätzt.
Wie man Arzneimittel- und Patientenversorgung bei Hitzewellen anpassen sollte, erklärte Apothekerin Dr. Verena Stahl. Bei Patienten, die Diuretika einnehmen, sollten Blutdruck, Gewicht und Urin überwacht und auf Zeichen von Austrocknung geachtet werden. Im Zweifelsfall sollte Flüssigkeit substituiert werden. Es kann angezeigt sein, die Diuretika-Dosis nach ärztlicher Anordnung vorübergehend zu reduzieren oder ganz auszusetzen.
Eine Party durfte nicht fehlen...
Nach all der Pharmazie, gab es zur Krönung der Interpharm in Göttingen eine Party. Mit Aperol, Bier, Wein oder einer Limo und allerlei leckeren Snacks ließ man den Freitag gemeinsam zu Ende gehen. Schon bald versammelten sich Apothekerinnen und Apotheker, PTA, PKA, Pharmaziestudenten sowie PTA- und PKA-Schüler und Schülerinnen auf der Tanzfläche und schwangen Arme und Beine bei Songs wie Macarena.
Über Arzneistoffe, die problematisch für die Umwelt sind, sprach Dr. Gerd Maack. Dazu zählt auch Diclofenac, dessen Umwelteintrag sich bei richtiger Indikation und Anwendung von Gelen mit dem Arzneistoff reduzieren lässt. Denn bei der topischen Anwendung werden nur 6% des Wirkstoffs über die Haut aufgenommen, der Rest landet wieder im Abwasser. Gleiches geschieht mit dem Gel, das nach dem Auftragen von den Händen abgewaschen wird. Eine simple und effektive Maßnahme ist es deshalb, die Hände nach dem Auftragen des Gels mit einem Papiertuch abzuwischen, das dann in den Restmüll (nicht in die Toilette) gegeben wird. Das Abwischen reduziert den Diclofenac-Gehalt im Wasser, das zum Händewaschen verwendet wird, um 66%.
Auch der Schwerpunkt Rezeptur kam nicht zu kurz. Apotheker Dr. Andreas S. Ziegler und Apothekerin Nadine Metzger lieferten zahlreiche praktische Tipps für pädiatrische Rezepturen im Apothekenalltag. Ziegler sensibilisierte die Zuhörer auf die Hilfsstoffe zu achten. Für die Wirkstoff-Eignungsprüfung kann dabei die Internetseite kinderformularium.de genutzt werden. Dort finden sich nicht nur zugelassene Dosierungsempfehlungen nach Alter, sondern auch Hinweise zu problematischen Hilfsstoffen. In einem weiteren Vortrag sprach Ziegler über Fallstricke bei Cannabis-Rezepturen.
Prof. Dr. Reinhard Herzog widmete sich den Fragen, welches Potenzial Zusatzverkäufe für Apotheken haben und ob man hier nicht eigentlich nur Zeit opfert, die man an anderer Stelle gewinnbringender verwenden könnte. Sein Fazit: Ein Sahnehäubchen – aber nicht die Rettung.
Einen Rückblick auf die 49 neuen Arzneimittel 2022 gaben Dr. Christian Ude, Inhaber der Stern-Apotheke in Darmstadt, und Dr. Mario Wurglics, Goethe-Universität Frankfurt/Main. Sie hoben unter anderem folgende Arzneimittel hervor: Daridorexant, Finerenon, Difelikefalin, das Birkenrindenextrakt Filsuvez, Sotorasib und Anifrolumab.
Prof. Dr. Julian Quodbach führte in einer „kleinen Tour de France“ durch die Technologien des 3D-Drucks, eine Möglichkeit die Medizin zu personalisieren und dadurch unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu reduzieren.
Dr. Werner Haußmann knüpfte an das Thema der individualisierten Pharmakotherapie an und erklärte, dass beispielsweise Tamoxifen bei Brustkrebs-Patientinnen nur dann eingesetzt werden darf, wenn vor Therapiebeginn getestet wurde, ob die Tumorzellen Estrogen- und Progesteron-Rezeptoren normal exprimieren. Haußmann erklärte „Wir müssen schauen, dass es nicht zu pharmakogenetischen Verlierern kommt!“, und sprach sich dafür aus, dass bereits vor der Einnahme eines Arzneimittels die Wirkung durch Testung der Aktivität von Stoffwechselenzymen vorhergesagt werden sollte. (DAZ 19, S. 38)
Safe the Date: Interpharm in Mannheim im April!
Haben Sie am 12. und 13. April 2024 schon etwas vor? Jetzt schon! Denn an diesen Tagen findet die Interpharm im Congress Center im Rosengarten in Mannheim statt. Seien Sie gespannt auf Themenräume zu Beratung & Praxis, Pharmazie & Wissenschaft sowie Apotheke & Trend. Außerdem erwartet Sie eine große Messe und natürlich ist auch für Catering und Kinderbetreuung gesorgt. Folgende Termine sollten Sie sich auch gleich im Kalender markieren, denn an diesen Tagen findet die Interpharm online statt:
- ApothekenRechtTag: 1. März 2024
- Apotheke & Wirtschaft: 2. März 2024
- Heimversorgung KOMPAKT: 8. März 2024
- Filialapothekentag: 9. März 2024
Mitarbeiter gewinnen, halten und motivieren
Weil der in den Medien so oft erwähnte „Fachkräftemangel“ auch längst die Apotheken erreicht hat, schloss die Interpharm 2023 mit der online Veranstaltung „Zukunft Personal“. Vorgestellt wurden unterschiedliche Strategien und Lösungsansätze, um Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten. DAZ-Herausgeber Dr. Benjamin Wessinger moderierte die Veranstaltung.
Apothekerin und Coach Anke Kock fokussierte auf das Stichwort Motivation und erklärte, dass eine motivierte Apothekenleitung Voraussetzung sei für ein motiviertes Team. Dabei seien vier Faktoren entscheidend: 1. Ein attraktives Ziel, 2. Vertrauen und Erfolg, 3. Monitoring der Fortschritte und 4. Strategien zum Umgang mit Rückschlägen.
Apothekerin Juliane Spans widmete sich der Frage, was sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter heute von ihrem Arbeitsplatz wünschen. Es sei entscheidend, auf Augenhöhe zu arbeiten, Mitarbeiter möchten selbst mitdenken und mitgestalten. In einer Diskussionsrunde mit Jessica Weber von der Martinus-Apotheke und Daniela von Nida von der Alten-Apotheke wurde daran anschließend erörtert, was man als Apothekeninhabern oder -inhaber tun kann, damit sich das Team wohl fühlt. Der Tipp: Man solle den Blick durch die Brille des Mitarbeiters richten und sich selbst fragen, ob man in seiner eigenen Apotheke gerne arbeiten würde. Apotheker Stefan Göbel erklärte, warum es sich lohnt, pharmazeutische Dienstleistungen anzubieten, für ihn sind nämlich diese der Schlüssel um Personal zu halten und dazuzugewinnen. Doch damit nicht genug, pharmazeutische Dienstleistungen verbessern laut Göbel die Kompetenz und Zufriedenheit des Teams und die Kommunikation mit den Ärzten. So profitieren eben nicht nur Patientinnen und Patienten von pDL sondern das ganze Team.
Einen Einblick, was andere Apotheken machen, um Personal zu gewinnen, gab DAZ-Herausgeber Peter Ditzel, der für seine Reportagen schon viele Apotheken besucht hat.
Tipps was zu tun ist, falls es im Team mal „knirscht“, gab Rechtsanwältin Minou Hansen und betonte, dass es keine gute Strategie ist, Konflikte zu ignorieren und darauf zu hoffen, dass sie sich von selbst auflösen. „Dicke Luft“ kann sogar wirtschaftliche Folgen haben, denn es gehe zu viel Zeit drauf die für wichtigeres benötigt wird. Der Kunde spüre die schlechte Stimmung, und im schlechtesten Fall wandert das knappe Personal ab. (DAZ 22, S. 50) |
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