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Epigenetik
Stress gräbt sich in die Gene
Bei Mäusen, die nach der Geburt kurz von ihrer Mutter getrennt werden, verändert sich die Regulierung bestimmter Gene, wie Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in einer neuen Studie gezeigt haben.
Infolgedessen bilden die Mäuse vermehrt Stresshormone und können mit belastenden Situationen schwerer umgehen. Die neuen Erkenntnisse dokumentieren, wie Umweltfaktoren auf unsere Gene einwirken und eröffnen ein besseres Verständnis für die Entwicklung von stressbedingten Erkrankungen wie der Depression.
Wie Gene und Umwelteinflüsse in Wechselwirkung treten, wird in der Epigenetik erforscht. Erworbene Informationen liefern die Gebrauchsanweisung, wie das Erbgut genutzt wird. Die Regulierung von Genen ist oft entscheidender als ihre bloße Ausstattung. Methylgruppen spielen dabei als Signalflaggen auf den DNA-Strängen eine wichtige Rolle. Sie ermöglichen das Andocken von Eiweißstoffen an die DNA. Im Zusammenspiel mit diesen methylbindenden Proteinen schalten sie Gensequenzen dauerhaft aus. Das Entscheidende: Die Markierungen bleiben stabil, selbst wenn sich die Zelle teilt, sie werden von der Mutterzelle an die Tochterzellen weitergegeben. Gleichzeitig können sie sich durch einschneidende Erlebnisse im Laufe des Lebens verändern, wie auch die neue Studie zeigt.
Dass Belastungen in der frühen Kindheit das Risiko erhöhen, an schweren Depressionen und Angststörungen zu erkranken, ist seit langer Zeit auch beim Menschen bekannt. Der molekulare Mechanismus dahinter war allerdings bisher ungeklärt. Die Forscher zeigen nun in ihrer neuen Studie an Mäusen, wie Stress dauerhafte Veränderungen der Erbsubstanz hervorrufen kann. Traumatisierte Tiere können sich ihr Leben lang nur schlecht an anstrengende Situationen anpassen, Gedächtnis, Antrieb und Emotion sind gestört. Die Stresshormone sind erhöht, weil in ihrem Gehirn das Eiweißmolekül Vasopressin in zu großer Menge produziert wird. Vasopressin ist ein Schlüsselfaktor für die Steuerung von Stresshormonen, Gedächtnis, Emotion und Sozialverhalten.
Auf der Suche nach dem Auslöser für diese Überproduktion von Vasopressin stießen die Wissenschaftler bei DNA-Analysen auf einen Genabschnitt, dessen Modifizierung durch Methylgruppen die Aktivierung des Vasopressin-Gens hemmt. Dieser Aus-Schalter fehlt in den nachgeburtlich gestressten Mäusen und führt zu einer lebenslangen Überproduktion des Botenstoffes. Während der Trennung von ihren Müttern war in den Mäusen die Gehirnregion des Hypothalamus übermäßig aktiv, welche für die Stressbewältigung wichtig ist. Diese erhöhte Aktivität führte zu den Modifizierungen der Erbsubstanz in deren Folge das Gen für Vasopressin nun häufiger abgelesen wurde. Die belastende Erfahrung während der wichtigen Entwicklungsphase hatte sich langfristig in ihrer Erbsubstanz festgeschrieben.
Quelle: Murgatroyd, C. et al.: Nature Neurosci., Online-Vorabpublikation, DOI: 10.1038/nn.2436
München - 17.11.2009, 07:01 Uhr