Nikotinersatztherapie auf Kassenkosten

BAH: Politische Chance jetzt nutzen

Berlin - 22.10.2010, 10:26 Uhr


Das AMNOG erhält dieser Tage seinen letzten Schliff. Beim Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) hat man nur noch ein Fünkchen Hoffnung, der Gesetzgeber könnte

Rauchen ist bekanntlich einer der bedeutendsten Risikofaktoren für zahlreiche Erkrankungen. Viele Raucher sind durchaus gewillt, ihr Laster hinter sich zu lassen, schaffen es ohne Unterstützung jedoch nicht. Schon lange setzt sich der BAH dafür ein, dass die Kosten für Nikotinpflaster und -kaugummis von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Der Verband hat dabei gute Argumente auf seiner Seite. Den Nutzen dieser Präparate bezweifelt kaum jemand. Selbst das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) führt in seinen Patienten-Gesundheitsinformationen aus, dass die NET die Chancen für Raucher erhöht, über einen längeren Zeitraum rauchfrei zu bleiben. Es verweist auf eine Auswertung von mehr als 130 Studien mit über 40.000 Rauchern, die die Cochrane Collaboration ausgewertet hat. Ihr Ergebnis: Nikotinersatzpräparate können vor allem Rauchern helfen, die mehr als zehn Zigaretten pro Tag rauchen. Auch der Gemeinsame Bundesausschuss steht einem Erstattungsanspruch offen gegenüber. In anderen Ländern – etwa dem Vereinigten Königreich – hat man ebenfalls kein Problem mit der Kostenübernahme für diese Präparate.

Beim BAH ist man daher der Ansicht, dass man im Rahmen des AMNOG die politische Chance für eine Regelung im Sinne von Patienten und Solidargemeinschaft nicht auslassen sollte. Der Verband forderte in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf, besagte Präparate zur Raucherentwöhnung bei Patienten mit definierten Vorerkrankungen erstattungsfähig zu machen. Hierzu wäre eine entsprechende Ausnahmemöglichkeit im Rahmen der sog. Lifestyle-Regelung des § 34 Abs. 1 SGB V einzufügen, unter die gegenwärtig auch Mittel zur Raucherentwöhnung fallen. Da die Präparate überwiegend rezeptfrei sind, müsste parallel dazu eine entsprechende Position auf der OTC-Ausnahmeliste eingefügt werden.

Das Argument der Politik, eine solche Änderung führe zu Mehrausgaben in der GKV, verärgert die BAH-Vertreter. Selbst nach einem konservativen Rechenansatz erweise sich die NET als kosteneffektiv, kontern sie. Ließen sich Folgeerkrankungen vermeiden, könnten bereits über einen Zeithorizont von zwei bis drei Jahren Einsparungen erreicht werden, die die Kosten der Erstattung kompensieren und sogar zu zusätzlichen Entlastungen für die Solidargemeinschaft führen, so der BAH. Mehr als 22 Mio. Euro jährlich würde die GKV die ausnahmsweise Erstattung nicht kosten. Und dies wären nach BAH-Berechnungen 0,085 Prozent der GKV-Arzneimittelausgaben. Einen weiteren Vergleich hat der Verband parat: für Lipidsenker, die – ebenso wie die Rauchentwöhnung – unter anderem der Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen dient, beläuft sich auf rund eine Milliarde Euro jährlich.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Jens Spahn (CDU), hatte den BAH-Vorschlag zunächst aufgegriffen und ihn sogar zum Thema in der öffentlichen Anhörung zum AMNOG gemacht. Dennoch: Bislang liegt kein konkreter Änderungsantrag der Fraktionen vor. Noch hat der BAH nicht ganz aufgegeben, dass sich dies bis zur abschließenden Sitzung des Gesundheitsausschusses am 9. November ändern wird.


Kirsten Sucker-Sket