EU-Kommission

Razzia in der Pharmabranche

Brüssel - 06.12.2010, 10:52 Uhr


EU-Ermittler haben erneut Geschäftsräume europäischer Pharmahersteller durchsucht. Die Brüsseler Kartellwächter verdächtigen die Unternehmen, alleine oder gemeinsam die Einführung von Generika zu verzögern, um Umsatzeinbußen abzuwenden.

Die Durchsuchungen hatten bereits am 30. November stattgefunden, bestätigte die EU-Kommission am 3. Dezember. Namen der betroffenen Unternehmen nannte die Kommission am Freitag nicht. Der schwedische-britische Pharmahersteller AstraZeneca räumte aber ein, dass Ermittlungen liefen. Es werde mit den Behörden zusammengearbeitet. Auch zwei deutsche Standorte des Pharmaunternehmens Nycomed mit Sitz in Zürich wurden durchsucht.

Vor einem guten Jahr hatte die Kommission schon bereits derartige Inspektionen bei Pharmaunternehmen durchführen lassen. Schon seit längerem wirft die Behörde ein scharfes Auge auf Originalhersteller, die möglicherweise den Markteintritt von Generika verzögern. Im Januar dieses Jahres hatte die Kommission mehrere Pharmakonzerne in Europa aufgefordert, Kopien ihrer Patentverträge einzusenden. Falls die Kommission konkrete Hinweise auf Verstöße gegen die Wettbewerbsregeln hat, kann sie gegen die Unternehmen Verfahren wegen verbotener Absprachen oder Ausnutzens einer marktbeherrschenden Stellung eröffnen. Am Ende solcher Verfahren drohen Bußgelder von bis zu zehn Prozent eines Jahresumsatzes.


AstraZeneca bestätigte, dass es bei den Ermittlungen um sein Magenmittel Nexium in Europa geht. Für das Unternehmen ist dies ein großer Umsatzbringer, zuletzt waren es jährlich fünf Milliarden Dollar. Der Patentschutz für Nexium ist in einigen Ländern ausgelaufen und hat Konkurrenten auf den Plan gerufen, die Nachahmerprodukte billiger auf den Markt bringen.

Nycomed bestätigte der dpa EU-Untersuchungen an zwei seiner deutschen Standorte. „Wir kooperieren im vollen Umfang mit den Behörden“, sagte ein Sprecher. Weitere Einzelheiten wollte er wegen des schwebenden Verfahrens nicht nennen. Nach dpa-Informationen handelt es sich um die Standorte Konstanz und Singen (Kreis Konstanz).

AstraZeneca hatten die Kartellwächter schon mal im Visier. Der Pharmariese musste 52,5 Millionen Euro EU-Bußgeld bezahlen, weil er von 1993 bis 2000 die Wettbewerbsregeln verletzt hatte. Das Unternehmen habe mit unrichtigen Angaben bei den Aufsichtsbehörden einen längeren Patentschutz für das Magengeschwürmittel Losec erreicht und so billigere Nachahmerprodukte auch in Deutschland blockiert, hieß es damals.

Der größte deutsche Arzneimittelhersteller Bayer ist nach eigenen Angaben nicht von den aktuellen Ermittlungen betroffen. Auch andere große Hersteller wie Schwarz Pharma, Merck, Boehringer Ingelheim und Sanofi-Aventis erklärten, es habe bei ihnen keine Durchsuchungen gegeben.


dpa/Kirsten Sucker-Sket