Stammzelltransplantationen

ATP-Blockade verhindert Abwehrreaktion

Freiburg - 16.12.2010, 06:51 Uhr


Freiburger Wissenschaftler haben Immunreaktionen nach Stammzelltransplantation untersucht und dabei Erkenntnisse gewonnen, die den Erfolg dieser Therapiemöglichkeit bei

Wenn Herz- oder Nierenkranke ein fremdes Organ erhalten, kommt es oft zu Abstoßungsreaktionen, weil die körpereigene Immunabwehr das transplantierte Gewebe bekämpft. Bei der Transplantation von Stammzellen aus dem Knochenmark eines Spenders (allogene Transplantationen) ist es genau umgekehrt: Nach der Transplantation entstehen weiße Blutkörperchen, die das Gewebe und die Organe des Empfängers als fremd erkennen – und angreifen. Oder anders gesagt: Das Transplantat wendet sich gegen den Wirt, auf Englisch wird dieser Vorgang als Graft versus host disease bezeichnet (GvHD).

Diese Reaktion tritt besonders häufig nach Transplantationen fremder Knochenmarkstammzellen auf. Die Zellen des Spenders bekämpfen insbesondere Haut-, Leber- und Darmgewebe und schädigen das Gewebe schwer.

Weil die GvHD bei allogenen Knochenmarktransplantationen ein beträchtliches Gesundheitsrisiko darstellt, schränkt sie bislang deren breitere Anwendung ein. Das könnte sich möglicherweise ändern, denn Freiburger Wissenschaftler haben jetzt gemeinsam mit Forschern der Universitäten Würzburg, Ferrara (Italien) und Stanford (USA) einige grundlegende Mechanismen der GvHD aufgeklärt und erforscht, wie sich deren Entstehung verhindern lassen kann: Dadurch könnte sich die Prognose von Patientinnen und Patienten mit Leukämie deutlich verbessern, denn bisher wurde die Abstoßungsreaktion mit Immunsuppressiva behandelt. Dadurch steigt das Risiko, dass die Leukämie erneut aufflammt, außerdem sind die Patienten anfälliger für Infektionen.

Die Freiburger Forscher haben nun nachgewiesen, dass bei Patienten mit GvHD Adenosintriphosphat (ATP) außerhalb der Körperzellen freigesetzt wird, das normalerweise in dieser Konzentration nur innerhalb der Zellen vorkommt. Wenn ATP, das eigentlich die Körperzellen mit Energie versorgt, in den Zellzwischenräumen in der Bauchhöhle nachgewiesen werden kann, ist das ein Warnhinweis für eine GvHD.

Die Forscher konnten diese Beobachtung therapeutisch nutzen: Bei Mäusen verbesserte die pharmakologische Blockade des Purinrezeptors P2X7R, der ATP bindet und eine wichtige Rolle bei Entzündungsreaktionen spielt, das Überleben signifikant; auch der Krankheitsschweregrad in Darm und Leber verringerte sich deutlich.

Die Daten aus dem Mausmodell und die Untersuchungen bei Patienten haben nicht nur eine große Bedeutung für Leukämiekranke, sondern möglicherweise auch für die gesamte Transplantationsmedizin. Durch die pharmakologische Unterbrechung von Alarmsignalen wie ATP können unkontrollierte Reaktionen des Immunsystems möglicherweise besser behandelt werden. Das trifft auf GvHD zu, möglicherweise aber auch auf Transplantatabstoßung oder Sepsis.

Quelle: Wilhelm, K. et al.: Nature Med. 2010, Online-Publikation, DOI:10.1038/nm.2242.



Dr. Bettina Hellwig


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