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Zuzahlungen und Praxisgebühr
Wenig handfeste Daten
Die Linksfraktion im Bundestag will die Praxisgebühr und andere Zuzahlungen im Gesundheitssystem wieder abschaffen. Ein entsprechender Antrag stand gestern im Gesundheitsausschuss des Bundestages zur Diskussion. Insbesondere Krankenkassen und Arbeitgebern zeigten sich der Idee wenig zugetan.
Die Linke begründet ihr Anliegen damit, dass derartige Zuzahlungen „zutiefst unsozial“ seien. Zudem sei der von der CDU/CSU, SPD und den Grünen bei der Einführung 2004 erwünschte Steuerungseffekt, Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse nicht übermäßig in Anspruch zu nehmen, nicht erreicht worden. Oftmals könnten oder wollten Patienten sich die Behandlung nicht leisten. Zur Gegenfinanzierung fordert die Linksfraktion, die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung auf das Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung anzuheben.
Bei der Anhörung zeigte sich, dass empirische Daten zu den Auswirkungen von Patienten-Zuzahlungen in Deutschland Fehlanzeige sind. Allerdings sei in „der ökonomischen Theorie die Nachfrage senkende Wirkung von Zuzahlungen schlüssig beschrieben“, heißt es in einer Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes. Ein GKV-Vertreter machte deutlich, dass die Krankenversicherungen ihre Leistungen „im Spannungsfeld zwischen Solidarität und Eigenverantwortung“ erbrächten. Auf die rund 5 Millionen Euro, die die Zuzahlungen den Kassen jährlich einbringen, möchten diese ungern verzichten. Würden die Zuzahlungen komplett gestrichen, würde sich der Höchstbeitragssatz der GKV-Mitglieder von derzeit 575 Euro im Monat auf 852 Euro erhöhen, argumentieren sie. Daran gekoppelt würde auch der Satz für die Pflegeversicherung steigen.
Auch der Bundesverband Deutscher Arbeitgeber – BDA – lehnte das Ansinnen der Linken strikt ab: „Das ist eine Überstrapazierung des Solidarprinzips.“ Wenn eine Veränderung der Selbstbeteiligung beschlossen werden soll, dann „nur nach oben“. Zudem machte der BDA deutlich, dass der Anteil der Selbstzahlungen mit 2,5 Prozent ohnehin unter dem OECD-Durchschnitt von drei Prozent gemessen an den Konsumausgaben privater Haushalte liege.
Der Einzelsachverständige Jens Holst stand dagegen auf Seiten der Antragsteller: Studien aus dem europäischen Ausland machten deutlich, dass Zuzahlungen für die gesetzlichen Krankenkassen sogar „negative, unerwünschte Effekte“ hätten: Patienten gingen nicht zum Arzt und Krankheitsverläufe würden komplizierter. So würden die Kosten für die Kassen am Ende sogar steigen. Ferner wies er darauf hin, dass gerade chronisch Kranke vor permanenten Zuzahlungen zurückschreckten. Holst: „Zuzahlungen verringern die Therapietreue.“
Die verschiedenen Sozialverbände, wie der Bundesverband der Volkssolidarität und der Sozialverband VDK Deutschland unterstützen ebenfalls den Antrag der Linksfraktion und betonen den ihrer Meinung nach unsozialen Charakter von Zuzahlungen.
Berlin - 14.04.2011, 15:09 Uhr