Epidermolysis Bullosa

Wenn der Kitt zwischen den Hautzellen fehlt

Berlin - 16.07.2011, 09:45 Uhr


Selbst sanfte Berührungen sind für Patienten, die an der „Schmetterlingskrankheit“ leiden, der genetisch bedingten Hautkrankheit Epidermolysis Bullosa, äußerst schmerzhaft. Jetzt haben Forscher vom Max-Delbrück-Centrum (MDC) in Berlin-Buch die Ursachen dafür entdeckt.

Aufgrund eines genetischen Defekts können die Betroffenen das Strukturmolekül der Haut Laminin-332 nicht bilden, das bei Gesunden die Weiterleitung von Berührungsreizen und die Verzweigung von Nervenzellen hemmt. Dadurch nehmen die Patienten offenbar Berührungen stärker wahr und empfinden sie als schmerzhaft, folgern die MDC-Forscher.

Kleinste Berührungen fühlen sich an wie Nadelstiche, der Körper ist von Blasen übersät, die Haut an vielen Stellen entzündet. Patienten mit Epidermolysis Bullosa – auch Schmetterlingskrankheit genannt, weil die Haut der Betroffenen so empfindlich ist, wie die Flügel von Schmetterlingen – haben große Schmerzen und kaum eine Chance, ein normales Leben zu führen. Selbst Laufen wird durch den Druck auf die Fußsohlen zur Qual.

Durch einen genetischen Defekt löst sich bei den Patienten die obere Hautschicht (Epidermis) von der darunterliegenden Lederhaut (Dermis) ab, und es bilden sich Blasen (Bullosa). Den Betroffenen fehlt das Strukturmolekül Laminin-332, das sich normalerweise zwischen den Hautzellen in der extrazellulären Matrix, befindet und wie eine Art Zellkitt die beiden Hautschichten miteinander verbindet. Nach den neuesten Ergebnissen der MDC-Forscher übernimmt Laminin-332 bei Gesunden noch weitere wichtige Funktionen: Es hemmt die Reizweiterleitung und Verzweigung der sensorischen Nervenzellen, die in der Haut Berührungsreize wahrnehmen.

Sensorische Nervenzellen besitzen an ihren Enden so genannte mechanosensitive Ionenkanäle. Bei einer Berührung wird über den Druck auf die extrazelluläre Matrix ein Zugmechanismus an den Ionenkanälen betätigt, wodurch sich die Kanäle öffnen und die geladenen Teilchen hindurchfließen. Auf diese Weise wird die Nervenzelle erregt und der Reiz wahrgenommen.

In Versuchen mit Zellkulturen stellten die MDC-Forscher fest, dass ein Berührungsreiz bei allen Nervenzellen, die nicht von Laminin-332 umgeben sind, Ionenströme auslöst. Bei Nervenzellen mit Laminin-332 traten wesentlich weniger Ionenströme auf. Laminin-332 setzt offensichtlich den Zugmechanismus zur Öffnung der Ionenkanäle größtenteils außer Kraft und hemmt auf diese Weise die Reizweiterleitung. Weil Patienten mit Epidermolysis Bullosa Laminin-332 fehlt, ist bei ihnen die Reizweiterleitung ungebremst. Ihre sensorischen Nervenzellen werden um ein Vielfaches stärker erregt, was dazu führt, dass sie wesentlich empfindlicher auf mechanische Reize reagieren, so die Forscher.

Im Hautgewebe von Patienten mit Epidermolysis Bullosa fanden die MDC-Forscher zudem ein weitaus verzweigteres Netz von Nervenzellen als in der Haut gesunder Menschen. Aus Versuchen mit Zellkulturen ist bekannt, dass Laminin-332 das Verzweigen von Nervenzellen hemmt. Ohne Laminin-332 sei diese Hemmung nicht gegeben, meinten die Forscher. Vermutlich trage auch dieser Effekt zu der verstärkten Wahrnehmung von Berührungsreizen bei.

Literatur: Chiang, L.-Y.,  et al.: Nature Neurosci. 2011, Online-Vorabpublikation DOI:10.1038/nn.2873.


Dr. Bettina Hellwig


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