Arzneiverordnungs-Report 2011

Das AMNOG zeigt erste Bremsspuren

Berlin - 14.09.2011, 14:18 Uhr


Der diesjährige Arzneiverordnungs-Report (AVR) steht vor einer ungewohnten Situation: Die GKV-Arzneimittelausgaben sind 2010 um lediglich ein Prozent gestiegen. Erstmals seit vielen Jahren war der Anteil der Arzneimittel an den GKV-Gesamtausgaben rückläufig. Doch das heißt nicht, dass die AVR-Autoren nicht weiterhin milliardenschwere Einsparpotenziale im Arzneimittelbereich schlummern sehen.

Die bereits 2010 zu beobachtende rückläufige Entwicklung, die sich in diesem Jahr fortsetzt, ist bekanntlich vor allem auf den erhöhten Zwangsrabatt für neue Arzneimittel und das Preismoratorium zurückzuführen. Aber auch weitere Preisrückgänge bei Generika spielten eine Rolle, so AVR-Mitherausgeber Prof. Dr. Ulrich Schwabe, ebenso die Rabattverträge der Krankenkassen. Er verwies allerdings darauf, dass die auf 1,3 Mrd. Euro bezifferten Rabattgewinne noch immer unter dem eigentlichen Generikaeinsparpotenzial liegen: Würde stets das günstige Generikum abgegeben, könnten laut AVR 1,6 Mrd. Euro gespart werden.

Es sind aber vor allem die Ausgaben der Kassen für patentgeschützte Arzneimittel, die den AVR-Autoren weiterhin viel zu hoch sind. Seit 1993 sind die Umsätze dieser Präparate von 1,7 Mrd. auf 14,2 Mrd. Euro angestiegen – sie machen jetzt 48 Prozent des Arzneimittelumsatzes aus. Mit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) sei zwar ein erster Schritt zur Preiskontrolle gegangen, sagte Schwabe. Doch eine schnelle Wirkung verspricht er sich nicht.

Er vergleicht lieber mit Großbritannien. Hier besteht ein staatliches Gesundheitssystem, Mehrwertsteuer auf Arzneimittel wird nicht erhoben. Der AVR nimmt die Preise der zehn in Deutschland umsatzstärksten patentgeschützten Arzneimittel unter die Lupe. Grundlage sind dabei der deutsche Apothekenverkaufspreis ohne Mehrwertsteuer sowie der britische Drug Tariff. Das Ergebnis: Das Top-Umsatzarzneimittel Humira (6 Pen mit 40 mg) kostet in Deutschland 82,4 Prozent mehr als in Großbritannien (4.393,24 Euro vs. 2.408,02 Euro). Damit, so Schwabe, ergebe sich allein für Humira ein mehrwertsteuerfreies Einsparpotenzial von 187 Mio. Euro. In einer ganz ähnlichen Größenordnung liegt das Potenzial beim zweitplatzierten Enbrel (12 Fertigpen). Rechnet man die mögliche Einsparsumme für alle zehn führenden Patentarzneien zusammen, so käme man laut Schwabe auf 977 Mio. Euro.

Für den AVR-Herausgeber ist daher besonders wichtig, dass der Gemeinsame Bundesausschuss auch für bereits im Verkehr befindliche Arzneimittel eine Nutzenbewertung vornehmen lässt. Auch diese dient dann als Grundlage für die Verhandlung von Erstattungspreisen. Selbst wenn zunächst nur der Nutzen der zehn führenden patentgeschützten Arzneimittel bewertet würde und alle diese Präparate einen Zusatznutzen hätten, wären auf Basis der britischen Preise Einsparungen von einer Mrd. Euro zu erzielen.

Schwabe rechnet noch mehr vor. Nimmt man nationale wie internationale Einsparpotenziale in allen Arzneimittelsegmenten zusammen, zieht von diesen wiederum die bereits durch gesetzliche wie vertragliche Rabatte geleisteten Einsparungen ab, so kommt er ingesamt auf ein „reales Einsparpotenzial“ von 8,1 Mrd. Euro. Schwabe: „Damit könnten 27 Prozent des Fertigarzneimittelumsatzes in Höhe von 29,7 Mrd. Euro eingespart werden."


Kirsten Sucker-Sket