Meinung

QM-System – nur für Apotheken mit Defektur

Stuttgart - 03.11.2011, 08:01 Uhr


Der Entwurf zur Apothekenbetriebsordnung enthält im neuen § 2a eine Verpflichtung zur Einführung eines Qualitätsmanagementsystems (QM-System). § 2a Absatz 1 Satz 1 lautet: „Die Apotheke muss über ein funktionierendes Qualitätsmanagementsystem (QM-System) verfügen, soweit Defekturarzneimittel hergestellt werden.“

Defekturarzneimittel sind nach dem neuen § 1a Ziffer 9 „Arzneimittel, die im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs im Voraus entweder in bis zu hundert abgabefertigen Packungen oder in einer diesen entsprechenden Menge an einem Tag hergestellt oder die durch maschinelle Verfahren neu verpackt werden.“

Die Einschränkung des QM-Systems auf Apotheken mit Defektur ist angesichts der langjährigen Diskussion über QM-Systeme bemerkenswert. Offenbar sieht der Verordnungsgeber das QM-System in Apotheken nur als Instrument zur Qualitätssicherung in der Herstellung.

Diverse Erwähnungen des QM-Systems im Verordnungsentwurf untermauern diese These. Von einem QM-System im Zusammenhang mit der Beratung von Patienten ist dort keine Rede. Dies wirft die für die Praxis bedeutende Frage auf, welche Bereiche der Apothekentätigkeit ein QM-System umfassen muss. Wenn die Verpflichtung allein von der Defekturtätigkeit abhängt, dürften konsequenterweise auch nur Aspekte der Herstellung zwingend enthalten sein. Denn die Beratung bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln unterscheidet sich nicht in Apotheken mit oder ohne Defektur. Warum sollte dann eine Apotheke mit Defektur zu besonderen qualitätssichernden Maßnahmen bei der Abgabe oder Beratung verpflichtet werden, die für andere Apotheken nicht gelten?

QM-Regeln für die Herstellung

In der Begründung der Verordnung heißt es dazu: „Grundlage des QM-Systems ist die schriftliche Festlegung der qualitätsbestimmenden Vorgänge und der Nachweis ihrer Einhaltung. Die genannten Tätigkeiten, einschließlich der für diese Tätigkeiten erforderlichen Räume, Ausrüstungen und Personalschulungen sind in das QM-System einzubeziehen.“ Im neuen § 1a werden in den Begriffsbestimmungen die relevanten Begriffe für das QM-System definiert. Dies sind „Inprozesskontrollen“, „kritische Ausrüstungsgegenstände oder Geräte“, die „Kalibrierung“, die „Qualifizierung“ und die „Validierung“. Dabei ist der Bezug zur Herstellung unverkennbar. Die Inprozesskontrolle soll darauf zielen, dass „das Arzneimittel die erwartete Qualität aufweist“. Kritische Ausrüstungsgegenstände oder Geräte sind „solche, die mit den Ausgangsstoffen oder Arzneimitteln in Berührung kommen oder einen anderen wesentlichen Einfluss auf die Qualität oder Sicherheit dieser Produkte haben können“. Auch bei der Qualifizierung werden die Eigenschaften eines spezifischen Ausrüstungsgegenstandes hervorgehoben.

Dass es beim QM-System um die Herstellung geht, wird auch bei den weiteren Erwähnungen des QM-Systems im Verordnungsentwurf deutlich. So darf gemäß § 3 Absatz 5a die Herstellung und Prüfung von Arzneimitteln, für die ein QM-System erforderlich ist, auch durch nichtpharmazeutisches Personal erfolgen, soweit dies entsprechend qualifiziert ist und weitere Bedingungen erfüllt sind. Der Verordnungsentwurf orientiert sich damit an industriellen Arbeitsweisen und den bisherigen Regeln für die Großherstellung.

Außerdem wird das QM-System im Zusammenhang mit der patientenindividuellen Verblisterung gemäß § 34 und bei der patientenindividuellen parenteralen Arzneimittelherstellung gemäß § 35 genannt. Die letztgenannte Neuerung bewirkt, dass die Herstellung parenteraler Arzneimittel – nicht nur Zytostatika – nun nicht mehr zu den Standardaufgaben jeder Apotheke gehört. Dies kann als ein weiterer Schritt hin zur Einführung von mehreren Apothekenklassen verstanden werden und ist im Zusammenhang mit der Herstellung näher zu betrachten. Zum Thema QM-System bleibt festzuhalten, dass das QM-System auch hier wieder als Aspekt der Herstellung betrachtet wird.

Kein QM für die Beratung

Zur Bedeutung eines QM-Systems für die Beratung finden sich dagegen im Verordnungsentwurf keine Anhaltspunkte. Dies legt den Schluss nahe, dass sich ein QM-System im Sinne dieses Verordnungsentwurfes nur auf die Herstellung, Prüfung und die diesbezüglichen Rahmenbedingungen beziehen muss. Viele Pflichtinhalte gemäß der ABDA-Mustersatzung wären davon nicht erfasst. Eine Einschränkung auf die Herstellung steht in Konflikt mit dem Systemgedanken, der schon in der Bezeichnung QM-System steckt. Denn zum Anspruch eines Systems gehört die komplette Betrachtung vom Wareneingang bis zur Beratung. Da auch Defekturarzneimittel irgendwann an den Kunden abgegeben werden, sollte auch die dazugehörige Beratung im QM-System erfasst werden. Dann wäre aber auch die Beratung bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln im QM-System zu beschreiben. Doch offenbar folgt der Verordnungsgeber dieser Logik nicht und schreibt als Pflicht nur ein Herstellungs-QM-System für Apotheken mit Defektur vor. Weitere Inhalte als Kür zu berücksichtigen, bleibt den Apothekern selbstverständlich freigestellt. Allerdings könnte die Trennung als politisches Signal wirken, dass ein QM-System außerhalb der Herstellung weniger wichtig sei, und damit die Bemühungen um die Qualitätssicherung in der Beratung konterkarieren.

QM-System mit vielen Freiheiten

Das verpflichtende QM-System ist damit inhaltlich durchaus überschaubar, zumindest wenn es nur um die Defektur und nicht um die Verblisterung oder die Parenteralia-Herstellung geht. Zudem wird in der Begründung zu § 2a klargestellt, dass eine Zertifizierung des QM-Systems nicht gefordert wird. Dies entspricht der Regelung für das Qualitätsmanagement in anderen Gesundheitsberufen und bei anderen Arzneimittelherstellern und ist daher konsequent. Auch zu einer zugrundeliegenden Norm gibt es keine Vorgaben. Es besteht demnach keine Verpflichtung, sich an den ISO-Normen zu orientieren. Die genannten Inhalte können auch mit weniger formalem Aufwand und in Einklang mit den Leitlinien der Bundesapothekerkammer beschrieben werden. Inhaltlich vorgeschrieben sind gemäß § 2a Absatz 2 regelmäßige Selbstinspektionen und Maßnahmen zur externen Qualitätsprüfung. Das bedeutet in der Praxis, dass die Defektur-Apotheken künftig an geeigneten Ringversuchen teilnehmen müssen. Die Selbstinspektion, im Qualitätsmanagement üblicherweise als internes Audit bezeichnet, kann als Selbstverständlichkeit für jedes QM-System betrachtet werden. Dies gilt auch für die Regelung in § 2a Absatz 3, wonach die Selbst­inspektion und die daraufhin ­ergriffenen Maßnahmen dokumentiert werden müssen. So bleibt festzuhalten, dass der ­Verordnungsgeber dem Apothekenleiter weitgehende Freiheiten bei der Gestaltung seines QM-Systems gewährt und nur wenige Mindestinhalte vorschreibt. Neue Belastungen ergeben sich dagegen aus zusätzlichen inhaltlichen Anforderungen an die Herstellung.

Mehr-Klassen-Apotheken

In der Gesamtbetrachtung dürfte zumindest die Vorschrift zur Einführung eines QM-Systems nicht zu einem wesentlichen Hindernis bei der Entscheidung für die Defekturtätigkeit werden. Da die Defektur einen wesentlichen Beitrag dazu leisten kann, die finanzielle Unterdeckung der Rezeptur abzumildern, dürfte durchaus ein Anreiz bestehen, Apotheken künftig als Defektur-Apotheken zu betreiben. Andererseits führen neue Anforderungen an die Herstellung insgesamt auch zu neuen finanziellen Belastungen, sodass nur schwer vorherzusehen ist, wie viele Apotheken sich bei einer Umsetzung der neuen Regelung für die Defektur entscheiden würden. Umso erstaunlicher mutet daher die Prognose an, die der Verordnungsgeber in der Begründung abgibt. Demnach wird erwartet, dass etwa 5 Prozent der Apotheken mit Rezeptur künftig auch Defekturen herstellen würden. Erwartet werden 895 Apotheken mit Defektur und dementsprechend 895 Apotheken mit Pflicht-QM-System. So wird die Option, auf die Defektur zu verzichten, zu einem weiteren Aspekt, mit dem der Verordnungsentwurf Apotheken unterschiedlicher Klassen unterscheidet. Es würde dann Apotheken mit und ohne Defektur und damit auch mit und ohne Pflicht-QM-System geben. 


Dr. Thomas Müller-Bohn


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