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Kompromiss zur Pflege
Opposition: Noch nicht einmal ein „Pflegereförmchen“
Die gestern von der christlich-liberalen Regierungskoalition beschlossenen Änderungen in der sozialen Pflegeversicherung stoßen auf Kritik. Seitens der Kassen sieht man zumindest noch den einen oder anderen positiven Aspekt – die Oppositionsfraktionen monieren, dass der Koalition nicht einmal ein „Pflegereförmchen“ gelungen sei.
Tatsächlich hatte sich der damalige Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler zu Jahresbeginn weit aus dem Fenster gelehnt, als er 2011 zum Jahr der Pflege erklärte. Die Arbeiten an der Reform gerieten alsbald ins Stocken. Angesichts der Tatsache, dass Schwarz-Gelb die Bundesbürger in den letzten Monaten kaum mit Geschlossenheit und gerader Linie überzeugen konnte, musste nun Tatkraft an den Tag gelegt werden.
Herausgekommen ist dabei gestern Abend ein noch nicht gänzlich ausformulierter Pflegekompromiss: Um 0,1 Prozentpunkte soll der Pflegebeitrag steigen. Dafür sollen die Leistungen für Demenzkranke verbessert werden. Statt eines Kapitalstocks für alle solle es eine Art „Riester-Pflege“ geben – weitere Vorsorge bleibt also privat, es gibt aber staatliche Unterstützung.
Gernot Kiefer vom Vorstand des GKV-Spitzenverbandes, der auch Spitzenverband aller Pflegekassen in Deutschland ist, erklärte, es sei richtig, dass die Leistungen der Pflegeversicherung für demenziell Erkrankte verbessert werden. Dies sollte nun kurzfristig gesetzlich umgesetzt werden, denn die bessere Versorgung demenziell Erkrankter sei dringend geboten. Kiefer kritisierte, dass die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs nach wie vor unklar bleibe. Man müsse erhebliche Zweifel haben, ob dieser noch vor der Bundestagswahl 2013 komme – und das, obwohl man sich selbst in der Politik bewusst sei, wie dringlich ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff ist.
Thomas Ballast, Vorstandsvorsitzender des Ersatzkassenverbandes vdek, zeigte sich erleichtert, dass „nun endlich die Eckpfeiler zur Finanzierung für eine Pflegereform beschlossen“ wurden. Die beabsichtigte Anhebung des Beitragssatzes, um den Ausbau an Leistungen für Demenzkranke zu finanzieren, sei zu begrüßen. Eine Anhebung in dieser Höhe sei verkraftbar, so Ballast. Allerdings reichten die etwa 1,1 Mrd. Euro, die sie in die Kassen spült, nicht aus, um die soziale Pflegeversicherung demografiefest zu machen und weitere Leistungsverbesserungen zu finanzieren. Positiv wertet es der vdek, dass die Bundesregierung davon Abstand genommen hat, eine verpflichtende private Pflegezusatzversicherung einzuführen.
Die SPD lehnte die Reformpläne als unausgegoren ab. „Wir halten die Pflegepläne für ein Konjunkturprogramm für die private Versicherungswirtschaft", sagte Generalsekretärin Andrea Nahles. Für die betroffenen Menschen werde es hingegen keine ausreichende Entlastung geben, insbesondere für die Demenzkranken. Nahles kritisierte zudem den geplanten Aufbau einer privaten Zusatzvorsorge, analog zur Riester-Rente: „Pflege sollte unbedingt am Bedarf orientiert und solidarisch finanziert bleiben.“ SPD-Fraktionsvize Elke Ferner sprach von einem „peinlichen Pflege-Reförmchen“: „Das Konzept löst nicht einmal im Ansatz die vorhandenen Probleme im Pflegebereich".
Elisabeth Scharfenberg, Sprecherin für Pflege- und Altenpolitik der Grünen, sieht Schwarz-Gelb „pflegepolitisch auf ganzer Linie gescheitert“. Die Koalition habe die wirkliche Pflegereform vertagt und der nächsten Bundesregierung aufgebürdet. Die beschlossene minimale Beitragssatzerhöhung könne die Pflegeversicherung allenfalls für sehr kurze Zeit finanziell stabilisieren. Positiv sei allein, dass die verpflichtende „private Kapitaldeckung nach FDP-Rezept“ vom Tisch ist.
Ähnlich äußerte sich die pflegepolitische Sprecherin der Linksfraktion Kathrin Senger-Schäfer: „Es ist eine Hiobsbotschaft für alle Betroffenen und offenbart die Unfähigkeit von Schwarz-Gelb, in Sachen Pflege etwas Konkretes im Sinne der Menschen auf die Beine zu stellen". Der jetzt vereinbarte Einstieg in die Kapitaldeckung nach dem Muster der Riester-Rente bedeute die „Fortsetzung des Riester-Betrugs an der Bevölkerung und eine weitere Umverteilung von unten nach oben“.
Berlin - 07.11.2011, 15:10 Uhr