Retaxationen

Anforderungsschein entscheidend – nicht Verordnung

Berlin - 14.12.2011, 10:40 Uhr


Krankenkassen dürfen nicht retaxieren, wenn die nach der Abgabe einer Zytostatika-Rezeptur eingereichte ärztliche Verordnung einen günstigeren Wirkstoff als der zuvor bei der Apotheke eingereichte Anforderungsschein beinhaltet. Das entschied das Sozialgericht Darmstadt.

Im konkrete Fallt hatte die Apotheke der Klägerin mehrere, vom behandelnden Arzt unterschriebene Anforderungsscheine zur Herstellung von Zytostatika-Rezepturen zur ambulanten Chemotherapie erhalten. Aufgrund der Anforderungen wurde in der Folge ein teurerer Wirkstoff (liposomales Doxorubicin) verwendet, als es die erst nach der jeweiligen Abgabe bei der Apotheke eingegangenen ärztlichen Verordnungen (einfaches Doxorubicin) vorsahen. Daraufhin weigerte sich die beklagte Krankenkasse, die Mehrkosten für das teurere Arzneimittel zu erstatten.

Nach Auffassung der Krankenkasse wurden die Abgabebestimmungen nicht eingehalten. Eventuelle Unklarheiten müssten ihr zufolge vor Abgabe des Arzneimittels geklärt werden. Dem hielt die klagende Apothekeninhaberin unter anderem entgegen, dass die jeweilige Verordnung erst Tage nach Abgabe des Arzneimittels eingehe. Eine solche Formstrenge ließe sich indes nicht aus den Verträgen ableiten – vielmehr reiche es aus, dass der verordnende Arzt die Notwendigkeit der abgegebenen Rezeptur bestätigt habe.

Die Richter des Sozialgerichts folgten der Ansicht der Apothekeninhaberin und verurteilten die Kasse zur Zahlung der angefallenen Kosten. Sie hielten es nicht für vertretbar, in Fällen, in denen eine Rezeptur aufgrund eines Anforderungsscheins abgegeben und eine ärztliche Verordnung erst nachgereicht wird, auf die ärztliche Verordnung abzustellen. Zur Begründung führte die Kammer aus, der Anforderungsschein habe ausdrücklich einen bestimmten Wirkstoff als Bestandteil der Rezeptur vorgesehen. Die Apothekeninhaberin habe daher zurecht das angeforderte teurere Arzneimittel abgegeben.

Nach Ansicht der Kammer könnte andernfalls von einem Apotheker nicht verlangt werden, Rezepturen aufgrund von Anforderungsscheinen – ohne das Vorliegen einer formalen ärztlichen Verordnung – herzustellen. Die Apotheke müsste dann stets befürchten, dass die ärztliche Verordnung von der Anforderung abweiche und der Vertragsarzt es ablehne, einen Fehler seiner Praxis zuzugeben, so die Richter. Die Entscheidung diene zudem den gesundheitlichen Interessen der Patienten, da nur so die in einer Praxis erforderliche schnelle Abgabe von Rezepturen möglich sei.

(Sozialgericht Darmstadt, Urteil vom 7. November 2011, Az. S 18 KR 274/10 - nicht rechtskräftig)


Juliane Ziegler