Arzneimittel oder nicht?

Steffens warnt vor E-Zigaretten

Berlin - 16.12.2011, 17:15 Uhr


Nordrhein-Westfalens Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) warnt vor nikotinhaltigen E-Zigaretten: „Was derzeit auf dem Markt ist, ist alles nicht zugelassen und nicht geprüft“. Die bisher erhältlichen Flüssigsubstanzen, die sogenannten Liquids, enthielten so hohe Mengen an Nikotin, dass sie als Arzneimittel einzustufen seien – und damit unter die strengen Zulassungsauflagen des Arzneimittelgesetzes fielen.

Bei E-Zigaretten verdampfen Liquids mit unterschiedlichen Inhaltsstoffen und werden inhaliert. Die Geräte und Flüssigmischungen werden vor allem im Internet, aber auch in speziellen „E-Shops“ angeboten. Es gebe keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass E-Zigaretten ungefährlich seien, betonte Steffens. Die nächste Konferenz der Gesundheitsminister werde sich mit dem Thema befassen, die EU-Kommission plane eine Überprüfung der gesundheitlichen Folgen.

Beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn hieß es, bei der Beurteilung der E-Zigaretten gebe es derzeit keine Grundsatzentscheidung. Das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) hat allerdings kürzlich das Inverkehrbringen von Nikotindepots „E-Liquids“ in einem Eilverfahren vorläufig verboten (Beschluss vom 14. Oktober 2011, Az: 4 L 191/11). Das Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz hatte eine entsprechende und sofort vollziehbare Untersagungsverfügung angeordnet. Die Behörde geht davon aus, dass es sich um ein Arzneimittel handelt, für das die arzneimittelrechtliche Zulassung fehle. Das Verwaltungsgericht hat die Frage, ob E-Zigaretten tatsächlich als Arzneimittel einzustufen sind, im Ergebnis als offen bewertet. Nikotin sei zwar geeignet, die Lebensvorgänge im menschlichen Körper (negativ) zu beeinflussen – dies genüge aber noch nicht, um die Nikotindepots den Arzneimitteln zuzuordnen. Das Produkt müsse auch dazu bestimmt sein, diagnostischen oder therapeutischen Zwecken zu dienen. E-Zigaretten würden jedoch weder von Herstellern noch durch den Handel als Mittel zur (Nikotin-)Suchtbekämpfung beschrieben oder beworben. Sie sollen vielmehr „gesünderes und breiter anwendbares“ Ersatzgenussmittel für die herkömmliche Zigarette sein. Ob dies ausreicht, um als Arzneimittel zu gelten, bedarf nach Ansicht der Frankfurter Richter einer Klärung im Hauptsacheverfahren. Wegen der potenziellen Gesundheitsgefährdung durch eventuell nicht verkehrsfähige Arzneimittel habe jedoch das Interesse der Allgemeinheit an einer Untersagung des Vertriebes Vorrang gegenüber dem Vollziehungsinteresse des Herstellers. Insbesondere wegen der Beimischung von Aromastoffen in verschiedenen Geschmacksrichtungen, wie Vanille, Erdbeere oder Apfel, bestehe speziell für Kinder und Jugendliche eine erhöhte Gefahr, so das Gericht.

Dem BfArM, das für die Zulassung von Arzneimitteln zuständig ist, liegen derzeit mehrere Anträge von Landesbehörden vor, in denen es um die Überprüfung einzelner E-Zigaretten-Produkte geht. In einem ersten Fall sei eine E-Zigarette als zulassungspflichtiges Arzneimittel eingestuft worden, sagte BfArM-Sprecher Maik Pommer. Dieses Produkt sei in Deutschland aber bisher nicht in den Verkehr gebracht worden. Jedes Liquid müsse im Einzelfall geprüft werden. Pommer erklärte: „Bei der E-Zigarette wird Nikotin verdampft – und Nikotin wirkt pharmakologisch. Da liegt zunächst die Vermutung nahe, dass es sich um ein Arzneimittel handelt. Aber um das zu ermitteln, bedarf es immer einer sorgfältigen Einzelfallentscheidung.“ Zu den Prüfkriterien gehört, wie hoch der Nikotinanteil ist oder welche Substanzen noch inhaliert werden.


Kirsten Sucker-Sket/dpa