Arzneimittelkriminalität in Baden-Württemberg

Hauptschaden durch illegale Internet-Arzneimittel

Stuttgart - 11.04.2012, 11:04 Uhr


Die wenigsten baden-württembergischen Staatsanwaltschaften haben seit 2007 wegen gefälschter oder illegal in Umlauf gebrachter Arzneimittel ermittelt. Dies legt Baden-Württembergs Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) in ihrer Stellungnahme zu einem Antrag von sechs CDU-Landtagsabgeordneten dar. Diese hatten beklagt, „die Einspeisung gefälschter Arzneimittel in den regulären Verkauf über Großhändler und Apotheken“ nehme „besorgniserregende Ausmaße“ an.

Die CDU-Politiker stützten sich für ihren Antrag auf Angaben von US-Behörden: Dort stieg die Zahl eingespeister gefälschter Arzneimittel im Zeitraum 2000 bis 2006 um 800 Prozent. Für Europa müsse daher von vergleichbaren Zahlen ausgegangen werden, so die Abgeordneten. Sie wollten daher wissen, welche Erkenntnisse der Landesregierung zu Arzneimittelfälschungen vorliegen. Zudem fordern sie von ihr, „wirksame Maßnahmen zum Schutz der baden-württembergischen Bevölkerung zu ergreifen“.

Die Antwort der Sozialministerin fiel weniger dramatisch aus: Bei den großen Staatsanwaltschaften Mannheim und Stuttgart seien in den letzten Jahren zwar mehrere Verfahren bearbeitet worden. Dennoch weise nur rund ein Verfahren pro Jahr einen größeren Umfang auf. In einem umfangreichen Ermittlungskomplex ging es um ohne inländische arzneimittelrechtliche Zulassung eingeführte Zytostatika – dieser führte zu Ermittlungsverfahren gegen insgesamt 73 Apotheker vor verschiedenen Staatsanwaltschaften. Die weiteren Verfahren wegen Inverkehrbringens gefälschter Arzneimittel betrafen nahezu ausschließlich Potenzmittel, Bräunungsmittel oder Schlankheitsmittel.

„Die Mehrzahl der Staatsanwaltschaften in Baden-Württemberg war dagegen von 2007 bis heute nicht mit entsprechenden Ermittlungsverfahren befasst“, schreibt Altpeter. Den zuständigen Überwachungsbehörden wurden seit 2007 rund 20 Fälle von Arzneimittelfälschungen gemeldet. Zumeist habe es sich dabei um hochpreisige, verschreibungspflichtige Präparate gehandelt, die teilweise auch über den regulären Arzneimittelgroßhandel in Verkehr gebracht wurden. In einem dieser Fälle konnten zwei gefälschte Packungen jedoch von den belieferten Apotheken aus dem Verkehr genommen werden, ehe sie in Patientenhand gelangten. In einem anderen Fall geschah dies durch einen Arzneimittelgroßhändler.

Steigende Fallzahlen meldet Altpeter jedoch beim Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe (CVUA). Dieses untersucht – unter anderem im Auftrag von Staatsanwaltschaften, dem Zoll und Lebensmittelüberwachungsbehörden – diverse Arten von Proben. Während hier bis zum Jahre 2008 jährlich circa 100 illegale Arznei- bzw. Dopingmittel zur Untersuchung eingereicht wurden, erhöhte sich diese Zahl bis 2011 auf 400 pro Jahr. Das Bundeskriminalamt habe außerdem klargestellt, so die Sozialministerin weiter, dass der Hauptschaden durch illegale Internet-Arzneimittel entstehe. Betroffen seien im Wesentlichen sogenannte „Lifestyle-Medikamente“.

Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) weist für die Jahre 2007 bis 2010 in Baden-Württemberg insgesamt sechs Ermittlungsfälle wegen des Inverkehrbringens gefälschter Arzneimittel (§ 95 Abs. 1 Nr. 3 a AMG) auf, die die Polizei an die Staatsanwaltschaft abgegeben hat. Allerdings: Insgesamt stieg die in der PKS verzeichnete Fallzahl der Straftaten nach dem Arzneimittelgesetz von 217 im Jahr 2007 auf 618 im Jahr 2010.


Juliane Ziegler