Forschung

Wirkmechanismus von Rizinusöl geklärt

Berlin - 31.05.2012, 18:32 Uhr


Rizinusöl wirkt abführend und verstärkt Wehen. Für diese Effekte machen Wissenschaftler schon lange die enthaltende Rizinolsäure verantwortlich. Das Geheimnis dieser Fettsäure konnte jetzt im Max-Planck-Institut für Herz und Lungenforschung aufgedeckt werden.

Die Forschungsgruppe um Professor Dr. Stefan Offermanns und Dr. Sorin Tunaru erhielten in Experimenten mit Zellkulturen erste Hinweise auf einen Wirkmechanismus, an dem G-Protein-gekoppelte Rezeptoren beteiligt sein könnten. Daraufhin testeten sie den Effekt der Rizinolsäure auf Zellen, bei denen sie zuvor systematisch mehrere Hundert der infrage kommenden Rezeptoren ausgeschaltet hatten. Dabei kristallisierte sich der bereits bekannte EP3-Rezeptor, der unter anderem in Darm- und Gebärmutterzellen vorkommt, als möglicher Angriffspunkt heraus. Normalerweise stimuliert das Gewebshormon Prostaglandin E2 diesen membranständigen Rezeptor. „Den schlagenden Beweis lieferten uns dann Experimente mit Mäusen, in denen der Rezeptor EP3 zuvor durch einen genetischen Eingriff ausgeschaltet worden war“, erklärt Tunaru. Diese Tiere reagierten weder mit einer erhöhten Darmentleerung noch mit einer stärkeren Wehentätigkeit auf Rizinusöl oder Rizinolsäure. Hingegen zeigten genetisch nicht-veränderte Mäuse diese Effekte.

Die bisherige Annahme, Rizinölsäure führe durch Reizung der Darmschleimhaut zu einer verstärkten Entleerung, sei nun widerlegt, erklären die Forscher. Sie gehen von einer „echten pharmakologischen Wirkung“ aus: Wird das Öl geschluckt, setzen Lipasen im Darm daraus die Rizinolsäure frei. Über die Schleimhaut gelangt die Säure in den Körperkreislauf. Sie aktiviert EP3-Rezeptoren in den glatten Muskelzellen des Darms und der Gebärmutter und verstärkt deren Aktivität.

Offermanns hofft, das medizinische Potential des Rizinusöls werde künftig stärker genutzt: „In der alternativen und der Volksmedizin ist Rizinusöl noch immer weit verbreitet. In der Schulmedizin wurde es aber nicht zuletzt wegen des unklaren Wirkmechanismus immer weniger propagiert. Die Ergebnisse unserer Studie könnten dazu beitragen, dass sich dies wieder ändert.“ Außerdem bestehe die Möglichkeit Wirkstoffe mit abführender Wirkung zu entwickeln, die direkt an EP3-Rezeptoren angreifen.

Rizinusöl wird aus den Samen der Christuspalme (Ricinus communis) gewonnen. Sie enthalten neben fettem Öl, das vor allem gebundene Rizinolsäure enthält, giftige Lectine und Pyridinalkaloide. Bereits zwei geschluckte Samen können für Menschen tödlich sein. Die Kaltpressung verhindert, dass die fettunlöslichen Giftstoffe nicht in das Öl gelangen können. Durch anschließendes Kochen werden eventuell suspendierte Lectine entfernt.


Svenja Schwob