BGH-Grundsatzentscheidung

Kassenärzte nicht wegen Korruption strafbar

Karlsruhe - 22.06.2012, 12:55 Uhr


Kassenärzte sind nicht strafbar, wenn sie von einem Pharma-Unternehmen Geschenke für die Verordnung von Arzneimitteln entgegennehmen. Diese Entscheidung verkündete heute der Bundesgerichtshof. Der niedergelassene, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassene Arzt handle nämlich bei der Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgaben weder als Amtsträger noch als Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen, so der Senat.

In dem der lange erwarteten Entscheidung zugrunde liegenden Ausgangsverfahren war eine Pharmareferentin wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Sie hatte Kassenärzten Schecks über einen Gesamtbetrag von rund 18.000 Euro übergeben. Der Übergabe des Schecks lag ein als „Verordnungsmanagement“ bezeichnetes Prämiensystem des Pharmaunternehmens zugrunde, wonach Ärzte als Prämie für die Verordnung von Arzneimitteln des betreffenden Unternehmens fünf Prozent des Herstellerabgabepreises erhalten sollten.

Nach Auffassung der BGH-Richter sind solche Vorteile an freiberuflich tätige Kassenärzte strafrechtlich nicht relevant. Denn Kassenärzte seien keine Angestellten oder Funktionsträger einer öffentlichen Behörde. Sie würden vielmehr aufgrund einer individuellen und freien Auswahl des gesetzlich Versicherten tätig, befand der Senat. Das Verhältnis zwischen Arzt und Versichertem sei „wesentlich von persönlichem Vertrauen und einer Gestaltungsfreiheit gekennzeichnet, die der Bestimmung durch die gesetzlichen Krankenkassen weitgehend entzogen ist“.

Darüber hinaus entschieden die Karlsruher Richter auch, dass Kassenärzte bei der Verordnung eines Arzneimittels keine Beauftragten der Krankenkassen sind. Arzt und Kasse wirkten zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung zwar zusammen. Dem Begriff des Beauftragten sei aber schon vom Wortsinn her die Übernahme einer Aufgabe im Interesse des Auftraggebers immanent, der sich den Beauftragten frei auswählt und ihn bei der Ausübung seiner Tätigkeit anleitet. Weil die Krankenkassen den vom Versicherten frei gewählten Arzt allerdings akzeptieren müssten, hätten die Kassen kein solches Wahlrecht.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29. März 2012, Az. GSSt 2/11


Juliane Ziegler