Pränataldiagnostik

Untersuchung des kompletten Genoms ist möglich

Seattle - 27.06.2012, 09:18 Uhr


Eine neue Dimension der genetischen Diagnostik wird mit Verfahren erreicht, die es ermöglichen, das gesamte Genom des Fetus zu entschlüsseln, wie jetzt von einem interdisziplinären Team in Seattle in einer Studie gezeigt wurde.

Den Untersuchern ist es gelungen, bei 18 Schwangerschaftswochen durch eine Blutentnahme bei der Mutter und eine Speichelprobe des Vaters alle elterlichen Anteile genetischen Materials zu definieren und die kindlichen Anteile zu differenzieren und zu analysieren. Wird das gesamte Erbgut eines Menschen untersucht, so finden die Genetiker in den seltensten Fällen Veränderungen, die mit eindeutigen Diagnosen von Erkrankungen oder Behinderungen einhergehen. Dagegen findet sich eine unendliche Vielzahl von unterschiedlich ausgeprägten Risiken. Die Eltern müssen sich dann nicht mehr mit einer Diagnose auseinandersetzen, sondern mit Risiken und Wahrscheinlichkeiten. Inwieweit solche Wahrscheinlichkeiten im Lauf des Lebens in einer manifesten Erkrankung münden, hängt vielfach von Lebensweise, Umwelt und zahlreichen weiteren Begleitfaktoren ab.

Bisher konnte man mit der Amniozentese, der Punktion der Fruchtblase mit Untersuchung der Chromosomen in den fetalen Zellen, und der Chorionzottenbiopsie, bei der Material aus dem Plazentagewebe entnommen wird, neben dem Geschlecht des Kindes vor allem Störungen der Chromosomen-Aufteilung gefunden werden, wie die Trisomien 21, 18 und 13 oder das Turner-Syndrom. Von 1000 Frauen, die sich einem solchen Eingriff unterziehen, verlieren etwa zehn als Folge des Eingriffs ihr gesundes Kind.

Ab Sommer 2012 soll in Deutschland ein Testverfahren verfügbar sein, das eine Untersuchung auf eine Trisomie 21 und auf das Geschlecht des Kindes ohne Punktion durch die Bauchdecke ermöglicht. Im Ausland ist zusätzlich auch eine Untersuchung auf Trisomie 13, 18 oder den Rhesus-Faktor möglich. Notwendig ist hierfür lediglich die Blutentnahme bei der Mutter. Das Verfahren soll bei erhöhtem Risiko als spezifische differenzierende Methode eingesetzt werden.

Literatur: Kitzman, J. O., et al.: Sci. Transl. Med. 2012;137(4):137ra76, Online: doi: 10.1126/scitranslmed.3004323


Dr. Bettina Hellwig