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Die letzte Woche
Mein liebes Tagebuch
Einfach geht bei uns Apothekerinnen und Apothekern nichts, liebes Tagebuch. Das hat die vergangene Woche wieder einmal gezeigt. 120 Millionen Euro für die Nachtdienstpauschale einfach mal so überwiesen bekommen und sie dann auf die nachtdiensthabenden Apotheken verteilen – nein, so einfach ist die Welt nicht. Jetzt soll’s eine Honorarerhöhung geben, die aber in einen Fonds fließt, der dann auf die Nachtdienst-Apotheken umverteilt werden soll. Trotz Umweg irgendwie pfiffig. Einen Lichtblick gibt’s bei der Schiedskommission: Hess übernimmt, die Verhandlungen über den Kassenabschlag rücken näher. Und am morgigen Montag werden wir hören, dass die ABDA-Klausurtagung ein voller Erfolg war.
18. Februar 2013
Preisfrage: Was ist bei einem neuen Arzneimittel wirtschaftlicher, sein Import oder das Originalarzneimittel zum Erstattungsbetrag? Gute Frage, die man beantworten können sollte, wenn man eine Retaxation vermeiden will. Aber wie, liebes Tagebuch, wenn die Apothekensoftware den Erstattungsbetrag nicht anzeigt, sondern nur den Herstellerabgabepreis? Und muss die Vergleichsrechnung mit Mehrwertsteuer oder ohne durchgeführt werden? Klar, die Software sollte den Apotheker darauf hinweisen, was wirtschaftlicher ist, der Import oder das Original zum Erstattungsbetrag – das fordert sogar der Verband der Importeure. Aber noch sind nicht alle Softwarehäuser soweit. Bis dahin gibt es wieder viel Nebulöses, Retaxfallen, Mehrarbeit und Mehrkosten, die den Apotheken nicht bezahlt werden.
Da hat der Norddeutsche Rundfunk für seinen Beitrag über die Beratung in Apotheken wieder zielsicher solche Apotheken herausgefunden, die ungenügend beraten und „Patienten für dumm verkaufen und abzocken“, wie ein Pharmakologe die Beratungsergebnisse beurteilte. Ja, ja, liebes Tagebuch, der NDR hat da schon ein Händchen dafür, genau solche Apotheken herauszufiltern... Wie macht er das nur? Aber mal im Ernst: Natürlich lässt sich darüber streiten, ob man dem Patienten Arzneimittel für fast 50 Euro überreichen muss, um ein bisschen Husten und Schnupfen zu kurieren, und dann noch zum Teil für Präparate, die streng pharmakologisch gesehen nicht den evidenzbasierten Wirksamkeitsnachweis haben. Allerdings: Die meisten Kunden würden eine Empfehlung für 50 Euro gar nicht akzeptieren. Andererseits mag es den einen oder anderen Kunden geben, der genau das möchte: nämlich alles. Liebes Tagebuch, ich glaube, dass eine Erkältungsberatung in den meisten Apotheken „ganz normal“ abläuft, etwas gegen Schnupfen und etwas gegen Husten und vielleicht noch etwas gegen Schmerzen oder Fieber. Was mag der NDR mit dem Vorführen von Extrembeispielen beabsichtigen? Mein Vorschlag für den nächsten NDR-Test: Was raten oder verschreiben Ärzte bei Husten und Schnupfen? In einer anonymen Umfrage gibt die Hälfte aller Hausärzte zu, gegen Erkältungsviren auch einmal ein Antibiotikum zu verschreiben – kann man in der Apotheken Umschau vom 1. Februar lesen.
19. Februar 2013
Unbestritten, sie bringen den Kassen Milliarden an Einsparungen: die Rabattverträge. Aber sie krempeln auch den Markt um. Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller und der Generikaverband ProGenerika zeigen in Stellungnahmen die negativen Auswirkungen der Rabattverträge auf den Markt. Hintergrund der Stellungnahmen: Die Wirtschaftsminister der Länder wollen sich mit den Auswirkungen von Rabattvertragsausschreibungen auf die Industrie befassen. Mein liebes Tagebuch, es reicht, aus dem Papier schlagwortartig zu zitieren, um die gravierenden Auswirkungen deutlich zu machen: 70 Prozent aller Generikapackungen sind rabattvertragsgeregelt, zehn Hersteller beherrschen 72 Prozent dieses Marktes, der Abschluss von Rabattverträge kommt für Hersteller einem Preisdiktat gleich, wer keinen Abschluss erzielt, ist für zwei Jahre weg vom Markt. Hinzu kommen die negativen Auswirkungen auf die Compliance der Patienten, mitunter die nicht ausreichende Verfügbarkeit der Rabattarzneimittel, Konzentrations- und Oligopolisierungsprozesse im Markt mit dem Ergebnis, dass generische Wirkstoffe „nahezu ausschließlich“ außerhalb Europas, z. B. in Indien und China, hergestellt werden. Sind diese zum Teil fatalen Auswirkungen unserer Gesellschaft knapp 2 Mrd. wert? Den Kassen schon. Da sind wir gespannt, wie die Wirtschaftsminister diese Veränderungen sehen. Will unsere Gesellschaft diese Marktveränderungen, diese Abhängigkeit von Indien und China?
Er hat Ja gesagt, die Schiedskommission hat wieder einen Vorsitzenden: der frühere G-BA-Vorsitzende Dr. Rainer Hess wird die Schiedsstelle zum Kassenabschlag als unabhängiger Vorsitzender leiten. Ein Lichtblick, dass es nun endlich mit den Verhandlungen zwischen GKV-Spitzenverband und Deutschem Apothekerverband über den Kassenabschlag weitergehen kann. Jetzt fragt es sich nur, wo wir landen, unter, auf oder über 1,75 Euro? Liebes Tagebuch, das wird eines der spannendsten Ergebnisse in diesem Frühjahr werden.
20. Februar 2013
Jetzt macht die ABDA Druck: die von der ABDA beauftragte JPLH Treuhand AG wird in der ersten Märzwoche den Bericht über die Geldflüsse an die vom früheren ABDA-Sprecher Thomas Bellartz mitgegründete Kommunikationsagentur El Pato vorlegen. Und die Berliner Unternehmensberatung Wabnitz kümmert sich bei der ABDA darum, Richtlinien zur Compliance zu überprüfen und einen Verhaltenscodex für die Lobbyarbeit zu erarbeiten. Erste Ergebnisse sind für Mitte März zu erwarten. Was anfangs zögerlich verlief, nimmt nun doch Fahrt auf.
So war’s eigentlich nicht gedacht: Versandapotheken tun ihrer Beratungs- und Informationspflicht nach der Apothekenbetriebsordnung genüge, wenn sie den Kunden auffordern, eine Telefonnummer anzugeben, unter der sie das pharmazeutische Personal beraten kann. Das stellt das Bundesgesundheitsministerium in einer Stellungnahme klar. Das muss man sich erst mal auf der Zunge zergehen lassen. Und noch deutlicher heißt es: „Damit entfällt bei einer Versandapotheke grundsätzlich die Pflicht, eigeninitiativ zu beraten, nicht aber das Recht des Patienten, beraten zu werden.“ Wie bitte? Mein liebes Tagebuch, wie ist das mit dem Wortlaut der ApBetrO zu vereinbaren? Hier heißt es: „Bei der Abgabe von Arzneimitteln an einen Patienten oder anderen Kunden ist durch Nachfrage auch festzustellen, inwieweit dieser gegebenenfalls weiteren Informations- und Beratungsbedarf hat und eine entsprechende Beratung anzubieten.“ Suchspiel: Welche Kunden von Versandapotheken wurden bereits ungefragt kontaktiert? Weitere Frage: Wie passt die jüngste BMG-Auslegung zu den Anforderungen an den Botendienst der Apotheke? Hier heißt es: „Sofern eine Beratung in der Apotheke nicht bereits vorgenommen wurde, muss die Beratung durch das pharmazeutische Personal der Apotheke in unmittelbarem Zusammenhang mit der Auslieferung erfolgen.“ Für mich ist es wieder einmal ein Beispiel dafür, wie Verordnungsvorgaben gedreht und gewendet werden, bis man das hat, was interessierte Kreise wollen. Was meinst du, liebes Tagebuch, muss man dem Bundesverband der Versandapotheken für seine erfolgreiche Lobbyarbeit und für diese Klarstellung des BMG gratulieren?
21. Februar 2013
Der Knaller der Woche: eine Honoraraufstockung um 16 Cent auf 8,51 Euro – mit einem ganz dicken Aber hinterher. Das Aber: die 16 Cent werden nicht ausgezahlt, sondern fließen in einen Fonds. Und aus diesem Fonds soll dann die Notdienstpauschale ihren Weg in die Apotheken finden. Die zulasten der GKV abgegebenen Arzneimittel dürften so etwa 100 Mio. zum Geldtopf beitragen. Die restlichen 20 Mio. der in Aussicht gestellten 120 Mio. sollen aus dem Bereich der Selbstzahler, der Beihilfe und der Heilfürsorge kommen, was nicht einfach zu lösen ist. Theoretisch müssten hier irgendwie, sag ich mal, die Apotheken beispielsweise für jedes ihrer auf Privatrezept abgegebenen Arzneimittel jeweils 16 Cent selbst in den Fonds einzahlen. Na, das lassen wir mal so im Raum stehen, ob das so vorgesehen und praktikabel ist. Ja, und dann ist da noch die Frage zu klären, wie das Geld aus dem Fonds wieder an die Apotheken zurückfließen soll. Am besten noch so, dass eine Strukturkomponente, nämlich eine Begünstigung von Landapotheken, berücksichtigt wird. Das Ministerium erwartet hier konkrete Vorschläge, wie die ABDA das Geld zielgerichtet so verteilen will, dass Landapotheken gestärkt werden! Weitere Frage: Wer verwaltet den Fonds? Die Kammern? Was kostet die Verwaltung? Ganz abgesehen von der Frage, ob und wie das alles durchs Parlament geht. Liebes Tagebuch, zunächst ein pfiffiges Modell, aber mit vielen Unbekannten. Da gibt’s noch Klärungsbedarf. Wo ein Wille, da ein Weg, oder?
Klare Ansage der Koalition: ein eigener Untersuchungsausschuss für die Maulwurf-Affäre ist nicht notwendig. Ein Antrag der SPD auf Einrichtung eines solchen Ausschusses hätte zudem keine Chance, die Koalition könnte ihn vereiteln. Und FDP-Sprecher Lanfermann meint: Wozu einen Ausschuss, wo doch gar nicht klar ist, was der Ausschuss überhaupt machen soll. Nett, oder? Wir wüssten da schon was.
Hört sich gut an: die Vertreter der Aufsichtsbehörden der Länder haben ein Papier zur einheitlichen Umsetzung der Apothekenbetriebsordnung beschlossen. Derzeit befindet es sich in der Endabstimmung. Der Ansatz ist richtig. Mit einem solchen Papier besteht die Hoffnung, dass nicht, sagen wir mal, individuelle Vorlieben einzelner der Maßstab für die ApBetrO werden. Dass die ApBetrO in Berlin genauso ausgelegt wird wie in Bayern. Man darf gespannt sein.
„Wir sind jetzt auf einem guten Weg“ – sagte ein Sprecher des BMG zum Treffen von Gesundheitsminister Bahr mit den Präsidenten von ABDA und BAK. Es war eine „gute Atmosphäre“, man sei „ein gutes Stück weiter gekommen“ bei der Umsetzung der Notdienstpauschale. Das soll uns freuen, liebes Tagebuch. Hoffen wir, dass es so bleibt. Da möge das bisschen Klappendienst am nächsten Freitag nicht stören, oder?
22. Februar 2013
Jetzt, liebes Tagebuch, sind wir so richtig gespannt, am kommenden Montag zu hören, wie erfolgreich die Klausurtagung der ABDA war. Ich vermute mal: Jede Frage und jeder Diskussionsbeitrag war erlaubt, es konnte ganz offen und transparent über alles diskutiert werden, angefangen bei der Bewältigung des vergangenen Herbstes bis hin zu einer modernen Ausrichtung der Berufsvertretung und so banalen Randproblemen wie dem Platzmangel im Apothekerhaus und mögliche Ausweichstrategien. Alles wird gut.
24.02.2013, 08:00 Uhr