Behandlungsfehler-Statistik 2012

Jeder dritte Verdacht bestätigt sich

Berlin - 15.05.2013, 16:19 Uhr


Fast 12.500 vermutete Behandlungsfehler haben die Gutachter der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) im Jahr 2012 unter die Lupe genommen. Es zeigte sich: Etwa jeder dritte Patient lag mit seinem Verdacht richtig. Noch häufiger bestätigte sich der Verdacht bei zahnmedizinischen Behandlungen.

Heute wurde die vom Medizinischen Dienst des GKV-Spitzenverbandes herausgegebene aktuelle Statistik zur Behandlungsfehlerbegutachtung vorgelegt. Sie zeigt: 12.483 Gutachten wurden letztes Jahr erstellt. In 31,5 Prozent der Fälle bejahten sie das Vorliegen eines Behandlungsfehlers – nachgewiesenermaßen kausal für den Schaden war dieser in 21,7 Prozent der Fälle.

Am häufigsten ergibt sich ein Fehlerverdacht im Zusammenhang mit Operationen. Die operativen Fächer Orthopädie/Unfallchirurgie und Allgemeinchirurgie sind besonders betroffen. Danach folgen Zahnmedizin, Innere Medizin und Gynäkologie. „Dies hat nach unserer Erfahrung damit zu tun, dass die Folgen eines Behandlungsfehlers in diesen Fächern für die Patienten leichter wahrnehmbar sind“, erläutert Prof. Dr. Astrid Zobel, Leitende Ärztin Sozialmedizin des MDK Bayern. Wenn ein Patient nach einer Hüft-OP trotz Trainings auch Wochen später nicht besser oder schmerzfreier gehen könne, liege ein Behandlungsfehlerverdacht schon wegen der durchgeführten Operation näher, als wenn es um eine fehlerhafte medikamentöse Behandlung geht. Eine hohe Zahl von Vorwürfen sei daher auch nicht gleichzusetzen mit einer hohen Zahl tatsächlicher Fehler, betont Zobel. Die höchsten Quoten bestätigter Fehler waren bei der Pflege (58,9 Prozent der Verdachtsfälle) in der Zahnmedizin (45,5 Prozent) und in der Gynäkologie (31,7 Prozent) zu verzeichnen. Zobel mahnt bei der Interpretation dieser Zahlen jedoch Zurückhaltung an: „Wir können Fehlerhäufungen in bestimmten Fachgebieten erkennen. Dies erlaubt aber keinen Rückschluss auf die Behandlungsqualität insgesamt, da weder die Gesamtzahl der Behandlungen noch die Zahl aller Behandlungsfehler bekannt sind.“ Auch im Bericht selbst heißt es, dass neben den gemeldeten Verdachtsfällen „eine erhebliche  ‚Grauzone‘ existiert“. Nach Schätzung des „Aktionsbündnis Patientensicherheit“ liege die Zahl der Patienten, die durch ein vermeidbares unerwünschtes Ereignis im Rahmen einer medizinischen Behandlung  in Deutschland versterben, schon bei etwa 17.000 pro Jahr. Das Bundesgesundheitsministerium nennt im Internet eine Zahl von anzunehmenden 40.000 bis 170.000 Behandlungsfehlern jährlich. 

Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl der Vorwürfe nahezu unverändert. Die zeige, dass nach wie vor Handlungsbedarf bestehe, erklärte MDS-Vize Dr. Stefan Gronemeyer. Das kürzlich in Kraft getretene Patientenrechtegesetz habe die Situation der Patienten bei vermuteten Behandlungsfehlern nur teilweise verbessert. „Aus Sicht der Patienten bleibt unbefriedigend, dass das Gesetz keine neue Verteilung der Beweislast zwischen Behandler und Patient gebracht hat“ so Gronemeyer. Zumindest in jenen Fällen, in denen ein fachärztliches Gutachten den Behandlungsfehler bestätigt, sollte seiner Auffassung nach die Beweislast für den Patienten erleichtert werden. Außerdem forderte Gronemeyer ein bundesweites Behandlungsfehlerregister, in dem die Daten aller Institutionen zusammengeführt werden. Defizite bestünden zudem in der Umsetzung konkreter Maßnahmen zur Verbesserung der Patientensicherheit wie der Anwendung von Checklisten und Teamtrainings.


Kirsten Sucker-Sket