Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

19.05.2013, 08:00 Uhr


Taler, Boni und kein Ende – wann, mein liebes Tagebuch, begreift es auch der letzte Apotheker, dass wie auch immer geartete Nachlässe auf verschreibungspflichtige Arzneimittel ein No Go sind – und das gilt auch für DocMorris! Erneut gab’s ein berufsgerichtliches Urteil dazu. Außerdem diese Woche im Angebot: Mit Rabattschlachten machen sich Großhändler das Leben schwer, die „Pille danach“ bleibt in Deutschland rezeptpflichtig, Kammern jammern über mangelnde Infos aus Berlin, ein Chemieprofessor gibt den Bewahrer und will bei der Ausbildung alles so lassen wie’s ist, und der öffentlich gemachte Untersuchungsbericht über ElPato-Zahlungen ist plötzlich von der ABDA-Seite verschwunden. Mein liebes Tagebuch, du siehst, die moderne Apothekerei strahlt so richtig vor Vernunft, Fortschritt und neuer Transparenz, gell?

13. Mai 2013

Nochmal zum Mitschreiben auch für Apotheker im bayerischen Raum: Madels und Buam in Minga und drumrum: Lasst’s endli eure Finger von Boni und Talern. Hergottssakramentnochamal, ’s bringt nix – außer Ärger und a saftige Straf. Und die Leut glaub’n, ihr hätt’st zu viel Göld. Auch wenn’s Wettbewerbsrecht einen Euro toleriert, das Berufsrecht sagt: bei Rx gibt’s nix. Basta. Also, schenkt eurer Kundschaft lieaber a Lächeln. Und ladet von den eing’sparten Talern eure Apothekenmannschaft in den Biergarten ein. Da habt’s mehr davon. Eins, zwei, gsuffa.

„Sehr einverstanden“ ist die ABDA mit der Notdienstpauschale, die außerdem das Ziel erreichen werde, die Landapotheke zu fördern, sagte ABDA-Hauptgeschäftsführer Sebastian Schmitz vor dem Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages bei der Anhörung zum Apothekennotdienstsicherstellungsgesetz (ANSG). Liebes Tagebuch, das klang so ein bisschen nach piep piep piep, wir haben uns alle lieb, lass uns schnell das Gesetz verabschieden, damit es endlich umgesetzt werden kann. Man kann’s ja auch wirklich nicht mehr hören: all die kleingeistigen Einwände von Kassen und Politikern, die glauben, sie müssten den Apothekern das Nachtdienst-Almosen streitig machen. Zu viel, zu bürokratisch, selbst an der Gebühr von 2,50 Euro wird gerührt. Hoffen wir, dass das Gesetz nun endlich, endlich bald verabschiedet wird – mit der Klarstellung, dass die Pauschale als Zuschuss gezahlt wird, der für die Apotheker nicht umsatzsteuerpflichtig ist.

14. Mai 2013

Ja, liebes Tagebuch, irgendwie geht es einigen Großhandlungen nicht mehr ganz so gut. Das kommt davon, wenn man Apotheker immer noch mit hohen, zu hohen Rabatten ködern will. Eigentlich dachte man mal ganz naiv, Rabattschlachten gehören seit der Umstellung der Großhandelsmarge der Vergangenheit an. Pustekuchen. Wechselwillige Apotheker haben im letzten Quartal erfahren, dass da trotz allem noch Musik drin ist – wenn sie den Zusagen und Angeboten der Außendienstler Glauben schenkten. Da allerdings oft noch gilt, dass die Transparenz einer Großhandlungsrechnung gleichzustellen ist mit der Durchsichtigkeit des ABDA-Haushalts oder einer Kloßbrühe, weiß man letztendlich nicht, was unten übrig bleibt und ob die zugesagten Rabatte auch tatsächlich gewährt werden.

Celesio beklagte auf der Aktionärsversammlung ein Minus von Umsatz und Ergebnis von fünf bzw. zehn Prozent und machte u. a. die verschärfte Rabattschlacht dafür verantwortlich. Auch Mitbewerber Phoenix  musste drastisch zurückstecken und fuhr beim Ergebnis ein Minus von 32 Prozent ein. Der Grund: „schwierige Marktbedingungen“ heißt Phoenix’ Umschreibung für seine Rabattoffensive. Jetzt legt der Marktführer ein Sparprogramm auf und will Arbeitsplätze streichen.

Und bei Celesio gingen Gerüchte um, dass über Standortschließungen nachgedacht werde, wenn auch nicht sofort, so doch möglicherweise in zwei, drei Jahren. Darüber hinaus soll eine Neuausrichtung von Celesio kommen mit einem neuen Apothekenkonzept. Mein liebes Tagebuch, der Kampf um Marktanteile auf dem Großhandelsmarkt wird uns noch weiter begleiten. Hoffen wir auf gesunden Wettbewerb.

Böse, böse war ein Zeitungsartikel in der Frankfurter Rundschau und der Berliner Zeitung unter der Überschrift „Apotheker schröpfen ihre Kunden“. Der Autor unterstellte den Apotheken, sie verlangten von ihren Kunden eine höhere Zuzahlung als nötig. Der Vize des Hessischen Apothekerverbands, Rudolf Diefenbach, wehrte sich öffentlich gegen solche Unterstellungen. Er fragte zurück, warum die Kassen nicht auf das Bürokratiemonster der Zuzahlungen verzichten, Zuzahlungen, die die Versicherten unnötig belasteten und die in den Apotheken zu erhöhtem Personal- und Datenaufwand führten. Recht hat er. Kritik ging aber auch an die mangelnde Sorgfaltspflicht des Journalisten, der diese Schmähschrift veröffentlichte. Liebes Tagebuch, ich glaube ja immer noch, dass die journalistische Kenntnis über das Tun der Apotheken besser würde, wenn die ABDA die lieben Journalisten von Presse, Funk und Fernsehen zu Seminaren einladen würde, in denen komplexe Zusammenhänge rund um die Apotheke gut verständlich erklärt würden. Sicher, vor böswilligen Falschdarstellungen würde es nicht schützen, aber vor Unkenntnis.

15. Mai 2013

Das schmerzt, liebes Tagebuch: 18.000 Euro Retax. Weil der Apotheker nicht erkannt hatte, dass das Rezept gefälscht war. An ein paar nicht korrekten Formalien hätte er die Fälschung erkennen müssen, meinten Krankenkassen und das Gericht. Unter anderem eine unkorrekte Schreibweise der Kasse, falscher Versichertenstatus für ein Kind, zwei nicht identische Betriebsstättennummern, ein unbekannter Arzt. Und was immer eine erhöhte Sorgfaltspflicht nach sich ziehen sollte: ein Wirkstoff mit hohem Missbrauchspotenzial (Wachstumshormon). Der Apotheker selbst gestand ein, dass er Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verordnung hatte. Denn bei der Recherche nach dem Arzt war er erfolglos. Und trotzdem gab er das Präparat ab. Was lernen wir daraus? Lieber zweimal draufschauen und im Zweifelsfall unbedingt den Arzt anrufen.

Genau drauf schauen auf die Verordnung heißt es auch bei der Vorlage von T-Rezepten. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte machte aktuell darauf aufmerksam, dass T-Rezepte für die Wirkstoffe Thalidomid und Lenalidomid mit äußerster Sorgfalt ausgefüllt werden müssen – der Appell geht an unsere lieben Ärzte – und dass Apotheker peinlich genau auf die ordnungsgemäße Ausstellung achten müssen. Kein Kreuz darf fehlen! Was so viel heißt wie: Wenn der Arzt schlampert und der Apotheker merkt es nicht, ist der Apotheker mit dran.

Das Maß ist voll. Das Landgericht Köln hat der niederländischen Versandapo DocMorris per einstweiliger Verfügung untersagt, für ihr Prämienmodell zu werben: Wer sein Rezept an die niederländische Versandapotheke schickt, dem winkt eine Geldprämie von bis zu 20 Euro als Dankeschön, wenn er an einem Arzneimittel-Check teilnimmt. Außerdem fiel die Entscheidung in einem bereits laufenden Hauptsacheverfahren gegen DocMorris: das gleiche Modell mit 15 Euro Prämie. Auch das untersagte das Gericht. Ein Erfolg für die Apothekerkammer Nordrhein, die gegen diese Prämienmodelle juristisch vorgegangen war. Ob damit Ruhe im Prämien-Karton ist, darf bezweifelt werden. Wie von DocMorris nicht anders gewöhnt, wird der niederländische Pillenversender, der mittlerweile zum schweizerischen Zur-Rose-Unternehmen gehört, weiter kämpfen, als nächstes vielleicht mit einer 25 Euro-Prämie?

Es sollte nicht, aber es kann passieren: ein ungeschütztes Techtelmechtel, das Folgen haben könnte, die sie oder er nicht wollen. Ein Notfall. In Deutschland muss die Frau auch weiterhin den Weg zur Frauenarzt- oder Notarztpraxis antreten, um die „Pille danach“ zu bekommen. Oder sich von katholischen Krankenhäusern abweisen lassen. Während die Betroffenen beispielsweise in England, Frankreich und in weiteren 76 Ländern die nächste Apotheke ansteuern und das gewünschte Präparat erhalten, sagten Union und FDP in Deutschland Nein dazu. Von den zwei in Deutschland erhältlichen Wirkstoffen sei Ulipristal im Vergleich zu Levonorgestrel ein „besseres Medikament“, aber das sei nun ausgerechnet von der EU zugelassen worden. Und Deutschland könne nur die Verschreibungspflicht von Levonorgestrel aufheben. Seltsam, was die Gegner da vorschieben. Denn das BfArM hatte bereits 2003 empfohlen, Levonorgestrel freizugeben. Mein liebes Tagebuch, manchmal wähnt man sich nicht in Deutschland, sondern in Absurdistan. Die Grünen zeigten sich erstaunt, dass Schwarz-Gelb den Apotheken die Beratung nicht zutraue: Denn  die Liberalen (die ihrem Namen hier gar nicht gerecht werden) können sich nicht vorstellen, dass die Beratung dazu „im Apothekenverkaufsraum“ stattfinden könne. Ja, liebes Tagebuch, da fällt mir doch glatt wieder ein, wie sich die ABDA, die Bundesapothekerkammer „wortgewaltig“ zur kompetenten Beratung durch die Apotheker bei der „Pille danach“ äußerte... Was da zu hören war? Nichts, keine Stellungnahme. Kein Wunder, wenn dann draußen ankommt: Die Apotheker trauen sich das selbst nicht zu.

Wie von Zauberhand war er wieder weg, einfach so, auf der ABDA-Internetseite gelöscht: die Zusammenfassung des Sonderberichts über die wirtschaftlichen Verflechtungen von ABDA und der ElPato-Agentur. Als Beleg für die tolle, neue Transparenz der ABDA stand er im Netz, aber nur knapp einen Monat. Warum er gelöscht wurde? Kein Kommentar von der ABDA. Ein PR-Magazin will erfahren haben , dass der Ex-ABDA-Sprecher und ElPato-Mitbegründer Bellartz gegen die Veröffentlichung des Berichts juristisch vorgehen wolle. Zitat Bellartz: „Dass ein Arbeitgeber personenbezogene Daten aus Arbeitsverträgen öffentlich macht, ist keine Krisenkommunikation, sondern illegal. Im Übrigen ist der Bericht in wesentlichen Teilen irreführend und falsch.“ Zittert die ABDA schon vor Bellartz? Will Bellartz gar selbst auspacken? Mein liebes Tagebuch, da ist noch lange kein Gras drüber gewachsen, da kommt noch was nach.

16. Mai 2013

Ja, da kommt noch mehr: Die Kammerversammlung von Schleswig-Holstein erwartet „eine transparente Darstellung zur Anstellung und Entlassung der drei letzten Pressesprecher“. Außerdem erwartet man endlich eine Antwort auf eine Resolution vom März 2012, in der der geschäftsführende Vorstand der ABDA aufgefordert wurde, zeitnah über die künftigen Funktionen des Deutschen Apothekertags und die Zusammensetzung der ABDA-Mitgliederversammlung zu berichten. März 2012 – liebe Schleswig-Holsteiner, das ist doch erst ein Jahr her, seid doch bitte nicht so ungeduldig! Oh, oh, liebe ABDA, merkst du, wie es sogar in treuen Kammern rumort? Die Zeiten, in denen nach Gutsherrenart – ihr da unten, wir da oben – Politik gemacht wurde, sind vorbei.

„Fatale Folgen“ könnte es haben, wenn man dran ginge und die Ausbildung der Apotheker verändern wolle. Warnt der Kieler Chemieprofessor Clement. Zu den Folgen, die er da beschwört, gehören nach seiner Meinung das Aufkommen alter Pläne, die Apothekerausbildung an die Fachhochschulen zu verlegen und den Studiengang nach dem Bachelor-Master-System zu organisieren. Clement verbreitet Angst: „Wir Apotheker haben viel zu verlieren.“ Also, bloß nichts verändern? Alles so lassen, wie’s ist? Viele Analysen, viele Synthesen, viel Chemie – damit wir dem Patienten auch morgen noch erklären können, warum die Doppelbindung und der Stickstoff an Position fünf in seinem Arzneimittel zu Unverträglichkeiten führt?
Nein, mein liebes Tagebuch, wer hat denn da Ängste und wovor? Mit der aufkeimenden Diskussion um ein neues Berufsbild des Apothekers, um ein neues Leitbild will man doch nicht die Chemie, die naturwissenschaftlichen Fächer unserer Ausbildung abschaffen. Die müssen die Grundlage bleiben, ganz klar. Aber unsere Ausbildung muss an das angepasst werden, was die Gesellschaft von uns verlangt, nämlich den Apotheker als Berater und Medikationsmanager. Die neue Apothekenbetriebsordnung weist hier schon den Weg. Der Apotheker wird in Zukunft nicht deshalb gebraucht, weil er Arzneimittel lagert, herstellt, verteilt. Er wird gebraucht, dem Patienten zu helfen, das richtige Arzneimittel zur richtigen Zeit in der richtigen Dosierung einzunehmen. Und um zusammen mit dem Arzt die Therapie zu überwachen. Damit der Apotheker diese neuen Anforderungen professionell auf Augenhöhe mit dem Arzt erfüllen kann, muss die Ausbildungsordnung angepasst werden, denn die heutigen Inhalte genügen diesen Anforderungen nicht mehr. Die patientenorientierte Pharmazie auf die Ebene einer Fachapothekerausbildung zu schieben, wie Clement es vorschlug, dürfte da nicht reichen. Immer mit der Angst zu argumentieren, die Apothekerausbildung könnte auf der Fachhochschule landen, zieht nicht. Wenn man früher schon so gedacht hätte, müssten wir immer noch ohne Pharmakologie und Klinische Pharmazie im Studium auskommen.

17. Mai 2013

Zum Pfingstfest, liebes Tagebuch, noch ein paar wohltuende Worte für die geplagten Apothekerseelen: 85 Prozent der Bundesbürger haben ein „sehr hohes“ oder „ziemlich hohes“ Vertrauen in den pharmazeutischen Berufsstand. Das ergab die repräsentative Umfrage „Reader’s Digest European Trusted Brands 2013“. Wenn schon die Politik oder die Kassen den Apothekern nicht zu sehr vertrauen, dann stehen wenigstens die Bürger auf unserer Seite. Nur in Finnland (93%), Belgien (89%) und in der Schweiz (87%) vertrauen die Bürger ihren Apothekern noch mehr als in Deutschland. Die Umfrage zeigte auch, dass die Apotheker Europas zur vertrauenswürdigsten Berufsgruppe gehören. Na denn.

Pfingsten – es soll das Fest der Erleuchtung sein. Hoffen wir, mein liebes Tagebuch, dass dies auch für pharmazeutische Kreise gilt. In diesem Sinne, ein frohes Pfingstfest an alle, die dich lesen.


Peter Ditzel