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Die letzte Woche
Mein liebes Tagebuch
Das Finale des Notdienstpauschale-Marathons zeichnet sich ab: Am 5. Juli wird im Bundesrat abgestimmt, eine Mehrheit wird wohl dafür stimmen. Und dann ist damit aber auch mal gut. Der Deutsche Apothekerverband hat schon seine Satzung angepasst, um das Bürokratiemonster in den Griff zu kriegen. Was dann nach ein paar Wochen auf dem Konto erscheinen wird, mein liebes Tagebuch – wir werden sehen. Was wir dagegen jetzt schon genau kennen: die Höhe des Kassenabschlags von 2009 bis 2015. Alle haben sich geeinigt, haben zugestimmt, abgesegnet. Jetzt können wir uns neuen spannenden Vorschlägen widmen, beispielsweise den grünen Trittinschen Apothekenketten, einer Liste nicht austauschbarer Arzneistoffe, „kritischen Elementen“ in der Apothekenbetriebsordnung – oder einem neuen Leitbild. Irgendwas ist immer.
17. Juni 2013
Oh je, die Grünen! Rein in die Puschen, raus aus den Puschen. Mal hüh, mal hott. Noch im vergangenen Jahr wollte die grüne Biggi den Apotheken mehr Wettbewerb durch Ketten aufs Auge drücken. Diese Forderung hatte sie in den letzten Jahren so oft wiederholt, da wusste man: das ist die Biggi. Nachdem sie wohl merkte, die Apothekers sind da unverbesserlich und nicht von ihrer inhabergeführten Apotheke abzubringen, gab sie nach und hakte das Thema ab. Jetzt gibt sich der Dosenpfandminister und grüne Spitzenkandidat Jürgen Trittin in einem „Welt“-Beitrag als großer Liberaler und fordert: weg mit dem Fremd- und Mehrbesitzverbot. Unter der Überschrift „We are the liberals! Freiheit für alle!“ posaunt er hinaus, welche zehn Verbote die Grünen aufheben werden (wenn sie denn an die Macht kämen). In einer Reihe mit der Forderung nach Adoptionsmöglichkeiten in Lebenspartnerschaften, Zulassung der doppelten Staatsbürgerschaft türkischstämmiger Menschen und Mitnahmemöglichkeit von Fahrrädern im ICE nennt er auch die Beseitigung des „kundenfeindlichen Mehrfachbesitzverbots“ bei Apotheken. Mein liebes Tagebuch, ich glaub es nicht! Na supi, Herr Trittin, soll‘s in der neuen Welt der Grünen dann Apothekenketten und Oligopole von Gesundheitsversorgungskonzernen geben? Tolle „Freiheit“ – nein danke! Fragen Sie mal ihre grüne Parteikollegin Barbara Steffens, was sie dazu meint!
Die Hessischen Verbandsleute Peter Homann und Hans Rudolf Diefenbach haben übrigens postwendend an die Vorsitzenden von Bündnis90/Die Grünen in Hessen geschrieben und Klarheit über die Haltung der Partei verlangt und eine eindeutige Aussage zum Thema Fremd- und Mehrbesitz. Gut so. Liebes Tagebuch, man wird froh sein können, wenn man eine Antwort bekommt, aber eine eindeutige? Von den Grünen?
Da dürfen wir gespannt sein, liebes Tagebuch, was da herauskommt: Verbände von Ärzten, Zahnärzten und Apothekern wollen ganz eng zusammenrücken und haben sich in der „Allianz der Heilberufe“ zusammengeschlossen. Gemeinsam sind wir stark, jawohl. Die Allianz soll den gegenseitigen Respekt und die Wertschätzung zwischen Heilberufen, Politik und Krankenkassen, aber auch unter den Heilberufen selbst wiederherstellen. Fritz Becker vom Deutschen Apothekerverband und Dr. Dirk Heinrich vom NAV-Virchow-Bund wurden zum Sprecher der Allianz gewählt. Angestrebt werden soll auch eine bessere Vernetzung. Schön wär’s. Ob die Allianz dazu beitragen kann, dass Ärzte und Apotheker mehr miteinander sprechen? Zum Beispiel um Medikationsprobleme beim Patienten zu lösen? Und da wär auch noch so ‘ne kleine Übung zur Einstimmung der Allianz: das ABDA-KBV-Modell. Ach, mein liebes Tagebuch, wie sind wir doch heute wieder böse, gell?
18. Juni 2013
Eine breite Mehrheit ist in Sicht – für die Zustimmung zur Notdienstpauschale in der Sitzung des Bundesrates am 5. Juli. Na, das klingt doch schon mal gut. Nordrhein-Westfalen wird sich allerdings enthalten – Grund sind die aus NRW-Sicht unnötigen Bürokratiekosten und die nicht erfolgte Prüfung möglicher Alternativen. Aber die rot-grünen Regierungen von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wollen sich nicht quer stellen und zustimmen. Und dann, ja dann, endlich, am 1. August, kann die Tinte des Bundespräsidenten aufs Dokument fließen und das Gesetz in Kraft treten. Man will es kaum glauben, liebes Tagebuch. Und wenn dann erst noch die erste Nachdienstabrechnung auf dem Apothekenkonto erscheint – na dann mal Prost.
Immer noch keine Einigung über die Liste. Die Liste von Arzneistoffen, die nicht ausgetauscht werden sollen bzw. dürfen und über die schon seit Monaten der Deutsche Apothekerverband und der GKV-Spitzenverband verhandeln. Obwohl die Politik schon mächtig Druck macht – man kommt nicht zu Potte. Der Hessische Apothekerverband hat sich zu Wort gemeldet, um die vom DAV vorgeschlagene Liste zu verteidigen. Er stellt aber klar, dass es „originäre Aufgabe der Apotheker bleiben muss, im Einzelfall zu entscheiden, ob ein Rabattvertragsarzneimittel abgegeben werden kann oder nicht“. Da hat der HAV Recht, mein liebes Tagebuch, Liste hin, Liste her. Aber ein bisschen müssen wir Apothekerinnen und Apotheker uns auch selbst an die Nase fassen: warum haben wir nicht bisher schon mit mehr Selbstbewusstsein pharmazeutische Bedenken angemeldet? In das für das Arzneimittel vorgesehene Faktorfeld auf dem Rezeptformular kommt die „6“: „Pharmazeutische Bedenken angezeigt“ – Nichtabgabe eines rabattbegünstigten Arzneimittels. Punkt.
Wer schon seinen Busführerschein gemacht hat, hat ihn zu früh gemacht. Die CDU hat den rollenden Apothekenbus (selbstverständlich mit barrierefreiem Zugang, Laborabzug und Hygienemanagement) zur Arzneiversorgung der Landbevölkerung nicht ins Wahlprogramm genommen. Aber beim Thema der ärztlichen Versorgung in dünn besiedelten Gebieten spricht das CDU-Programm vom Ausbau der Telemedizin. Ups, kommt da die Cobox mit Videoschirm und Standleitung in die Arztpraxis durch die Hintertür?
19. Juni 2013
Es gibt sie noch, die guten Momente im Apothekerleben: Der GKV-Spitzenverband und der Deutsche Apothekerverband haben dem Kompromiss zum Kassenabschlag, der unter Vermittlung von Rainer Hess zustande gekommen ist, zugestimmt. Zugeständnisse mussten beide Seiten machen. Aber so sind nun mal Kompromisse. Das Ergebnis: für 2009 und 2010 bleibt es bei 1,75 Euro, es kommen also keine Nachzahlungen auf die Apotheke zu, und die anhängigen Klagen werden zurückgezogen. Fürs erste Halbjahr 2013 gelten dann 1,75, fürs zweite Halbjahr werden 1,85 Euro vom Apothekenhonorar zu Gunsten der Kasse abgezogen. Für 2014 wurde ein Apothekenabschlag von 1,80 Euro und für 2015 in Höhe von 1,77 Euro vereinbart. Und ganz wichtig: Beide Vertragspartner wollen sich bis zum 1. Juli 2014 auf das weitere Vorgehen zum Apothekenabschlag nach 2015 einigen. Bleibt eine Gesetzesänderung aus, soll der Abschlag von 1,77 Euro die Basis für das Jahr 2016 sein. Klar, es gibt auch Apothekerinnen und Apotheker, denen dieser Kompromiss nicht gefällt. Aber, mein liebes Tagebuch, es hätte auch schlechtere Alternativen geben können. Also: akzeptieren und Schwamm drüber.
Fürs Tagebuch: Obama in Berlin. Berlin im Ausnahmezustand. Scharfschützen auf den Dächern, Secret Service überall, verschweißte Gullideckel, höchste Sicherheitsstufe in Berlin Mitte. Sengende Sonne, geladene Gäste, Rede vor dem Brandenburger Tor: weniger Atomwaffen, Kampf gegen Klimawandel und Armut, Hoffnung auf Schließung von Guantánamo und: yes we scan – trotzdem Beifall. Obama: er ist kein Berliner. Trotzdem: ein deutsch-amerikanischer Freundschaftstag. Und die eine oder andere Apotheke im Sicherheitsbereich musste sogar geschlossen bleiben. Behördlich genehmigt – und ohne jede Bürokratie. Obama macht’s möglich.
Für die Barmer GEK gibt es die Apotheker schon gar nicht mehr, mein liebes Tagebuch. Jedenfalls kommen sie in den vorgelegten „Gesundheitspolitischen Positionen zur Bundestagswahl 2013“ dieser Kasse nicht vor. Gelobt wird das AMNOG, insbesondere die Nutzenbewertung. Erst auf Nachfrage schiebt die Kasse hinterher, dass die im Papier an die Ärzte und Krankenhäuser gemachten Kooperationsangebote auch für Apotheker gelten. Und: ein intensiverer Austausch zwischen Ärzten und Apothekern sei sinnvoll. Danke, liebe Barmer GEK, das wissen wir selber. Außerdem kommt in der Antwort Skepsis über in Richtung ABDA-KBV-Modell: ein interessanter Ansatz, aber es müssten sich „messbare Erfolge einstellen, die einen höheren Vergütungsaufwand rechtfertigen“. Ja, ja, wenn wir’s denn zeigen dürften. Wo ist das Angebot der Barmer zum ABDA-KBV-Modell?
20. Juni 2013
Ein Jahr ist sie nun schon in Kraft, die Apothekenbetriebsordnung, aber Ruhe mag nicht so recht einkehren. Es regt sich Widerstand. Der brandenburgische Kammerpräsident Jens Dobbert sieht einige „kritische Elemente“ in der ApBetrO, wie er die Streitpunkte nennt. Dazu gehören aus seiner Sicht beispielsweise so Punkte wie die Barrierefreiheit oder die Doku der Hygienemaßnahmen. Während sich ABDA und Bundesapothekerkammer mit der ApBetrO sichtlich arrangiert haben und dieses Fass nicht mehr aufmachen möchten (BAK-Präsident Kiefer: Probleme auf „langsamen Weg“ lösen), will Dobbert mehr. Er möchte manches ändern, ABDA und BAK sollen bitte schön über die kritischen Elemente diskutieren. Vor lauter Dokumentation komme man nicht dazu, sich mit den pharmazeutisch wichtigen Punkten der ApBetro zu befassen. Kritik übt Dobbert an Kiefer, von dem er sich mehr Tatkraft wünscht. Kiefers Weg mit eigenem Herstellungsbetrieb und eigenem Versandhandel mit Discountpreisen ist für Dobbert kein Weg. Daher will die Kammer Brandenburg nun 17 Anträge beim Deutsche Apothekertag einbringen, die sich mit den kritischen Elementen der ApBetrO befassen. Mein liebes Tagebuch, auf die Diskussionen beim Apotag sind wir schon heute gespannt.
So, der Weg ist frei fürs Bürokratiemonster Notdienstfonds. Die Mitgliederversammlung des Deutschen Apothekerverbands (DAV ) hat Satzungsänderungen zur Umsetzung des Notdienstfonds einstimmig beschlossen: Der fünfköpfige DAV-Vorstand organisiert und führt die Geschäfte des Fonds. Wie die Sache mit dem Personalaufwand für den Fonds aussieht, ist noch offen. Und was das alles kosten wird… Mein liebes Tagebuch, wir lieben es – das Monster.
Nein, Celesio geb‘ ich nicht her. Sagt Haniel und dementiert damit Gerüchte, die das Managermagazin in die Welt setzte, wonach es Verkaufsgespräche mit der US-Drugstore-Kette CVS gegeben haben soll. Aber, es soll „Branchenkreise“ geben, die wissen wollen, dass da Interesse von Seiten CVS an Celesio besteht. Diese Kreise wollen auch wissen, dass es Gespräche zwischen CVS und Celesio über mögliche Einkaufskooperationen geben soll. Irgendwas dran ist immer, oder?
Unter der Überschrift „Der Pillendreh“ greift die FAZ die neuen Rabattverträge und ihre Konsequenzen auf, die ab 1. Juli auf die AOK-Patienten zukommen. Der Beitrag erklärt, warum es statt rote Pillen dann blaue Tabletten gibt und wie kompliziert das alles für die Apotheken ist. Er macht auch deutlich, dass der Apotheker das Rabattarzneimittel abgeben muss und nicht austauschen darf. Erika Fink, Hessens Kammerpräsidentin, kommt sogar zu Wort: welche Schwierigkeiten die Belieferung eines Rezepts mit Rabattvertragsarzneimittel macht und wie lange das Heraussuchen der Arzneimittel dauern kann. Sie wünscht sich mehr Spielraum, auch mal austauschen zu dürfen. Dennoch, Rabattverträge seien sinnvoll, wird Fink zitiert, und „Das Geld sparen wir gerne für die Krankenkassen ein.“ Ups, mein liebes Tagebuch, wie mag das Frau Fink gemeint haben?
21. Juni 2013
Wäre doch gelacht, wenn man die „Pille danach“ nicht doch noch aus der Verschreibungspflicht holen kann. Meinen die Grünen und die SPD von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Sie wollen am 5. Juli einen Entschließungsantrag in den Bundesrat einbringen, der das Notfallkontrazeptivum von der Verschreibungspflicht ausnimmt. Schwarz-Gelb war bisher dagegen mit der Begründung, dass Deutschland nur über die Freigabe von Levonorgestrel-haltigen Präparate entscheiden könne, nicht aber über das Ulipristal-haltige Präparat, da dieses von der EU zugelassen sei. Und nach Ansicht von Schwarz-Gelb sei letzteres das „bessere Medikament“. Dieser Ansicht wiederum will Grün-Rot nicht folgen und wagt nun einen neuen Vorstoß. Immerhin seien Levonorgestrel-haltige Präparate in mittlerweile 78 Ländern rezeptfrei erhältlich. Mein liebes Tagebuch, ist das ein Eiertanz! Im Hintergrund spielen da vermutlich noch andere Gründe eine Rolle wie beispielsweise Interventionen der Gynäkologen, die die Rezeptpflicht beibehalten wollen. Aber vielleicht klappt die Freigabe ja in diesem Anlauf. Und, liebe ABDA, ein klares Statement der Apothekerschaft, dass die Patientinnen bei der Abgabe der Pille danach in der Apotheke kompetent beraten werden, könnte sicher unterstützend helfen. Wie wär’s damit? Wir warten darauf.
Es geht so weiter – mit den Apothekenschließungen. Krasses Beispiel: der Kammerbezirk Westfalen-Lippe, der mit 57 Apothekenschließungen im vergangenen Jahr deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt. Und der Trend setzte sich im ersten Halbjahr 2013 fort. Mittlerweile steht Westfalen-Lippe auf dem niedrigsten Stand seit 1983. Laut Kammerpräsidentin Overwiening sind dafür die schlechten wirtschaftlichen Perspektiven Für Apotheken verantwortlich. Junge Pharmazeutinnen und Pharmazeuten wagen vor diesem Hintergrund nicht mehr den Sprung in die Selbstständigkeit. Mein liebes Tagebuch, die großen Apotheken werden größer, beschäftigen mehr Pharmazeuten, kleine Apotheken müssen aufgeben. Wann ist die kritische Grenze erreicht? Werden Pharmakritiker Recht behalten, die für Deutschland eine Apothekenzahl von 16.000 bis 17.000 für ausreichend halten?
Das Institut für Service-Qualität hat im Auftrag des Senders n-tv die Qualität von Versandapotheken unter die Lupe genommen. Bewertet wurden die Website, Bestell- und Beratungsvorgänge per Telefon und E-Mail und der Preis. Fazit: nette Internetaufmachung, aber der Service ist ausbaufähig. Zur Beratung: bei vielen Versendern zeigten sich unzureichend beantwortete E-Mail-Anfragen, lange Wartezeiten bei telefonischen Nachfragen und oft oberflächliche Beratung. Interessant: der günstigste Versender war der am wenigsten serviceorientierte – tja, wer hätte das gedacht?
Kommt jetzt der Run auf die billigen Viagra-Generika? Ab 22. Juni gibt’s Sildenafil-Generika – der Patentschutz ist in Deutschland abgelaufen. Auch Originalanbieter Pfizer bringt neben Viagra ein Sildenafil-Generikum auf den Markt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat insgesamt 28 Zulassungen erteilt. Ob sie alle an den Start gehen, wird sich zeigen. Aber: es bleibt natürlich verschreibungspflichtig. Möglicherweise werden dubiose ausländische Internetapotheken jetzt verstärkt trommeln und gefälschte Produkte ohne Rezept anbieten. Da wäre eine pfiffige Kampagne der deutschen Apotheker, die auf diese Gefahren hinweist, gar nicht schlecht...
23.06.2013, 08:00 Uhr