Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen

Fenistil: Novartis unterliegt im Dachmarken-Streit

Berlin - 26.06.2013, 09:35 Uhr


Novartis darf seine Creme „Pencivir bei Lippenherpes“ nicht unter der Dachmarke Fenistil führen. Der zusammengesetzte und von der Dachmarkenbezeichnung angeführte Name sei irreführend, entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen. Es bestätigte damit das in der ersten Instanz ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Köln aus dem April 2011.

Novartis vertreibt unter der Marke Fenistil mehrere rezeptfreie Arzneimittel für die Haut. Der Klassiker unter ihnen ist das Fenistil® Gel gegen juckende und brennende Haut. Das Gel enthält den Wirkstoff  Dimetindenmaleat – das gleiche gilt für die Fenistil-Präparate zum Einnehmen (Tropfen, Dragees, 24-Stunden). Doch auch die Lippenherpes Creme wird mit der vorangestellten Marke Fenistil angeboten. Ihr Wirkstoff: Penciclovir.

Als Novartis 2005 seine Herpescreme der Dachmarke Fenistil unterstellen wollte und dies beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) anzeigte, verweigerte die Behörde diese Änderung. Der in den meisten Fenistil-Präparaten enthaltene Wirkstoff Dimetindenmaleat sei in dem Präparat nicht enthalten; eine entsprechende Wirkung durch ein Antihistaminikum werde suggeriert, liege aber nicht vor. Es kam zu einem sich über Jahre hinziehenden Rechtsstreit zwischen BfArM und Novartis. Währenddessen nutzte das pharmazeutische Unternehmen die Dachmarke für seine Herpescreme bereits. Nun könnte das Verfahren möglicherweise bald sein Ende finden. Das VG Köln hatte vor gut zwei Jahren entschieden, dass die Änderung einer Arzneimittelbezeichnung und damit die Verwendung eines bereits für einen anderen Wirkstoff etablierten Markennamens für anders zusammengesetzte Arzneimittel nicht zulässig ist. Dieses Urteil hat das OVG NRW nun bestätigt.

Eigentlich hatte Novartis den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären wollen: Anfang Juni hat das Unternehmen dem BfArM eine Änderungsanzeige übersandt. Darin zeigte es an, die Bezeichnung ändern zu wollen: das „Fenistil“ sollte aus dem Namen verschwinden. Damit hat sich das ursprüngliche Begehren, nämlich den Dachmarkennamen zu führen, tatsächlich erledigt. Doch das beklagte BfArM hatte aus Sicht der Verwaltungsrichter ein schutzwürdiges Interesse an einer Sachentscheidung – nicht zuletzt weil Wiederholungsgefahr besteht: Denn im Fenistil-Portfolio finden sich auch noch weitere Präparate, die nicht Dimetindenmaleat als Wirkstoffe enthalten.

Und so führt das OVG aus, dass die Bezeichnung unvereinbar mit § 8 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Arzneimittelgesetz ist. Danach ist es verboten, Arzneimittel herzustellen oder in den Verkehr zu bringen, die mit irreführender Bezeichnung versehen sind. Bei Arzneimitteln, die zur Selbstmedikation angeboten werden, ist darauf abzustellen, wie der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher die Bezeichnung versteht. Dieser vertraue typischerweise darauf, dass die zugelassene Bezeichnung so eindeutig ist, dass sie keine Fehlvorstellungen bzw. Missverständnisse über das Arzneimittel auslöst, heißt es im Urteil. Diese erforderliche Eindeutigkeit sei im Fall der Herpescreme nicht gegeben. Wenn der Hauptbestandteil einer mehrteiligen Bezeichnung aus einer Dachmarke bestehe, dies seit mehreren Jahren für bestimmte Arzneimittel genutzt werde (hier: Fenistil-Präparate mit dem Wirkstoff Dimetindenmaleat), bestehe die Gefahr, dass Verbraucher, die ein Präparat dieser Marke kennen, ein dieselbe Hauptbezeichnung führendes neues Arzneimittel hinsichtlich seines Anwendungsgebiets und seiner therapeutischen Wirksamkeit als gleich oder zumindest ähnlich wahrnehmen. Diese Assoziation, so das OVG, sei aus betriebswirtschaftlicher Sicht gerade ein zentraler Grund für die Verwendung von Dachmarken.

Die irreführende Wirkung der Hauptbezeichnung werde auch nicht durch den Zusatz „bei Lippenherpes“ ausgeräumt. Dies verdeutliche zwar ein anderes Anwendungsgebiet. Es ergebe sich hieraus aber nicht, dass das Arzneimittel einen anderen Wirkstoff enthält als die meisten anderen Fenistil-Präparate und einen anderen Wirkmechanismus auslöst. Bestätigt sieht sich das OVG in seiner Einschätzung auch in der Bewerbung der Creme durch eine „namhafte“ Internetapotheke. In ihrer Information hieß es, Penciclovir sei nur als Hilfsstoff beigefügt – obwohl es tatsächlich der einzige Wirkstoff ist. Dass eine solche Fehleinschätzung einem Betreiber einer Internetapotheke unterlaufe, belege die erhebliche Gefahr der bezeichnungsbedingten Irreführung der Verbraucher, so das Gericht.

Die Revision hat das OVG nicht zugelassen. Rechtskräftig ist das Urteil aber noch nicht, es ist noch die Nichtzulassungsbeschwerde möglich.

Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Juni 2013, Az.: 13 A 1113/11


Kirsten Sucker-Sket


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