Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

29.09.2013, 08:00 Uhr


Die Woche nach der Wahl. Und was für eine Wahl! Auf jeden Fall historisch. Deutschland ohne FDP, die „Apothekerpartei“, wie es die „heute Show“ ausdrückte. Aber keine Angst, mein liebes Tagebuch, das war nur ein Denkzettel. Die Gelbblauen kommen wieder. Doch bis dahin wird sich einiges ändern, hoffentlich auch bei den Apothekern. Vielleicht wird bis dahin unser Leidbild zum Leitbild, damit wir wenigstens wissen, wo’s lang geht. Und während wir über Leistungen und Honorierungen nachdenken, diskutieren, sie verwerfen und neu formulieren, haben die Ärzte den Kassen schon mal einen kleinen bescheidenen jährlichen Kosten- und Inflationsausgleich abgerungen. Sind halt einfach „Käpsele“ (schwäb. für: clever, smart).

23. September 2013

Die Wahl ist vorbei und die Fragezeichen, wie’s weitergeht, sind so groß wie nie. Schwarz-Rot, Schwarz-Grün, Rot-Rot-Grün, auch nur Schwarz ist möglich oder sogar Neuwahlen – alles ist offen, faîtes votre jeu! Nur das gelbe „Zünglein an der Waage“, das gibt es nicht mehr. Ja, dass der liberale Geist fehlt, das darf man bedauern. Aber vielleicht tut es dieser Partei auch gut, innere Einkehr zu halten, neue Leute aufzubauen und dann wie ein Phoenix aus der Asche wieder zu kommen. On verra.

Und schon wird in Apothekerkreisen die Frage laut: Wer wird den Stuhl des  Gesundheitsministers einnehmen? Karlchen Fliege? Wohl kaum. Die Bayern Söder oder Singhammer? Denkbar. Ursula von der Leyen als Medizinerin? Theoretisch möglich. Mein liebes Tagebuch, alles Spekulation. Es könnte auch eine Person sein, die man nicht so auf dem Schirm hat. Aber, so lange es keinen Neuen gibt, bleibt Daniel Bahr im Amt.

24. September 2013

In Sachen Logistik macht den deutschen Apotheken und ihren Großhändlern keiner so schnell was vor. Das läuft richtig rund. Und es soll noch effizienter und schneller werden. Ab dem 1. Oktober wird ein neues technisches Verfahren für die elektronischen Arzneibestellungen eingeführt. Das haben die Verbände der Apotheker (DAV), des Großhandels (Phagro) und der Softwarehäuser (ADAS) angekündigt. Der neue Datenübertragungsstandard soll internetbasiert sein und die Webdienste des Großhandels vereinheitlichen. Der Internetanschluss reicht aus. Die Apotheke soll beispielsweise dann selbst bestimmen können, wann der Auftrag übermittelt wird. Und die Apotheke bekommt ohne Wartezeit eine Info, ob die bestellten Artikel lieferfähig sind. Das klingt doch schon mal toll, mein  liebes Tagebuch. Die Technik ist super. Und wenn wir dann in der Gesellschaft unseren Platz nicht nur als Super-Logistiker einnehmen, sondern auch als Therapiebegleiter und Lotse wahrgenommen (und auch dafür honoriert) werden und partnerschaftlich mit den Ärzten zusammenarbeiten können, dann haben wir es geschafft.

25. September 2013

Nur, wir sollten aufpassen, dass andere nicht schneller sind. Wenn wir uns in der Rolle der ewigen Bedenkenträger gefallen, kann es sehr leicht möglich sein, dass wir von der  realexistierenden Globalisierung überholt werden. Jüngstes Beispiel: Dr.Ed und die Kooperation mit ordermed. Die „Pille danach“ in weniger als 30 Minuten  – ohne persönlichen Arztkontakt  wird da versprochen. Mein liebes Tagebuch, wie hat sich in den letzten Jahren unsere Berufsvertretung davor gewunden, eine eindeutige Pro-Stellungnahme zur Abgabe der „Pille danach“ abzugeben. Wenn die Gesellschaft es will, dann stehen die Apothekerinnen und Apotheker bereit, diesen Auftrag zu erfüllen, wir können das – so oder ähnlich hätte die Stellungnahme lauten können. Erst jetzt auf dem Apothekertag, als die politische Realität schon den Weg weist, die „Pille danach“ ohne Rezept zu erlauben, zieht die offizielle Apothekerstimme nach und spricht sich für eine Entlassung von Levonorgestrel aus der Verschreibungspflicht aus. Andere waren schneller. Die in London ansässige Online-Arztpraxis Dr. Ed liefert nun – nur aufgrund eines Internetkontaktes – das Rezept, ausgestellt von einem deutschen Arzt mit einer deutschen Approbation. Beliefert wird es über eine der rund 750 bei ordermed angeschlossenen Apotheken vor Ort.  Die Apotheke bekommt das Rezept per Fax und kann einen Boten losschicken. Das Rezept kommt am nächsten Tag per Post. Und das soll unproblematisch und zulässig sein, weil es sich um einen Notfall handelt. Da werden Fakten geschaffen – ob man das nun für gut befindet oder nicht. Ab Oktober 2013 soll dann sogar jeder beliebige europäische Arzt ein Rezept ausstellen können. Das soll eine EU-Richtlinie zur Regelung der gültigen Mindestvorgaben für ärztliche Verschreibungen vorsehen, die die Mitgliedstaaten bis zum 25. Oktober 2013 in innerstaatliches Recht umsetzen müssen. Mein liebes Tagebuch, wir werden sehen, wie sich das entwickelt. Widerstand gegen eine Arztkonsultation via Internet regt sich jedenfalls in Bayern. Es sollte nach Auffassung des Freistaates nicht erlaubt sein, dass von Online-Arztpraxen ausgestellte Rezepte in deutschen Apotheken eingelöst werden können. Hmm, irgendwie wird das wohl schwer mit EU-Recht vereinbar sein. Na ja, Bayern will ja auch die Maut für die Ausländer. Ist Bayern auf dem Weg, aus der EU auszutreten?

Oh, oh, Herr Buse, wie legen Sie sich da Ihre schöne Versandapothekenwelt zurecht. Der Vorsitzende des Bundesverbands Deutsche Versandapotheken (BVDVA), Christian Buse, hat sich mit dem Vorschlag hervorgetan, die Politik möge den Versandapotheken gesetzliche Möglichkeiten einräumen, Bonusmodelle für Krankenkassen und chronisch kranke Patienten anzubieten. Das fördere Wettbewerb und Kundenorientierung. Sein Vorschlag: Versandapotheken könnten noch intensiver als Therapiebegleiter ihrer Kunden aktiv werden und ein Medikationsprofil erstellen. Und über Bonusmodelle könnten Patienten für das Medikationsmanagement gewonnen werden. Ups, mein liebes Tagebuch, Versandapo, Therapiebegleiter, Medikationsmanagement – das sind Wörter, die überhaupt nicht zusammenpassen wollen. Eine Therapie-Begleitung übers Internet? Ein Medikationsmanagement per Telefon? Das sind aus meiner Sicht Widersprüche in sich. Wenn man das ernst meint, sollte man wissen, dass das nur persönlich geht. Man muss den Patienten vor sich haben, persönlich, von Angesicht zu Angesicht, mit ihm reden. Das, was Herr Buse und die Versender unter Medikationsmanagement und Therapiebegleitung verstehen, kann nicht das sein, was man in der Klinischen Pharmazie, was man im neuen Leitbild darunter versteht. Schon jetzt dürften die Beratungstelefonkontakte von Versandapos zum Patienten äußerst selten sein. (Und wie haben sich die Versender gewehrt, telefonisch beraten zu müssen, wie es die Apothekenbetriebsordnung vorsieht.) Da ist es absurd, daran zu denken, dass Versender mit Patienten ein Medikationsmanagement aufbauen, das intensiver Gespräche bedarf. Mein liebes Tagebuch, da werden Schlagworte wie Therapiebegleitung und Medikationsmanagement  als Feigenblatt genommen, um wieder mit Bonusmodellen billigen Wettbewerb zu machen und Kunden abzujagen.

26. September 2013

Neidlos, völlig neidlos gratulieren wir unseren heilberuflichen Kolleginnen und Kollegen, den lieben Ärztinnen und Ärzten, zu ihrer verhandelten Honorarerhöhung von drei Prozent in 2014. Mein liebes Tagebuch, was man uns Apothekerinnen und Apotheker mühsamst alle acht Jahre zugesteht, geht an die Ärztinnen und Ärzte fast alle Jahre. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat sich mit dem GKV-Spitzenverband auf eine „Korridorsumme zwischen 590 und 800 Millionen Euro“ fürs nächste Jahr verständigt, freut sich die KBV. Nicht schlecht, oder? Ja klar, damit kann man wenigstens einen Teil der steigenden Kosten auffangen, und man tut ein bisschen was für den Inflationsausgleich. Außerdem hat man ein Routineverfahren für den Inflationsausgleich vereinbart – damit auch in den nächsten Jahren die inflationäre Kostenentwicklung ausgeglichen wird. Nett, richtig nett. Damit nicht genug. KBV und GKV verständigten sich außerdem auf eine weitere Förderung der Grundversorgung um 140 Millionen Euro. Und dann wären da noch die ausstehenden regionalen Verhandlungen der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Krankenkassen, die weitere Ergebnisse, selbstverständlich in Richtung Erhöhung bringen dürften. Super, gell, das sprudelt. Und was läuft bei uns? Bahr, der bald nicht mehr Gesundheitsminister sein wird, hatte auf dem Apothekertag die vage Überlegung geäußert, das Apothekerhonorar wenigstens „in jeder Legislaturperiode einmal anzuschauen“. Tja, ob sich sein(e) Nachfolger(in) daran erinnern wird? Mein liebes Tagebuch, wir sind doch schon froh und dankbar, wenn man uns unser Honorar nicht kürzt – oder? Und dann werden von Apothekerseite noch so ungehörige Forderungen laut nach einem Extra-Honorar für Medikationsmanagement und besondere Beratungsleistungen. Also Leistungen, für die manche Krankenkassen heute schon den Ärzten Extra-Honorare aufdrängen. Und jetzt wollen da die Apothekers mitmischen? Wo kommen wir denn dahin? Das hat es doch noch nie gegeben!

27. September 2013

Das hört sich gut an: Die Apothekerkammer Nordrhein will den Notdienst in ihrem Kammerbezirk ab 1. Januar 2014 neu regeln. Basis ist eine IT-gestützte Lösung. Die Notdienste sollen künftig nicht mehr innerhalb einzelner Städte oder Gemeinden, sondern flächendeckend über das gesamte Kammergebiet ermittelt werden. Das soll zukunftsfähige Strukturen schaffen. Außerdem will die Kammer damit auf die steigende Zahl von Apothekenschließungen reagieren. „Löcher“ im Versorgungsnetz sollen so vermieden werden. Mein liebes Tagebuch, wenn dieses Nachtdienstprogramm funktioniert, dann wäre das wirklich ein Fortschritt, auch um für mehr Gerechtigkeit bei der Einteilung der Nachtdienste zu sorgen. Und andere Kammern könnten das Programm übernehmen, oder?


Peter Ditzel