Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

22.12.2013, 08:00 Uhr


Daniel Bahr sagt Ade und ist draußen, Hermann Gröhe lächelt ein Hallo und ist drin – und verpasst den Pharmaherstellern schon mal einen verlängerten Preisstopp. Wie schnell doch eine Regierung arbeiten kann. Kaum im Amt, schon sind Gesetze gemacht. Und ein neuer Fall wartet schon auf Hermann G.: Die Lieferkette von importierten Arzneimitteln muss transparent werden, sonst sind Fälschungen Tür und Tor geöffnet. Keine Tür ins Apothekerhaus hat sich dem Verband mit dem unaussprechlichen Namen, dem i-DAA-WL geöffnet. Er hatte auch nicht ernsthaft damit gerechnet. Womit die Apotheken endlich rechnen können, zeigt das Türchen zum Konto. Wer es öffnet, sieht das Nachtdienstgeld. Kinder, es weihnachtet.

16. Dezember 2013

Bahr ist weg, Gröhe ist da. Wie es mit ihm werden wird? Da hört man die unterschiedlichsten Meinungen. Von großer Skepsis, da er ein vollkommener Neuling in Sachen Gesundheitspolitik ist, bis hin zu  Vorschusslorbeeren, da es vielleicht auch ganz gut sein kann, wenn sich einer mal unvoreingenommen den Laden ansehen kann. Also, mein liebes Tagebuch, ich denke, wir lassen das mal gaaaanz ruhig auf uns zu kommen. Wir, die Apotheker, stehen in den nächsten Jahren hoffentlich nicht im Einspar-Fokus. Allerdings werden wir uns deutlich bemerkbar machen müssen, denn da sind noch ein paar Baustellen offen, ich sag nur Rezepturarbeitspreise, BtM-Gebühr und Honoraranpassung.

„Buy local“, eine Initiative für den Einkauf vor Ort – das könnte in den kommenden Jahren eine Bewegung werden. Der Buy-local-Verein engagiert sich für den Einzelhandel vor Ort. Initiiert von Buchhändlern, die sich gegen die Übermacht von Amazon wehren, schließen sich jetzt weitere Branchen an, auch die Apotheker. Der Landesapothekerverband Baden-Württemberg ist Sponsor von buy local. Mein liebes Tagebuch, das ist doch eine gute Idee. Nichts gegen den Internetversandhandel, der sich heute nicht mehr wegdenken lässt und auch seinen Platz hat. Aber es muss nicht alles mit dem Paketboten unter Verbrauch von Kartonagen, Energie und anderen Ressourcen kommen. Buy local setzt sich u. a .dafür ein, das Einkaufserlebnis vor Ort zu stärken, in der Stadt, im Dorf. Das unterstützen wird doch gerne. Apotheken können übrigens auch Mitglied bei Buy local werden. Real life statt cyber commerce.

17. Dezember 2013

Da müssen Insel-Apotheker, von ihrer Kammer eingeteilt, sehr häufig Nachtdienst machen und bekommen dementsprechend ein paar NNF-Euro mehr – und schon kommt der schleswig-holsteinische Kammergeschäftsführer und meint, da müsste man über eine Deckelung nachdenken. Nee, nee, so geht’s nicht, mein liebes Tagebuch. Wer die Musik bestellt, bezahlt auch dafür. Na, vielleicht hat der Geschäftsführer da seine Geschäfte im Weihnachtstrubel in bisschen zu  schnell geführt. Kammerpräsident Ehmen hat da netterweise klärende Worte hinterhergeschoben: Die Höhe der Zahlung gemäß dem ANSG bemesse sich nicht an der Häufigkeit der Inanspruchnahme im Nacht- und Notdienst. Die Zielrichtung dieses Gesetzes sei, die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Danke, Herr Ehmen. Damit ist diese Diskussion dann hoffentlich vom Tisch.

„33 Dinge, die Apotheker verschweigen“ – das Titelthema in der Januar-Ausgabe von Reader’s Digest. Das Magazin stellt Ergebnisse einer Bevölkerungsumfrage (wie Bürgerinnen und Bürger über Apotheker, Apotheken und Apothekenpreise denken) den Einschätzungen von Apothekerinnen und Apotheker selbst gegenüber. Die befragten angestellten und selbstständigen Kolleginnen und Kollegen konnten zu den Ergebnissen Stellung nehmen, darauf reagieren und ihre Sicht darlegen. Das finden wir doch mal einen guten Ansatz, mein liebes Tagebuch. So haben die Apotheker die Gelegenheit, mit falschen Vorstellungen  aufzuräumen und der Leser erfährt, wie Apotheker über seine Ansichten denken.

Ganz offiziell: Gröhe ist zum Bundesgesundheitsminister ernannt. Die ABDA gratuliert. Und: „Die Apotheker werden sich aktiv in alle Diskussionen einbringen, die pharmazeutische Kompetenz erfordern und die Arzneimittelversorgung verbessern können. Das Wissen der Apothekerinnen und Apotheker und die Erfahrungen aus den Apotheken werden wertvolle Impulse für ein zukunftsfestes Gesundheitswesen zum Nutzen der Patienten liefern“, signalisiert der ABDA-Präsident. So ist’s recht, mein liebes Tagebuch. Jetzt heißt es: Am Ball bleiben! Und: Mach was draus.

18. Dezember 2013

Der offene Brief von acht Professoren, mit dem sie die Qualität der apothekerlichen Kammerfort- und -weiterbildung beklagen, hat ein vorweihnachtliches Schneegestöber ausgelöst. Zu wenig Wissenschaft, zu viel Wirtschaft, so lautete der Vorwurf ex cathedra. Viele zertifizierte Kammerveranstaltungen seien von den wirtschaftlichen Interessen der Pharmaindustrie bestimmt. Das saß. Und lockte den Präsidenten der Bundesapothekerkammer hervor.  Die Auffassung, die Landesapothekerkammern nähmen ihre elementaren Aufgaben nicht wahr, entbehre jeder Grundlage, posaunt Kiefer zurück. Er bemängelt, dass die professoralen Aussagen nicht auf repräsentativen Untersuchungen beruhten und überhaupt müssten die Apotheker, egal ob sie allopathische oder homöopathische Arzneimittel abgeben, informieren und beraten. Womit er Recht hat. Mein liebes Tagebuch, daraus könnte man doch mal eine nette Diskussionsrunde machen, BAK und Professoren an einem Tisch, oder?

„Tschüss, Servus und Ade“ – mit diesen Worten verabschiedete sich Gesundheitsminister Daniel Bahr von seinem Ministerium und übergab an Hermann Gröhe. Bahr war der erste FDP-Politiker im Amt des Bundesgesundheitsministers. Und, was meinst Du, mein liebes Tagebuch, rückblickend war er doch – mal losgelöst betrachtet von seiner Partei – ein passabler Gesundheitsminister – da hatten wir schon andere. Klar, als Apotheker hätten wir uns noch mehr vorstellen können. Aber was letztlich in seiner Amtszeit pro Apotheke lief, das war so schlecht nicht. Er hatte ein offenes Ohr für die Pharmazeuten. Er hörte zu. Was mir an ihm gefiel: Er war wirklich sachkundig im Gesundheitswesen. Er kannte sich aus und wo nicht, dort informierte er sich auch vor Ort. Ich erinnere mich noch an den Besuch Bahrs in einer Nachtdienst-Apotheke. Über zwei  Stunden nahm er sich dort Zeit, sprach mit der Apothekerin, ließ sich alles zeigen und erklären. Werden wir ihn vermissen?

„Wir müssen draußen bleiben“, heißt es jetzt beim i-DAA-WL, der Interessengemeinschaft Deutscher Apothekerinnen und Apotheker in Westfalen-Lippe e.V. Ja, mein liebes Tagebuch, hatten die ABDA-kritischen, auch als „Protest-Apotheker“ bezeichneten Kolleginnen und Kollegen doch tatsächlich das Begehren an die ABDA gerichtet, in den Bundesverband der Apothekerverbände aufgenommen zu werden. Nach nun rund sieben Monaten liegt die inhaltsschwere Antwort in vier Sätzen ohne Begründung, präzise durchformuliert vom ABDA-Hauptgeschäftsführer, vor: Einstimmig abgelehnt. Ja, so richtig hat mit einer Aufnahme in die ABDA denn auch wohl keiner gerechnet, das wäre ja fast so gewesen, wie wenn wir jetzt Weihnachten und Ostern zusammenfielen. Es gilt, was gelten muss: Nikolausi bleibt Nikolausi und Osterhasi bleibt Osterhasi. Da wird nichts vermischt, wo kämen wir denn da hin? Nun, mein liebes Tagebuch, der i-DAA-WL steht natürlich nicht stellvertretend für die Basis. Es ist eine Gruppe berufspolitisch Aktiver, die sicher auch nicht immer Recht haben, aber das eine oder andere hinterfragen. Und das gehört nun mal zu einer guten Demokratie dazu: dass sich die Meinung anders Denkender, wie auch immer man dazu stehen mag, abbildet und gehört wird. Das könnte sich natürlich auch durch eine Mitarbeit in den Delegiertenversammlungen äußern. Wozu der i-DAA-WL-Vorsitzende im Übrigen jetzt aufgerufen hat. Aber mal „tiefenpsychologisch“ betrachtet: Vielleicht ist so eine Verbandsgründung von Kritikern nur eine Art Hilferuf: Nehmt uns ernst, redet mit uns, öffnet Euch und seid transparenter. Passend zur Zeit also: Macht hoch die Tür.

19. Dezember 2013

Das Fernsehmagazin Plusminus ging dem Weg gefälschter Importe nach. Aktueller Anlass waren die aufgetauchten Arzneimittelfälschungen der Präparate Pegasys und Sutent. Das Fazit des Magazins: Die Lieferkette ist intransparent und keiner so richtig dafür verantwortlich. Die neue Regierung sollte sich das ganz oben auf die Agenda schreiben. Mein liebes Tagebuch, das hat man sich bisher noch nicht so bewusst gemacht: Von wem beziehen Importeure im Ausland ihre Ware? Nicht immer, wie es in der Sendung zu Tage trat, von der ausländischen Niederlassung des Herstellers. Da gibt es im Ausland auch  Zwischengroßhändler, Arzneimittel-Broker und Apotheken, die die Ware weiterverhökern. Und da kaufen die Importeure dann schon mal ein, wenn’s Angebot günstig ist. In den von Plusminus gezeigten Fällen war der Weg der Packungen nicht rückverfolgbar. Da tut sich eine echte Lücke auf. Bei Arzneimitteln darf es so etwas nicht geben. Wenn man heute bei jeder Kuh feststellen kann, wo sie geboren und aufgewachsen ist, sollte man bei einem Arzneimittel erst recht wissen, woher es kommt. Herr Gröhe, Ihr erster Fall!

Wenn’s pressiert, kann eine Regierung Gesetze auch mal im Blitzverfahren durch die Instanzen jagen. Zum Beispiel den Preisstopp für Arzneimittel. Er sollte am 31. Dezember 2013 auslaufen, die Firmen hätten dann freie Hand für Preiserhöhungen gehabt. Nun haben wir nach fast drei Monaten wieder eine Regierung und die hat sich gleich ans Werk gemacht:  drei Lesungen im Bundestag, Zustimmung im Bundesrat und schon kann das Preismoratorium über den Jahreswechsel hinaus bis zum 31. März bestehen bleiben. Ein neues Gesetz, das dann die Preise ab April regelt, wird Anfang des neuen Jahres in Ruhe vorbereitet werden. Für die Pharmahersteller war das ein klarer Fehlstart in der Arzneimittelpolitik. Seit vier Jahren konnten die Unternehmen keine Preise mehr erhöhen und hatten so keine Möglichkeit, Kostensteigerungen zu kompensieren. Tja, mein liebes Tagebuch, dafür werden die Krankenkassen immer fetter.

20. Dezember 2013

Schon aufs Konto geschaut? Heute könnten die NNF-Euro eingetroffen sein. Rund 225 Euro pro Nachtdienst sollen es sein. Je nach Anzahl der Dienste kommt so ein kleineres oder auch mal größeres Sümmchen zustande. Mein liebes Tagebuch, das ist in Anbetracht unseres Aufwandes alles nicht die Welt und macht den Kohl nicht fett. Aber immerhin, eine Anerkennung. Und das ist gut so. Ob wir am Ende des nächsten Jahres einen fairen Rezepturarbeitspreis und eine angepasste BtM-Gebühr auf dem Konto finden?

Mein liebes Tagebuch, jetzt stecken wir die vierte Kerze an, freuen uns auf das Weihnachtsfest und ein paar ruhigere Tage „zwischen den Jahren“.  Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern meines Tagebuchs ein frohes Weihnachtsfest.


Peter Ditzel