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Die letzte Woche
Mein liebes Tagebuch
Eigentlich fühlt man sich nicht so wohl, wenn ein Partner klammert – oder? Jetzt wollen die Kammern klammern. Kammern sind Klammern, sagt der BAK-Präsident. Ach, geht’s noch? Statt Klammern wär’ doch mehr Transparenz besser, oder? Ja und dann war die letzte Woche die Woche der Substitutionsausschlussliste. Apotheker und Kassen haben sich geeinigt bzw. angefangen sich zu einigen, welche Stoffe nicht ausgetauscht werden dürfen. Ist gut, so ’ne klare Vorgabe, oder? Bloß die Kriterien, nach denen ein Stoff auf die Liste kommt, die sind geheim. Eigentlich. Ach ja. Und: Haben wir die Liste wirklich gebraucht?
6. Januar 2014
Ich bin kein „ausgewiesener Gesundheitspolitiker“ – das sagt Hermann Gröhe, unser neuer Bundesgesundheitsminister frank und frei in der „Bild am Sonntag“. Stimmt, ist er nicht. Er wird sich da wohl so nach und nach erst in sein neues Ressort einarbeiten. Zunächst mal will er, wie im Koalitionsvertrag niedergeschrieben, die Wartezeiten der Versicherten auf einen Arzttermin verkürzen und sich um die Arztdichte im ländlichen Raum kümmern. Zur Apotheke sagte er nichts. Mein liebes Tagebuch, ist das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?
Helfen nun Früherkennungsuntersuchungen oder nicht? Der Streit darüber ist so alt wie es sie gibt. Der Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Jürgen Windeler, hat da so seine Zweifel. Tja, mein liebes Tagebuch, bei Männern, die Vorsorgemuffel schlechthin, rennt er hier wohl offene Türen ein. In der Bevölkerung allgemein seien Vorsorgeuntersuchungen dagegen „enorm positiv besetzt“. Windeler meint allerdings, es gehe hier auch um ökonomische Interessen der Mediziner. Ärzte rieten zu Vorsorgechecks, damit Patienten in die Praxen strömen. Hm, mein liebes Tagebuch, da lässt sich trefflich streiten, gell?
7. Januar 2014
Seit August geht der Streit über eine Substitutionsausschlussliste hin und her. Obwohl der Deutsche Apothekerverband (DAV) bereits eine Vorschlagsliste mit kritischen Stoffen erarbeitet hatte, die im Rahmen einer Aut-idem-Substitution nicht ausgetauscht werden sollten, wollte der GKV-Spitzenverband davon nichts wissen und ließ den Streit bis zur Schiedsstelle eskalieren. Dem Gesundheitsministerium wurde das zu bunt, es schaltete sich Ende letzten Jahres ein und drohte, die Liste schlussendlich vom Gemeinsamen Bundesausschuss festsetzen zu lassen. In dieser Woche wurde bekannt, man habe sich geeinigt. Endlich! Ab 1. April dürfen das Immunsuppressivum Ciclosporin und das Antiepileptikum Phenytoin nicht mehr im Rahmen der Aut-idem-Substitution ausgetauscht werden. Weitere Wirkstoffe sollen bald folgen. Warum die Kassen einlenkten, weiß man nicht. Mein liebes Tagebuch, ich kann mir nicht vorstellen, dass es Einsicht und Sorge der Kassen um das Wohl ihrer Versicherten war. Vorstellen kann man sich da schon eher, dass die Finanzchefs der Kassen über den Berechnungen sitzen, wie viele Euro an Einsparungen nun durch diese Liste verloren gehen. Und wie man diese Beträge wohl am besten von – na von wem wohl? ja: – von den Apotheken hereinholen kann. Ja, ja, haben wir diese Ausschlussliste wirklich gebraucht? Hätte nicht die „Sonderziffer 6“ gereicht?
8. Januar 2014
Und gleich legt der GKV-Spitzenverband zum Thema Ausschlussliste nach. Sie sei eine „akzeptable Zwischenlösung“. Ziel sei aber, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, dass in Zukunft der Gemeinsame Bundesausschuss die Ausschlusskriterien festlegt. Nur so könne diese Liste willkürfrei, nachprüfbar und zukünftig weiterentwicklungsfähig“ sein. Meint der GKV-Spitzenverband. Das lassen wir hier mal so stehen.
Hört sich jedenfalls gut an: Die Kammern Nordrhein und Westfalen-Lippe wollen auf lange Sicht ein gemeinsames Notdienstsystem einrichten, weg von regionalen Notdienstbezirken, hin zu einem flächendeckenden Gesamtnetz. Hinter all dem steht eine ausgeklügelte IT und Software. Letztlich sollen die Notdienste gleichmäßiger verteilt sein. In Westfalen-Lippe, wo diese Software bereits seit 2012 läuft, soll man damit gute Erfahrungen gemacht haben. Na, mein liebes Tagebuch, und wie wär’s da mittelfristig mit einer gesamtdeutschen Lösung? Notdienste unabhängig von den Grenzen der Kammerbezirke und Bundesländer, sondern nur die Entfernungen zum Patienten im Fokus?
Ein Apotheker, der trotz Bestehen eines Rabattvertrags einen mit Aut-idem-Kreuz verordneten Import abgibt, darf dafür nicht von der Kasse retaxiert werden. Das ist doch mal eine klare Aussage, getroffen vom Sozialgericht Koblenz. Es gab einem Apotheker Recht, der so gehandelt hatte. Wenn der Arzt den Import will, dann ist der abzugeben, auch wenn ein Rabattvertrag besteht. Damit ist dem hohen Lied „Rabattverträge über alles“ wieder mal ein bisschen zugesetzt worden. Mein liebes Tagebuch, wie finden wir das?
Und nochmal Substitutionsausschlussliste. Zwei Wirkstoffe stehen auf der Liste, über die Aufnahme von 20 weiteren müssen sich Kassen und Apothekerverband noch einigen. Puh, das klingt nach zähen Verhandlungen. Da das Verfahren derzeit bei der Schiedsstelle liegt, geht das Spiel nun wie folgt weiter: Beide Parteien benennen innerhalb eines Monats zwei Gutachter, einen von jeder Seite. Die Sachverständigen sollen dann nochmals ein Vierteljahr Zeit bekommen, ihre Stellungnahmen zu erstellen, die dann Basis für die Entscheidung der Schiedsstelle sind. Welche Kriterien – es sollen insgesamt fünf sein –letztlich für die Wirkstoffauswahl zum Zuge kommen, das bleibt geheim, lässt der Schiedsstellenleiter Hess wissen. Mein liebes Tagebuch, so habe ich mir schon immer moderne Medizin und Pharmakotherapie im 21. Jahrhundert vorgestellt: Geheimkriterien für die Auswahl von Wirkstoffen. Ist super, oder? Geld und Einsparpotenziale für Kassen rechtfertigen eben alles. Und das Patientenwohl? Aber, nicht immer bleibt Geheimes geheim...
9. Januar 2014
Kammern sind Klammern. Sagte so in etwa unser BAK-Präsident Kiefer. Und meinte es auch so. Mein liebes Tagebuch, ich denke, da werden ihm wohl einige Kolleginnen und Kollegen ohne großes Nachdenken zustimmen. Vor allem die, die sich von Kammerseite schon heute mehr oder weniger vereinnahmt fühlen. Und was hat Kiefer damit gemeint? Kammern sollen sich als Klammern unseres Berufsstandes positionieren, auch Apothekerinnen und Apotheker, die außerhalb der Offizinen tätig sind, sollen stärker in die Kammer eingebunden werden. Und weiter: Die „Verkammerung“ sei das Rückgrat der beruflichen Selbstverwaltung und – ergo und ganz klar – sei die Bundesapothekerkammer das Rückgrat der ABDA. Ah ja, die ABDA hat also Rückgrat, mein liebes Tagebuch, wie fein. Nein, im Ernst, Kiefer will da wohl einfach wieder mal mehr die Bundesapothekerkammer in den Mittelpunkt stellen, als Dienstleister zum Beispiel. Und bei der Weiterentwicklung der Herstellung von patientenindividuellen Arzneimitteln in der Apotheke. Und bei der Vernetzung aller Apothekerinnen und Apotheker innerhalb des Berufes: „Ich möchte alle Kollegen enger an die Kammern binden“ sagt Kiefer. Hm, ob die das auch wollen? Mein liebes Tagebuch, die Vernetzungswünsche kommen mit irgendwie bekannt vor. Schon vor einem Jahr sprach der BAK-Präsident davon. Damals sagte er: Gemeinsam werde man nun daran arbeiten, Aapothekerinnen und Apotheker in allen Tätigkeitsfeldern noch besser zu vernetzen als bisher und sie als Mitglieder des therapeutischen Teams fest zu verankern. Hm, mein liebes Tagebuch, ist das mittlerweile ein Ritus? So ’ne Art Neujahrsaufruf? Etwa: „Apotheker aller Klassen vernetzt Euch!“ Lieber Herr Kiefer, alle Jahre wieder den Vernetzungsaufruf loszulassen, ist zu wenig. Da sollte mal ein bisschen Butter bei die Fische. Und was soll da überhaupt das abstrakte „Vernetzen“ bedeuten? Wär’ nicht schon mal viel gewonnen, wenn wir erst Mal eine bessere Kommunikation von oben (ABDA) nach unten (Kammern), zwischen den Kammern und von den Kammern zu den Mitgliedern hätten? Vielleicht eine Art Intranet für Apotheker, in dem die Arbeit der ABDA, der Bundesapothekerkammer und der Kammern transparent dargestellt würde und in dem sich auch die Apotheker engagieren könnten? Ach ja, mein liebes Tagebuch, so eine Art von Vernetzung wäre wohl eine Wunschvorstellung! Freuen wir uns auf die Neujahrsworte der BAK von 2015.
McKesson legte nochmal 50 Cent drauf – mit diesem Angebot konnte sich der Hedgefonds Elliott des Investors Paul Elliott Singer zufrieden geben. Jetzt verkauft er also seine Celesio-Anteile zum Preis von 23,50 Euro an den US-amerikanischen Konzern McKesson, der damit grünes Licht sieht für seine geplante Übernahme des Stuttgarter Pharmahändlers. Die von McKesson gewünschte 75-Prozent-Marke der Celesio-Aktien sei damit erreicht. Und damit dürfte der Weg frei sein für einen weiteren Giganten des Pharmahandelsgeschäftes mit einem Umsatz von 111 Milliarden Euro und 81.500 Mitarbeitern. Mein liebes Tagebuch, warten wir mal ab, wie sich das alles für den Großhandelsmarkt in Deutschland auswirkt. Übrigens, auch Haniel freut sich über das neue Angebot von McKesson, der den höheren Preis auch an den bisherigen Hauptaktionär zahlt. Haniel soll so über Nacht rund 42 Millionen Euro mehr bekommen, insgesamt rund zwei Milliarden Euro – sie sollen zum Schuldenabbau verwendet werden.
10. Januar 2014
Und Substitutionsausschlussliste, die Dritte. Ja, ja, der Deutsche Apothekerverband und der GKV-Spitzenverband wollten die Kriterien, die für die Auswahl der Wirkstoffe für die Substitutionsausschlussliste angelegt werden, nicht bekannt geben. Vollkommen unverständlich und eigentlich schon ein Affront. Aber, wie so oft, Geheimes bleibt nicht immer geheim. Irgendwie fanden sich die Kriterien dann doch in der „Ärzte Zeitung“ wieder. Und so weiß man jetzt: Ein Kriterium betrifft beispielsweise das Verschreibungsverhalten der Ärzte bzw. das Abgabeverhalten der Apotheker. Wenn Sie bei einem Wirkstoff häufiger aut idem ausschließen oder Apotheker pharmazeutische Bedenken anmelden, dann kommen solche Wirkstoffe eher in die Liste als andere. Andere Kriterien sind eine geringe therapeutische Breite oder wenn ein Drug Monitoring erforderlich ist oder auszuwertende evidenzbasierte Kriterien. Ausdrücklich steht im Schiedsstellenbeschluss allerdings: Eine eingeschränkte Compliance des Patienten rechtfertigt nicht die Aufnahme eines Wirkstoffs in die Liste. Tja, mein liebes Tagebuch, was zählt die Compliance, wenn’s ums Geld geht...
Die Berliner Staatsanwaltschaft hat vor Kurzem ihre Ermittlungen abgeschlossen in Sachen Datenklau-Affäre im Bundesgesundheitsministerium aus dem Jahr 2012. Wie zu erfahren war, wird sie nun Anklage gegen den ehemaligen ABDA-Pressesprecher Thomas Bellartz und einen IT-Mitarbeiter des Ministeriums erheben. Der Antrag zur Eröffnung des Hauptsacheverfahrens wurde an das zuständige Berliner Strafgericht übermittelt. Über den Antrag muss nun das Landgericht Berlin entscheiden. Noch ist offen, wann dies der Fall ist. Mein liebes Tagebuch, das ist der Stand der Dinge.
12.01.2014, 08:00 Uhr