Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

26.01.2014, 08:00 Uhr


Die Lieferengpässe sind in den Medien angekommen – ob’s hilft? Das Leitbild wird bald im Internet diskutiert – hilft bestimmt! Der Apothekerverband Westfalen-Lippe hat bereits ein Leitbild für eine buntere Apothekenwelt – hat schon geholfen. Die Bundesapothekerkammer kehrt mit ihrem Pharmacon-Kongress Davos den Rücken – hilft auf jeden Fall sparen. Und die ABDA stellt ihr Arbeitspensum 2014 vor – das ist ne Menge, wer hilft?

20. Januar 2014

Ist nichts Apothekerliches, nein, aber – der Chronik wegen – einen kleinen Eintrag ins Tagebuch wert: der ADAC-Crash. Zumal einige von uns sicher Mitglied sind. Der ADAC, ein eingetragener Verein mit vielen profitablen wirtschaftenden Töchtern, hat Umfrageergebnisse manipuliert, den Rettungshubschrauber für Dienstreisen missbraucht – kurzum, sein Image an die Wand gefahren. Manche sprechen sogar von Totalschaden. Schade, mein liebes Tagebuch, eigentlich steckte hinter dem Vereinsgedanken ein Hilfsangebot für den Notfall, bei einer Panne, bei einem Unfall. Groß und intransparent geworden nahmen Gutsherrenart, Gier und Überheblichkeit in diesem Verein zu. Wieder mal so ein Lehrstück. Also, to whom it may concern: immer schön transparent und geerdet bleiben.

21. Januar 2014

Lieferengpässe gab’s bisher nur bei Autos, Kult-Smartphones und Spielekonsolen. Und diese Engpässe wurden zum Teil künstlich erzeugt, um einen Werbeeffekt zu haben. Im Zusammenhang mit Arzneimitteln kannte man dieses Wort eher nicht. Jetzt stehen Lieferengpässe bei Arzneimitteln nahezu wöchentlich in den Schlagzeilen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat seit einiger Zeit sogar eine eigene Internetseite eingerichtet zu aktuellen Lieferengpässen bei Humanarzneimitteln. In einem Land, in dem Arzneimittelherstellung, -distribution und -logistik perfektioniert sind, sollten Lieferengpässe nicht vorkommen. Die Industrie nennt Gründe wie verspätete Wirk- und Grundstofflieferungen, Knappheit von Packungsmitteln, Umbau von Produktionsanlagen und Ähnliches als Ursachen. Mein liebes Tagebuch, da sollte man genauer hinsehen. Wird hier nicht Nachrangiges vorgeschoben? Steckt nicht letztlich ein steigender Kostendruck, geschürt von Rabattverträgen, dahinter mit der Folge, dass die Produktion vieler Arzneistoffe noch stärker rationalisiert wird, in Billiglohnländer verlegt wurde mit allen Unwägbarkeiten?

Aktuell kommt es zu Lieferausfällen bei den GSK-Impfstoffen Varilrix und Boostrix Polio. Eigentlich bestehen exklusive Rabattverträge für diese Impfstoffe  – GSK führt Herstellungsprobleme („hochsensibler, langwieriger Herstellungsprozesse“) an. Kann ja sein, aber irgendwie drängt sich der Verdacht auf, dass die Exklusivität durch den Rabattvertrag da unterschätzt wurde, oder? Ab 1. Februar wird die  Exklusivität aufgehoben, es können dann alle zugelassenen Impfstoffe für die Indikationen Varizellen sowie Diphtherie/Pertussis/Poliomyelitis/Tetanus verschrieben und abgegeben werden.

22. Januar 2014

Mittlerweile ist das Thema Lieferengpässe in den Medien angelangt. Das Fernsehmagazin „Panorama 3“ zeigte die negativen Seiten der Rabattverträge: Hersteller, die den Absatz ihres Produkts nicht mit einem Rabattvertrag abgesichert haben, fahren die Produktion bestimmter Arzneimittel zurück. Für Patienten, die genau diese Arzneimittel  benötigen, ist das fatal: Ihre Arzneimittel sind nicht mehr oder nur eingeschränkt verfügbar. Das Bundesgesundheitsministerium sieht laut Panorama-3-Recherchen keinen Handlungsbedarf: „Lieferengpässe haben zu keinem Zeitpunkt zu einem medizinisch relevanten Engpass geführt!“ Das sehen betroffene Patienten aber ganz anders! Mein liebes Tagebuch, klar, es lässt sich darüber streiten, was ein medizinisch relevanter Engpass ist. Aber wie schlimm muss es noch werden, bis die Politik handelt?

Rabattverträge werden nicht abgeschafft werden. Mit ihnen können die Kassen im Handumdrehen Millionen und Milliarden einsparen. Nach Meinung von Michael Hennrich (CDU), Mitglied des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestags, haben die Rabattverträge die Akzeptanz der Apotheker in der Bevölkerung sogar deutlich verbessert, Apotheker würden kaum noch als Schubladenzieher wahrgenommen. Na, ja, mein liebes Tagebuch, wird da nicht ein bisschen arg viel in die Rabattverträge hineininterpretiert?

Besser wäre es, wenn endlich die negativen Erfahrungen, die man bisher mit Rabattverträgen gesammelt hat, berücksichtigt würden.Also: Ein Rabattvertrag für einen Wirkstoff sollte nie mit einem Hersteller alleine, sondern immer mit mehreren Anbietern abgeschlossen werden – wegen der größeren Auswahlmöglichkeit. Keine Rabattverträge über Impfstoffe, da sie ein viel zu sensibles Produkt sind. Ausschluss bestimmter kritischer Wirkstoffe von Rabattverträgen – immerhin dieser Punkt wird mit der Substitutionsausschlussliste zögerlich angegangen.

23. Januar 2014

Die ABDA-Agenda fürs Jahr 2014 steht. In der PZ hat ABDA-Hauptgeschäftsführer Sebastian Schmitz zwei Schwerpunkte umrissen, die in diesem Jahr im Mittelpunkt stehen sollen. Mein liebes Tagebuch, mal ganz platt formuliert geht es – welch Überraschung – um Ethik und Monetik. Oder ein bisschen differenzierter: Ausbau der pharmazeutischen Leistungen und Verbesserung der wirtschaftlichen Basis der Apotheken. Hm, klingt nach mehr. Zu den „ausbaufähigen pharmazeutischen Leistungen“ rechnet Schmitz solche Leistungen, die der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) dienen, also das Medikationsmanagement und das Projekt ARMIN (früher ABDA-KBV-Modell) in den Modellregionen Sachsen und Thüringen. Außerdem soll der Apotheker bei einem Neustart des Präventionsgesetzes mit dabei sein. Und er soll eine stärkere Rolle beim Thema Entlassmanagement, also beim Übergang eines Patienten vom Krankenhaus in die ambulante Versorgung spielen. Allerdings – und das ist der zweite Schwerpunkt – will die ABDA bei all dem schönen Ausbau der apothekerlichen Kompetenzen nicht vergessen, dass der Apotheker für all die neuen Aufgaben auch bezahlt werden muss. „Es geht immer auch um ein angemessenes Honorar“, sagt der HGF. Wie wahr! Und da steht auf der To-do-Liste: regelmäßige Anpassung der packungsabhängigen Pauschale und Überprüfung der Systematik, Honorare für Rezepturen, Bearbeitungsgebühr für BtM-Rezepte, Nacht- und Notdienstpauschale mindestens in der vereinbarten Höhe von 120 Mio. Euro pro Jahr. Außerdem – und das ist ein neues Fass, das hier aufgemacht wird: keine  kostenlosen Inkassoleistungen mehr für die Gesetzliche Krankenversicherung. Vollkommen richtig – hätte man von Anfang an fordern sollen. Aber damit nicht genug. Neben diesen Aufgabenfeldern hat die Arbeit am neuen Leitbild hohe Priorität. Und dann steht noch der Ärger über Nullretax auf der Agenda. Na, liebe ABDA, ein straffes Programm 2014. Klingt nach Arbeit. Also, Ärmel hochkrempeln.

24. Januar 2014

Jetzt also doch. Im zweiten Anlauf klappt es: der US-Konzern McKesson übernimmt den Stuttgarter Pharmahändler Celesio. Der amerikanische Pharmahändler einigte sich mit den beiden Großaktionären Haniel und Elliott auf den Kauf eines Anteilpakets von über 75 Prozent. Und damit wird Celesio über kurz oder lang amerikanisch. Welche Ideen und Auswirkungen damit verbunden sind, wird sich noch zeigen. Auf alle Fälle: die Celesio-Chefin Marion Helmes freut sich, McKesson freut sich – und Haniel vermutlich auch.

Er spielt gerne so ein bisschen das monetäre Gewissen der Apotheker, wenn es um die Leitbild-Debatte geht: Klaus Michels, Vorsitzender des westfälisch-lippischen Apothekerverbands. Bevor der eine oder andere ABDA- oder Kammerfunktionär bei der Diskussion um ein neues Leitbild samt Heilberuf, Medikationsmanagement und Arzneimittelsicherheit allzu sehr ins Schwärmen um neue Aufgabenfelder und Kompetenzen gerät, mahnt er markig an, dass bei aller Ethik auch bitteschön daran gedacht werden muss: Wo kommt’s Geld her? Oder noch klarer: Wenn die Apotheker neue Aufgaben übernehmen, dann bitte schön müssen die auch bezahlt werden. Und so ist das Credo von Michels und seinem Verband: Ein künftiges Leitbild könne nur realistisch sein, wenn es die tatsächlichen Bedürfnisse der Patienten und Kunden der öffentlichen Apotheke widerspiegelt. Michels wörtlich: „Gesellschaftlich akzeptiert ist eine professionelle Leistung nur, wenn ihr Nutzen so offensichtlich ist, dass Einzelne und Solidargemeinschaft bereit sind, diese Leistung angemessen zu vergüten.“ Schon vor drei Jahren hat Michels mit seinem Apothekerverband ein Papier zur  „Apotheke der Zukunft“ veröffentlicht, in dem er sich gegen jede weitere wirtschaftliche Beschränkung der Apothekertätigkeit ausspricht. Für ihn wird die Apothekerwelt in Zukunft bunter. Am kommenden Montag besucht ABDA-Präsident Schmidt eine Veranstaltung des Apothekerverbands Westfalen-Lippe. Mein liebes Tagebuch, ob dem ABDA-Präsidenten die bunte Apothekenwelt von Michels zu bunt ist? Man wird sehen. Möglicherweise sind auch beide gar nicht so weit von einander entfernt. Denn es gehört  doch auch zu Forderungen im Leitbild, dass neue Dienstleistungen anständig honoriert werden.

Die Schweiz ist teuer, zu teuer, um sich dort fortzubilden. Nicht nur junge Apothekerinnen,  Apotheker und Pharmaziestudierende wollen und können sich die Davoser Preise nicht mehr leisten. Damit sie auf die Winterfortbildung im Schnee nicht verzichten müssen, schneidet  jetzt die Bundesapothekerkammer (BAK) den alten Davoser Zopf ab. Dieses Jahr zum letzten Mal in Davos, im nächsten Jahr zieht der Pharmacon-Kongress ins österreichische Schladming um, teilte die Werbe- und Vertriebsgesellschaft Deutscher Apotheker mit. In dem in der Nähe von Salzburg gelegenen Ort finde man anspruchsvolle Skipisten, Unterkünfte in allen Preisklassen und ein modernes Kongresszentrum. Na, mein liebes Tagebuch, was will man mehr? Und wer Fortbildung gerne kompakt und preiswert liebt, ohne Skizirkus, ohne eine Woche Urlaub nehmen zu müssen – der geht in diesem Jahr zur Interpharm: vom 28. bis 30. März  in Berlin.

25. Januar 2014

In einer Woche ist es soweit, mein liebes Tagebuch: Ab 1. Februar dürfen alle Apothekerinnen und Apotheker Deutschlands ihre Vision und Vorstellung von der „zukünftigen Entwicklung der öffentlichen Apotheke und der dort tätigen Apotheker“ in ein Meinungsforum im Internet einbringen. Das berufsöffentliche Diskussionsforum der ABDA ist ein Novum! Drei Wochen wird das Forum offen sein. Danach werden die Meinungen und Beiträge ausgewertet und fließen in einen ersten Entwurf zum Leitbild. Wo wird die Zukunft des Apothekers in der öffentlichen Apotheke liegen? Vielleicht eher in Dienstleistungen wie dem Medikationsmanagement? Oder eher nur in der Abgabe von Arzneimitteln und vielleicht einem größeren Randsortiment? Oder irgendwo dazwischen – in einer bunten Apothekenwelt? Mein liebes Tagebuch, vielleicht sollte man einfach auch mal darüber nachdenken, was die Gesellschaft vom Apotheker in Zukunft erwartet. Zu welchem Ergebnis man auch kommen mag: Wäre schön, wenn viele die Chance wahrnehmen und mitmachen auf www.leitbildprozess.de – von 1. bis 21. Februar.


Peter Ditzel