Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

23.02.2014, 08:00 Uhr


Wenn ein Apothekenbus durch Brandenburg geistert, DrEd in England feixt, dass die deutsche Politik die Pille danach nicht freigeben will, wenn sich die Online-Leitbilddiskussion mit einer bescheidenen Beteiligung verabschiedet und bei vielen Frust hinterlässt und wenn in Zukunft die Substitutionsausschlussliste vom Gemeinsamen Bundesausschuss erstellt wird und die Kompetenz des Apothekers nicht mehr gefragt ist – dann, mein liebes Tagebuch, ja dann war das wieder mal der ganz normale Wahnsinn einer Apothekerwoche.

17. Februar 2014

Wenigstens das ist geklärt: Die Notdienstpauschale ist ein Zuschuss. Und als echter Zuschuss unterliegt sie nicht der Umsatzsteuer. Sagt das Bayerische Landesamt für Steuern. Jawohl, Bayern ist ja nicht irgendwer. Außerdem hat das Landesamt damit auch die während der Gesetzgebung vom Bundesfinanzministerium vertretene Auffassung bestätigt, dass Apotheken auf die neue Notdienstpauschale keine Umsatzsteuer entrichten müssen. Selten genug, aber es gibt noch Auffassungen, auf die Verlass ist. Mein liebes Tagebuch, die Steuerverwaltungen der anderen Länder werden sich dieser Ansicht wohl anschließen. Na, dann ist da wenigstens mal Klarheit geschaffen.

Weniger schön für die Präsenz-Apotheken: Über den Versandhandel laufen bereits 81,9 Millionen OTC-Packungen mit einem Umsatz von 548 Millionen Euro – eine Steigerung zum Vorjahr um 6,2 Prozent. Der Versandhandelsumsatz mit Rx ging dagegen weiter zurück (- 2,5 % auf 191 Millionen Euro). Insgesamt wuchs der Versandhandel laut IMS Health um knapp vier Prozent. Klar, der Versandhandel wird mehr und mehr zum OTC-Versand mit Schnäppchen und Billigangeboten. Das ist für die Apotheke an der Ecke nicht gut. 88 Prozent (!) Preisersparnis bei Paracetamol (wird es bald als Zugabe verschenkt?), über 50 Prozent bei Voltaren, Grippostad oder Aspirin plus C – die Preise sind kaputt. Mein liebes Tagebuch, den Versandhandel kriegen wir nicht mehr weg, alles politisch so gewollt. Schwarzsehen ist aber nicht angesagt. Die niedergelassene Apotheke kann mit Schnelligkeit, Freundlichkeit und Beratung dagegenhalten. Und das sollten wir ausspielen.

18. Februar 2014

Er war eine Persönlichkeit: der Verleger Rolf Becker, Inhaber des Wort&Bild Verlags. Am 15. Februar ist er im Alter von 93 Jahren in München gestorben. Becker hatte die „Apotheken Umschau“ im Jahr 1956 gegründet und zu Deutschlands auflagenstärkster Gesundheitszeitschrift gemacht. Er engagierte sich als Mäzen für Kunst und Musik, unterstützte zahlreiche soziale und karitative Einrichtungen und gründete 2005 die Stiftung „Rufzeichen Gesundheit!“, deren Ziel es ist, die Bevölkerung für die Gefahren des Metabolischen Syndroms zu sensibilisieren.

19. Februar 2014

Unglaublich, aber wahr. Schon wieder fährt ein Apothekenbus durch ein Wahlprogramm. Als hätte es die Diskussion im letzten Jahr nicht gegeben. Dieses Mal hat die SPD Gefallen daran gefunden – mit Blick auf die Landtagswahl im September in Brandenburg. Menschen in abgelegenen Regionen sollen in Zukunft besser mit Medikamenten versorgt werden können. Mein liebes Tagebuch, immer wieder lustig, welche Begründungen sich da so eine Landespartei pro Bus ausdenkt. Die Kammer Brandenburg will umgehend das Gespräch mit der SPD suchen. Aus den bisherigen Kontakten zum Brandenburger Gesundheitsministerium weiß die Kammer allerdings, dass es sich nur um einen Bus handeln kann, der Patienten zur Apotheke bringt. Ach so, und warum nennt sie ihn dann nicht so? Einen Patientenbus, der die Patienten zum Arzt bringt, gibt es dort schon. Ja, dann kann dieser Bus noch einen Zwischenhalt bei der Apotheke einlegen. Und die Sache wird rund. Vielleicht sollten Wahlprogramme einfach mal ein bisschen präziser formulieren. Die Vorsitzende des Apothekerverbands Brandenburg, Andrea Lorenz, ist dennoch sauer über dieses Wahlprogramm – mit Recht. Zumal es keine Lücken in der brandenburgischen Versorgungsstruktur gebe und die Apothekenzahl relativ stabil sei. Das Projekt, Patienten mit Bussen den Arzt- und den Apothekenbesuch zu ermöglichen, sieht sie allerdings als ausbaufähig an.

Die in England ansässige Online-Praxis DrEd wittert Chancen beim Thema „Pille danach“. Ihre Online-Sprechstunde sei rund um die Uhr erreichbar und ermögliche eine schnelle Versorgung mit der „Pille danach“, per Post am Werktag nach der Anfrage oder direkt in einer örtlichen Apotheke innerhalb von zwei bis drei Stunden. Mein liebes Tagebuch, bei diesem Abgabe-Vorgang wäre ich gerne mal Mäuschen, um einem solchen  Beratungsgespräch am Telefon zu lauschen. Ich wette, eine Apothekerin oder ein Apotheker vor Ort in Deutschland könnten das mindestens genauso gut oder besser. Außerdem: Ob die Postsendung am nächsten Werktag da ist, lässt sich nicht garantieren. Und was ist dann? Und warum so lange warten, wenn man das Präparat in der Vor-Ort-Apotheke sofort bekommen könnte? Tja, man wird sehen, in welche Richtung sich die festgefahrenen Fronten im Pille-danach-Streit entwickeln werden. Sagt unsere Regierung nein zur Freigabe, dann freut sich DrEd.

Jetzt ist sie vorbei, die pannengebeutelte, viel kritisierte Online-Leitbilddiskussion. Am vergangenen Freitag war Schluss. Am Anfang gab’s Pannen - für die ABDA war das kein Grund, die Diskussionszeit zu verlängern, wie ABDA-Vize Arnold klarstellte. Hätte auch wenig gebracht, mein liebes Tagebuch, der Erkenntniszugewinn, wie ein Apothekerleitbild aussehen könnte, wäre nicht sonderlich gewachsen, oder?

Nur rund 3500 der 65.000 Apothekerinnen und Apotheker hatten sich angemeldet. Nicht viel, oder? Über 3000 füllten den Fragebogen aus und über 1300 stellten Diskussionsbeiträge ein. Die ABDA, so war zu vernehmen, nimmt die Beteiligung so hin. Was soll sie auch machen. Also, hat’s was gebracht  oder „außer Spesen nichts gewesen“? War’s ein ernst zu nehmender Versuch oder hätte man’s lieber gleich lassen sollen? Mein liebes Tagebuch, wir wissen es nicht. Ein No Go war: die auf die Länder beschränkte Diskussionsmöglichkeit und  der Ausschluss derjenigen, die es am meisten trifft: die Pharmaziestudierenden und die PhiPs. Und: Es werden schon Stimmen laut, die sich darum sorgen, dass in der gesamten Leitbilddiskussion die Apotheke als Unternehmen nicht vorgesehen sei. Klaus Michels, der Vorsitzende des Apothekerverbands Westfalen-Lippe, musste sich für diese Kritik auch schon einen Rüffel vom Präsidenten abholen. Aber ist diese Sorge von Michels nicht berechtigt? Und: warum soll man seine Bedenken nicht äußern dürfen? Hoffentlich geht der Leitbildprozess nicht nach dem Muster weiter: „Nicht sein kann, was nicht sein darf“ – denn dann können wir uns die Diskussionen und die Arbeit schenken.

Spannend wird es eigentlich erst jetzt: Was passiert mit den Antworten und wie geht’s weiter? Wie man hörte, werden die Antworten von der Medienagentur Cyrano strukturiert und eine Quintessenz extrahiert. Halte ich für suboptimal. Ähnlich suboptimal, wie es die von der Agentur formulierten Fragen waren. Man spürte, dass da kein Apotheker drüber geschaut hatte.

Ja, mein liebes Tagebuch, und dann wird in den Ländergruppen weiter diskutiert. Und im April trifft man sich zum Konvent, in dem man schon mal das Wichtige vom Unwichtigen trennen will und Empfehlungen für ein Leitbild erarbeitet. Das geht in die ABDA-Arbeitsgruppe zum Leitbild, die daraus einen Rohentwurf erstellt. Dann wird’s spannend: Diesen Rohentwurf darf im Mai jedes Kammermitglied in einer öffentlichen Diskussionsrunde kommentieren. Die Diskussionsergebnisse fließen in die finale Version ein, die im Juni auf der ABDA-Mitgliederversammlung vorgestellt wird. Ja, und auf dem Apothekertag wird dann über diese Endfassung des Leitbilds abgestimmt. Das wird heiter werden!

Mit der Verabschiedung des Leitbilds beginnt allerdings erst die Arbeit, wie Arnold unlängst deutlich machte. Denn das Leitbild definiert Ziele, die man erreichen möchte – bis zum Jahr 2030 (ist nur symbolisch gemeint, ach so). Ob wir uns 2030 noch daran erinnern, wie wir um das Leitbild gerungen haben?

20. Februar 2014

In Bayern stehen Kammerwahlen an. Drei Verbände haben sich zu einer Liste zusammengeschlossen: die Apothekengewerkschaft Adexa, der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker und – der Bayerische Apothekerverband. Irgendwie nett, dass sich diese drei ungleichen Verbände zusammengefunden haben. Schaun mer mal, wie’s läuft, Anfang April.

Auch in Nordrhein wird gewählt. Anfang Juni. Auch dort tut sich schon einiges in Sachen Listen, z. B. die neue Liste „Kammerspiegel“, eine kleine aktive Gruppe von Apothekerinnen und Apothekern, die für frischen Wind sorgen will. Wird spannend!

21. Februar 2014

Die Substitutionsausschlussliste – ohgott, man kann das Wort schon nicht mehr hören – wird vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) festgesetzt. Das hat der Bundestag mit dem 14. SGB V Änderungsgesetz beschlossen. Damit sind nun Deutscher Apothekerverband und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen raus aus der Diskussion. Aus die Maus. Die Apotheker haben also bei pharmazeutischen Fragen nichts mehr mitzureden. Das macht der G-BA – und da sind die Apotheker nicht drin (und wollen nicht rein). Allenfalls über Stellungnahmeverfahren können Apotheker ein bisschen mitmischen. Das ist nicht viel. Mein liebes Tagebuch, wie findest Du das? Die Politik wirft uns aus unserem Kompetenzgebiet hinaus. Ja, so muss man das sehen. Irgendwie symptomatisch, oder? Spielen Apotheker – außer in Sonntagsreden – in der Politik keine Rolle mehr?

Herr Becker, was lief da schief? War da der GKV-Spitzenverband schuld? War der DAV zu kompromisslos und hartnäckig? Sie fordern, dass Apotheker bei der Substitutionsausschlussliste angemessen in die Entscheidungsfindung mit einbezogen werden. Klar, Sie müssen das fordern. Aber, Hand aufs Herz, glauben Sie, wir werden da jemals noch ein relevantes Wort mitreden können. Ist dieser Zug nicht schon abgefahren? Der G-BA-Vorsitzende Josef Hecken meint, dass in seinem Gremium viel pharmazeutischer Sachverstand vorhanden sei. Wen könnte er damit gemeint haben? Bis Ende September muss der G-BA seine Liste vorlegen. Wir können sie kaum erwarten.


Peter Ditzel