Selbstmedikation

Haftungsfragen Off-label-use von OTC

02.03.2014, 12:00 Uhr


Selbstmedikation ist für Verbraucher und Apotheker Alltag. Arzneimittel, die rezeptfrei erhältlich sind, gelten als sicher. Dennoch stellen sich Apothekern rechtliche Fragen: Welche Pflichten treffen sie bei der Abgabe von OTC? Und: Wie sieht es mit der Haftung aus, wenn sie einem Kunden ein Arzneimittel abgeben, das für die Behandlung seiner Beschwerden gar nicht indiziert ist? Rechtsanwalt Dr. Valentin Saalfrank geht diesen Fragen in der aktuellen DAZ nach.

Die Entscheidung, ein Arzneimittel außerhalb der Zulassung anzuwenden, trifft bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln der behandelnde Arzt im Rahmen seiner Therapiefreiheit. Kommt es dabei zu einer Gefährdung des Patienten, ist er möglicher Anspruchsgegner, der pharmazeutische Unternehmer dagegen in der Regel nicht.

Werden in der Apotheke apothekenpflichtige OTC – zumeist ohne Vorliegen einer ärztlichen Verschreibung – abgegeben, sind einige Vorschriften zu beachten. So untersagt etwa § 17 Abs. 5 Apothekenbetriebsordnung (ApotBetrO) die Abgabe, wenn die Verschreibung einen erkennbaren Irrtum enthält, sie nicht lesbar ist oder sich sonstige Bedenken ergeben. Die Vorschrift regelt in erster Linie den Fall der Abgabe eines ärztlich verordneten Arzneimittels. Sie könnte aber auch auf Sachverhalte der Selbstmedikation anzuwenden sein. Wenn dem Apotheker bei Verschreibung desselben Mittels die Abgabe nicht gestattet wäre, so könne sie nicht allein deshalb zulässig sein, weil eine solche Verschreibung nicht vorliegt, so Saalfrank. Unter „Sonstige Bedenken“ könnte dann auch die Verwendung außerhalb der Zulassung fallen. Denn nur ein Arzt und nicht der Apotheker kann eine therapeutische Entscheidung für eine nicht zugelassene Arzneimitteltherapie treffen. Hat also der Apotheker Zweifel, ob ein Arzneimittel bedenkenlos für eine Off-label-Therapie eingesetzt werden kann, so darf er das Mittel nicht abgeben, wenn er diese Zweifel nicht durch entsprechendes Befragen oder z.B. Rücksprache mit dem behandelnden Arzt oder aufgrund seiner eigenen Kenntnis ausräumen kann. Zu weit ginge es aber, generell ein Abgabeverbot allein deshalb anzunehmen, weil die Anwendung außerhalb der Zulassung erfolgen soll.

Ein weiteres Abgabeverbot bestimmt § 17 Abs. 8 ApoBetrO. Danach muss der Apotheker einem Arzneimittelmissbrauch entgegenwirken und die Abgabe verweigern, wenn der begründete Verdacht auf Missbrauch besteht. Danach wäre auch die Abgabe von OTC-Produkten, welche der Kunde ersichtlich außerhalb der Angaben in der Zulassung anwenden will, nicht statthaft, wenn mit ihr ein gesundheitliches Gefährdungspotenzial einhergeht. Hier ist eine fachgerechte Beratung gefragt. Dem Kunden sind die Risiken vor Augen zu führen. Es ist ihm eine ärztliche Konsultation zu empfehlen, wenn sich die Beschwerden nicht in angemessener Zeit bessern. Zu beanstanden wäre aber wohl eine dauerhafte Arzneimittelabgabe in der Apotheke ohne vorausgegangene ärztliche Konsultation. Geht die Off-label-Therapie mit Risiken einher, die der Apotheker nicht abschätzen kann, muss er die Abgabe des Arzneimittels ablehnen, bis er ärztlichen Rat eingeholt hat.

Nicht zuletzt gilt § 20 ApoBetrO – und im Falle der Selbstmedikation besteht eine gesteigerte Beratungspflicht. Verlangt der Kunde nach einem OTC-Arzneimittel, das aufgrund der vom Kunden im Beratungsgespräch angegebenen Beschwerden nicht geeignet ist oder das für ihn aufgrund der Zulassung/Arzneimittelinformationen nicht bestimmt ist, bedarf es einer sorgfältigen Abwägung, ob es wirklich zur Abgabe geeignet ist, ob von der Anwendung abzuraten ist oder ob sie sogar mit der Gefahr einer solchen Gesundheitsgefährdung verbunden ist, die die Abgabe des Mittels verbietet.

Letztlich sind Apotheker mögliche Anspruchsgegner bei eingetretenen Arzneimittelschäden. Erfüllt der Apotheker seine Informations- und Beratungspflicht nicht fehlerfrei, kann dies im Falle einer Schädigung des Patienten einen Schadensersatzanspruch begründen.

Lesen Sie den vollständigen Artikel in der aktuellen DAZ 2014, Nr. 9, S. 68.


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