Packungsbeilagen für Sehbehinderte

Blindenverband contra Pharmaverbände

Berlin - 17.03.2014, 16:15 Uhr


Seit Herbst 2005 sind die deutschen Pharmaunternehmen nach dem Arzneimittelgesetz verpflichtet, die Informationen aus den Beipackzetteln auch blindengerecht zur Verfügung zu stellen. Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband ist mit der Umsetzung dieser Vorgabe allerdings nicht zufrieden – ebenso wenig mit den jüngsten Plänen der Pharmabranche, eine Telefonhotline einzurichten, über die sich Patienten die Packungsbeilagen vorlesen lassen können.

Nachdem die Gesundheitsministerkonferenz das Thema Packungsbeilagen für Sehbehinderte im letzten Jahr aufgegriffen hatte, hat die Bundesregierung Anfang dieses Jahres einen Bericht hierzu vorgelegt. Unter anderem wird darin die Idee der Pharmaverbände BAH, BPI, Pro Generika und vfa aufgegriffen, eine Hotline einzurichten: Über eine zentrale Nummer sollen Patienten einfach und schnell an die einzelnen Pharmaunternehmen weitergeleitet werden, wo ihnen die wichtigen Gebrauchsinformationen vorgelesen werden können.

Während das Bundesgesundheitsministerium diesem Vorschlag offen gegenüber steht, meldete der DBSV bei einem Fachgespräch im vergangenen November im Ministerium Bedenken gegen diese telefonische Lösung an. Mittlerweile spricht der Verband von einem „offenen Streit“. Seine Sorge: Die Arzneimittelhersteller könnten ihren Dienst für Blinde und sehbehinderte nur noch telefonisch anbieten. Für DBSV-Präsidentin Renate Reymann kann dieser Service aber nur eine Ergänzung, auf keinen Fall das einzige Angebot sein: „Das sind doch komplexe Informationen, wer kann sich die schon nach einmaligem Anhören merken?“, fragt sie. Zudem: Nebenwirkungen hielten sich nicht an die Öffnungszeiten einer Unternehmens-Hotline.

Der DBSV setzt statt dessen auf einen Ausbau der bestehenden Webseite www.patienteninfo-service.de. Diese hatten der DBSV und die Rote Liste Service GmbH im Sommer 2010 ins Leben gerufen. Hersteller können hier Beipackzettel im Großdruck hinterlegen und als Hörbuch bereitstellen. Diese Webseite finden wiederum die meisten Hersteller wenig praktikabel. Für sie selbst sei es teuer und aufwendig, die Daten zu einzupflegen und zu unterhalten.

Wer die Vorlesefunktion der Webseite ausprobiert muss zudem feststellen, dass es um deren Verständlichkeit nicht zum besten bestellt ist. Eine Computerstimme liest die Informationen vor – mitsamt jedem Bindestrich. Da kann man sich schon fragen, ob ein Patient bei einer Telefonhotline – wo er es mit einem echten Menschen zu tun hat – nicht besser aufgehoben ist. Hier kann er sofort nachfragen, wenn er etwas nicht versteht. Die betreffende Passage kann auch ohne Not mehrmals vorgelesen werden.  

Jedenfalls muss der DBSV konstatieren, dass bislang nur ein Bruchteil der in Deutschland ansässigen Unternehmen – 21 von 350 – auf der Webseite Packungsbeilagen hinterlegt hat. Trotz der verbreiteten Ablehnung bei den Pharmaunternehmen: Einstampfen wollen sie den Service deshalb nicht.  Die Vorarbeiten für eine Telefonhotline laufen jedoch weiter.


Kirsten Sucker-Sket