Start mit E-Unterschrift

eGK kommt trotz Streits voran

Berlin - 25.07.2014, 09:03 Uhr


Hauptstadtflughafen, Elbphilharmonie – elektronische Gesundheitskarte (eGK). Das IT-Milliardenprojekt scheint sich nahtlos in Großvorhaben mit Pannen-Image einzureihen. Ursprünglich sollte die eGK am 1. Januar 2006 eingeführt werden. Widerstand von Ärzten, Streit und Planungsprobleme verzögern eine sinnvolle eGK. Doch im Stillen geht der Aufbau schneller voran als bekannt.

Der Krankenkassen-Verband und die Kassenärztliche Bundesvereinigung haben sich erst kürzlich mit gegenseitigen Schuldzuweisungen zur eGK hervorgetan. Noch immer keine Einigung beider Seiten gibt es in der Frage, wann die alte Versichertenkarte abläuft. Alles nur schrille Begleitmusik für eine digitale Revolution im Gesundheitswesen? Rund 97 Prozent der Versicherten haben die Karte. Gesamtkosten: 2014 laut den Kassen mehr als eine Milliarde Euro. Doch viel kann die eGK nicht. Das zu ändern ist Ziel der Gematik. Dort zeigt man sich tatkräftig.

Im Moment wird laut Gematik-Geschäftsführer Arno Elmer die Infrastruktur aufgebaut. „Da werden jetzt Leitungen verlegt“, versichert er. „Im kommenden Jahr steht die Gesundheitsdatenautobahn.“ Doch diese „Autobahn“ allein ist erstmal nutzlos, wie Rainer Bernnat feststellt, ein Experte für IT-Wirtschaft bei der Beratungsfirma Strategy& und langjähriger Begleiter der eGK. „Erst wenn Autos darauf fahren, bringt es Mehrwert und wird die Öffentlichkeit überzeugt werden.“ Gematik-Geschäftsführer Elmer beschreibt die bestehenden Datennetze bei Praxen und Kliniken als Landstraßen – bald würden sie an die neue digitale Autobahn angeschlossen. Gelingt das?

Spontane Begeisterung löst das Projekt in Zeiten der Datenspionage bei vielen nicht gerade aus. Aktivisten machen etwa im Bündnis „Stoppt die e-Card!“ Front. „Die Sicherheit des Systems ist weit höher als die beim Onlinebanking“, beteuert Elmer. Zentrale Server solle es nicht geben, die Daten bleiben in Praxen und Kliniken – Verschlüsselungen und PIN-Nummern sollen den Austausch sicher machen. Bei den Medizinern gibt es auch andere Gründe für Ablehnung. „Viele Ärzte haben Angst, der persönliche Kontakt zu den Patienten nehme ab, weil Daten elektronisch abgefragt werden“, sagt Philipp Klöcker, Mitautor einer Studie der Uni Augsburg. Bernnat meint: „Viele wollen sich nicht in die Karten schauen lassen.“

Doch in der Ärzteschaft gibt es auch andere Stimmen. „Deutschland hinkt beim Thema E-Health hinterher“, klagt der Chef des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt. „In anderen Ländern klappt der Arzt sein Notebook auf und hat sofort die Krankheitsdaten des Patienten vorliegen.“ Weigeldt kritisiert indirekt auch die in der Gematik vertretene Kassenärztliche Bundesvereinigung: Die Gematik-Beteiligten wollten die sensiblen Daten jeweils selbst haben – „diese aber nicht den anderen zugestehen“.

Vom Hickhack alarmiert macht nun Minister Hermann Gröhe (CDU) Dampf. In der Koalition wird erwartet, dass sein geplantes E-Health-Gesetz bis Oktober auf den Weg kommt. Die Ärzte sollen auf digital umschalten. Ab Ende 2015 sollen laut den Kassen etwa Adresse und Versichertenstatus auf der Karte online überprüft werden können. Ab 2016 soll die elektronische Unterschrift eingeführt werden. Und Notfalldaten sollen auf der Karte gespeichert werden können – Ärzte könnten rasch Infos über Allergien oder Herzschrittmacher bekommen. Greifbar ist auch, dass Ärzte, Kliniken und Apotheker die Daten eines Patienten schnell austauschen können. Elmer: „Heute werden Röntgenbilder zum Beispiel noch in Pappröhren verschickt.“

Der künftige Nutzen von eGK und E-Health-Netz hängt davon ab, welche Programme Firmen bieten. Ekkehard Mittelstaedt vertritt als Verbandsgeschäftsführer die IT-Anbieter im Gesundheitswesen. Er meint, die Industrie biete schon heute Anwendungen an – weit über den Transport von Daten zwischen Ärzten hinaus. Beispiel Arzneisicherheit: Es gilt, Patienten vor Wechselwirkung bei mehreren Pillen und Überdosierung zu schützen. Also könnte es für alle berechtigten Ärzte und Apotheker einsehbare Medikationspläne geben. „Patienten und Ärzte könnten aber auch von automatischen Wechselwirkungsprüfungen profitieren oder von Vorschlägen zur Medikation, die Programme anhand aktueller wissenschaftlicher Standards machen“, so Elmer. Wesentliche Anwendungen würden jedenfalls bis 2018 eingeführt.


dpa/DAZ.online


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